Nach dem US-Angriff auf iranische Atomanlagen droht der Iran mit der Schliessung der Strasse von Hormus: Das Parlament billigte die Sperrung, es fehlt aber noch die Zustimmung des Obersten Nationalen Sicherheitsrats der Islamischen Republik. Warum ist diese Schifffahrtsstrasse so wichtig für die Weltwirtschaft - und was droht bei einer Sperrung?
Was ist die Strasse von Hormus eigentlich?
Die Meerenge liegt zwischen Oman und Iran. Sie ist an ihrer schmalsten Stelle nur etwa 33 Kilometer breit. Für den Schiffsverkehr tauglich ist hier nur ein drei Kilometer breiter Streifen.
Warum ist die Meerenge so wichtig?
Saudi-Arabien, Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Kuwait und der Irak exportieren den Grossteil ihres Rohöls über die Meerenge - vor allem nach Asien. Etwa ein Fünftel des weltweiten Ölverbrauchs fliesst durch sie. Zwischen Anfang 2022 und dem vergangenen Monat wurden hier täglich zwischen 17,8 und 20,8 Millionen Barrel (je 159 Liter) Rohöl, Kondensat und Kraftstoffe transportiert, wie Daten des Analyseunternehmens Vortexa zeigen. Wird die Strasse von Hormus geschlossen, kann dies kaum kompensiert werden. Nur etwa 2,6 Millionen Barrel pro Tag an ungenutzter Kapazität aus Pipelines der VAE und Saudi-Arabiens stehen dann zur Verfügung, schätzt die US-Behörde Energy Information Administration.
Wie sieht es mit dem Flüssigerdgas aus?
Auch LNG wird in grossen Mengen durch die Meerenge transportiert. «Noch gravierender fällt die Abhängigkeit bei LNG aus», betonen die Experten des Bankhauses Metzler. Etwa ein Viertel der weltweiten Lieferströme des verflüssigten Erdgases (LNG) gehen hier durch. Katar, einer der weltweit grössten LNG-Exporteure, schickt fast sein gesamtes Flüssigerdgas durch die Meerenge.
Gab es schon einmal solche Spannungen?
Ja, mehrfach. Während des Iran-Irak-Krieges von 1980 bis 1988 etwa versuchten beide Seiten im sogenannten Tankerkrieg, die Exporte der jeweils anderen Seite zu stören. Im Januar 2012 drohte der Iran als Vergeltung für amerikanische und europäische Sanktionen mit der Blockade der Meerenge. Im Mai 2019 wurden vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate, ausserhalb der Strasse von Hormus, vier Schiffe angegriffen – darunter zwei saudische Öltanker. Drei Schiffe – zwei im Jahr 2023 und eines im Jahr 2024 – wurden vom Iran in der Nähe oder in der Strasse von Hormus beschlagnahmt, als Vergeltung für die Beschlagnahmung von Tankern mit iranischem Bezug durch die USA.
Welche Folgen könnte die Sperrung haben?
Der Ölpreis für die Nordseesorte Brent könne dann binnen kurzer Zeit auf 120 Dollar pro Barrel (159 Liter) klettern, schreiben die Ökonomen Robin Winkler und Marc Schattenberg von Deutsche Bank Research. Aktuell liegt er bei knapp 78 Dollar.
Was wären die Folgen eines so starken Ölpreisanstiegs?
Höhere Ölpreise würden die Energiepreise erhöhen, die Inflation anheizen und die Konjunktur bremsen. Gerade in der Schweiz wäre mit einer anziehenden Teuerung zu rechnen, da Erdölprodukte im Landesindex der Konsumentenpreise relativ stark gewichtet sind. In Deutschland und der Euro-Zone würde ein Anstieg in dieser Grössenordnung die Einfuhrkosten um etwa ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes erhöhen, rechnen die Experten von Deutsche Bank Research vor. «Die derzeitige Konjunkturerholung würde abbrechen», warnen Winkler und Schattenberg deshalb.
Was genau wären die Folgen für Konsumentinnen und Konsumenten?
Benzinpreise vollziehen die Entwicklung der Weltmarktpreise rasch nach. Auch indirekt dürften die Konsumenten zur Kasse gebeten werden. Sollten etwa Landwirte, Logistikunternehmen und Airlines dauerhaft mehr für Sprit bezahlen müssen, dürften sie die gestiegenen Kosten an ihre Kunden weiterreichen. «Der Ölpreis ist zwar nicht mehr so wichtig für die deutsche Wirtschaft wie noch vor ein oder zwei Jahrzehnten», betont der Chef-Marktanalyst des Finanzhauses CMC Markets, Jochen Stanzl. Wenn der Preis aber in kurzer Zeit stark steige, dann könne dies auch der zuletzt festere Euro durch geringere Importpreise nicht mehr kompensieren.
Was bedeutet das für die Notenbanken?
Zinssenkungen könnten bei steigender Inflation vom Tisch sein - dabei könnte billigeres Geld die derzeit maue Weltwirtschaft anschieben helfen. «Ein Energiepreisschock stellt die Notenbanken vor erhebliche Herausforderungen, weil der Abwärtstrend bei der Inflation abrupt gestoppt würde», erklärte der Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank, Cyrus de la Rubia. Selbst wenn dieses Ereignis die USA und die Euro-Zone in eine Rezession führen würde, dürften die amerikanische Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinsen nur geringfügig senken und mit billigem Geld die Wirtschaft stimulieren - «aus Furcht davor, dass sie an Glaubwürdigkeit beim Kampf gegen die Inflation verlieren». Für die Schweiz gehen Experten ohnehin von einem Verbleib des Leitzinses bei 0 Prozent aus. Sollte die Inflation spürbar anziehen, dürfte die Wahrscheinlichkeit von Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) wieder sinken.
Gibt es auch Gewinner?
«Ein ganz wichtiger (Gewinner) wäre Russland, dessen Öl und Gas dann umso mehr gefragt wären», sagte Volkswirt Cyrus de la Rubia. Ein starker Ölpreisanstieg könnte Moskaus Kriegskasse rund dreieinhalb Jahre nach dem Überfall auf die Ukraine wieder füllen. «Auf der Gewinnerseite könnten auch erneuerbare Energien wieder stärkeren Aufwind erhalten.» Mit einem Anteil von 59,4 Prozent stammte der 2024 in Deutschland erzeugte und ins Netz eingespeiste Strom mehrheitlich aus erneuerbaren Energiequellen. 2023 hatte der Anteil noch bei 56,0 Prozent gelegen.
(Reuters)