Die ersten Apriltage hallen nach. Damals fiel der Swiss Market Index (SMI) um knapp 1800 Punkte beziehungsweise rund 14 Prozent - der US-Zollhammer hatte zugeschlagen. Vollständig erholt hat sich der Schweizer Aktienmarkt seither nicht. Bis Handelsschluss am Montag betrug das Minus gegenüber dem Stand vor der US-Zollankündigung 5,9 Prozent.
Nur ein Teil der SMI-Aktien legte in dieser Phase - zwischen dem 1. April und dem 21. Juli - zu. Holcim (plus 28 Prozent), ABB (plus 15 Prozent) und Geberit (plus 12 Prozent) verzeichnen das grösste Plus, derweil Logitech stark aufgeholt hat: Die Aktien des Herstellers von Computerzubehör brachen nach dem sogenannten «Liberation Day» um bis zu 26 Prozent ein. Nach dem Tiefpunkt stiegen sie bis Mitte Juli um 37 Prozent. Damit verbessern sich die Logitech-Valoren 1,5 Prozent gegenüber dem Wert vor der Zollankündigung.
Wesentlich anders sieht es für Kühne+Nagel und Nestlé aus. Diese zwei Aktien notieren zwischen 14 und 17 Prozent unter dem Preis, den man am Tag vor dem Zollschock für sie bezahlt hatte.
Aktie | Stand 1. April (CHF) | Stand 21. Juli (CHF) | Veränderung (%) |
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Nestlé | 90,16 | 77,01 | minus 14,6 |
Kühne+Nagel | 203,10 | 170,25 | minus 16,2 |
SMI-Aktien mit den grössten Verlusten seit Anfang April.
«Wir können Komplexität. Wenn alles normal laufen würde, dann brauchten Sie uns nicht», antwortete Stefan Paul, CEO von Kühne+Nagel, im Mai auf die Frage, was Handelskonflikte für die Logistikbrache bedeuten. Man konnte davon ausgehen, dass internationale Handelsschranken den Gütertransport komplizierter machen und Leistungen von Spezialisten wie Kühne+Nagel deshalb vermehrt gefragt sind. Das waren positive Vorzeichen, auch für Aktien des Logisitkunternehmens aus Schindellegi.
Nach Einschätzung der UBS werden die Vorteile der erhöhten Komplexität aber durch den Gegenwind im Welthandel mehr als aufgewogen, wie es in einer Studie von Mitte Juli heisst.
Beispielhaft zeigt sich solcher Gegenwind in den im Quartalsverlauf weniger gewordenen Vorzieheffekten. Sie nahmen ab, da Zölle bisweilen vertagt wurden und die Lager gefüllt worden waren. Damit kamen das Volumenwachstum und die Frachtraten wiederum unter Druck.
Der zuständige UBS-Analyst hat die Schätzungen für den Gewinn je Aktie von Kühne+Nagel der Jahre 2025 bis 2027 gesenkt und das Zwölf-Monats-Kursziel auf 182 von 186 Franken gesenkt. Das Rating lautet weiterhin «Neutral».
Damit liegt er leicht unter dem Konsens, der die Aktie bei 188 Franken sieht und überwiegend mit «Hold» einstuft. Die Aktie notiert aktuell bei 168 Franken und hat gemessen am Expertenkonsens noch rund 12 Prozent Aufwärtspotenzial. Selbst wenn sie dieses ausschöpfen sollte, bliebe sie unter dem Stand von 203,10 Franken, auf dem sie vor der Zollankündigung angelangt war.
Schwergewichte Nestlé, Novartis und Roche drücken den Markt
Nestlé hat zwischen dem von US-Präsident Donald Trump ausgerufenen «Liberation Day» und dem darauf folgenden Tief 7,7 Prozent verloren - und kam damit vergleichsweise glimpflich davon. Zudem hatte sich die Aktie teilweise erholt, bis Ende Mai eine ausgeprägtere Talfahrt einsetzte.
Sie gleicht jener, die der Branchennachbar Danone durchgemacht hat und kennt verschiedene Gründe. So werden Investoren, die zuletzt wieder mehr Risiko genommen haben, die defensiven Titel der Lebensmittelkonzerne öfter gemieden haben. Weiter haben ein enttäuschender Ausblick von Nestlé-Partner General Mills sowie eine Gewinnwarnung des chinesischen Molkereiproduzenten Feihe auf die Stimmung geschlagen. Zudem gab es Negativnachrichten zur Wassersparte von Nestlé: In der Zentrale in Issy-les-Moulineaux bei Paris fand eine Hausdurchsuchung statt.
Aus Sicht der Experten hat Nestlé mittelfristig aber durchaus Luft nach oben. Der Preiszielkonsens - 89 Franken je Aktie - liegt rund 15 Prozent über dem aktuellen Stand. Damit würden die Aktien des Lebensmittelmultis bis knapp unter die Notierung von vor der Zolleskalation klettern. Ein Anknüpfen an die besten Zeiten, in denen die Valoren knapp 130 Franken wert waren, scheint vorerst kaum realistisch. Denn das Unternehmen verfolgt unter CEO Laurent Freixe einen im vergangenen Herbst vorgestellten Wachstumsplan, der eher auf Jahre als auf Monate ausgelegt ist. Ankündigt ist etwa, dass bis Ende 2027 Kosten in Höhe von 2,5 Milliarden Franken zusätzlich gespart werden sollen. Die so freigespielten Mittel sollen für Investitionen in Werbung und Marketing fliessen.
Dabei sind die Wirren im internationalen Handelskonflikt nur ein Teil der Erklärung. Gerade an Novartis zeigt sich, wie hoch die Erwartungen sind und wie leicht sie enttäuscht werden können. Das Pharmaunternehmen hat ein solides zweites Quartal abgeliefert. Der Nettoumsatz, das operative Kernergebnis und der Kernreingewinn stiegen im Vergleich zum zweiten Quartal 2024 und übertrafen die Erwartung der von der Nachrichtenagentur AWP befragten Analysten. Zudem hat das Management den Ausblick für das operative Kernergebnis des Jahres 2025 angehoben.
Doch die Anleger hatten offenbar mehr erwartet, ausserdem werteten sie den Rücktritt des langjährigen Finanzchefs Harry Kirsch negativ. Die Aktie fiel allein am vergangenen Donnerstag, dem Berichtstag, um 1,8 Prozent.
Im Weiteren: Roche und Novartis haben die Dollarschwäche schon zu spüren bekommen. Aufgrund des «stark negativen Währungseffekts» hat der zuständige Analyst der Bank Vontobel, Stefan Schneider, Anfang Juli das Kursziel für Roche von 320 auf 303 Franken und das Preisziel für Novartis von 118 auf 112 Franken gesenkt. Während er die Angabe zu Novartis Anfang Woche bestätigt hat, senkte der Vontobel-Experte den Zielwert für Roche um weitere 4 Franken auf 299 Franken. Letzteres allerdings nicht aufgrund von Währungseffekten, sondern nach Produktnews.
Den Experten zufolge sind beide Valoren mehr wert als die aktuellen Notierungen - dem Roche-Genussschein trauen sie 304 Franken zu, der Aktie von Novartis 101 Franken. Nur je eine Minderheit stuft die SMI-Titel mit «Sell» ein. Orientiert man sich daran, kann man die beiden Pharmakonzerne aus Basel im Depot behalten.
Zurich Insurance: Schwache Performance, hohe Dividendenrendite
Unter den Finanzwerten kommt namentlich Zurich Insurance nicht mehr in die Gänge. Die Aktie stieg bis Ende März auf über 620 Franken - ein Langzeithoch. Unmittelbar nach der Zollankündigung ging es im Tempo des Gesamtmarktes - um rund 14 Prozent - talwärts. Gegenwärtig ist der Titel weniger als 560 Franken wert, der Verlust gegenüber dem Stand vor der US-Zollankündigung beträgt mehr als 10 Prozent.
Dabei ist insbesondere ist Performance seit Anfang Juni schwach. Eingeschenkt haben nicht zuletzt zwei Herabstufungen, eine auf «Sell» von «Neutral» durch Goldman Sachs, eine auf «Equal Weight» von «Overweight» durch Barclays. Diese Rückstufung erfolgte wegen des, nach Ansicht der Barclays-Analystin, begrenzten Kurspotenzials sowie aufgrund des schwachen Dollars und der regulatorischen Unsicherheiten, wie es hiess.
Auch wenn die Zurich-Aktie, wie das Gros der Experten sagt, kaum Aufwärtspotenzial hat, so spricht zumindest die 5-prozentige Dividendenrendite für sie. Dies speziell, da bei tiefen und womöglich weiter fallenden Zinsen, Alternativen zu zinstragenden Anlagen gesucht bleiben dürften.
Die nächsten Tage und Wochen werden den Anlegern weiteren Aufschluss geben über die Zollpolitik der Vereinigten Staaten und über die Geschicke der SMI-Unternehmen. US-Handelsminister Howard Lutnick hat den 1. August als feste Frist bezeichnet, ab der neue Zölle in Kraft treten würden. Ob Donald Trump dies ebenso sieht und an diesem Datum festhält? Und schon am Donnerstag werden Nestlé und Roche ihre Halbjahresergebnisse vorlegen.