Die Aktien des Solarmodulherstellers Meyer Burger befinden sich seit Anfang Juli in einer nicht enden wollenden Talfahrt - von gut 0,6 Franken auf 0,23 Franken heute - oder wieder auf das Niveau vom November 2020. Der Kursverlust summiert sich seit Jahresbeginn auf 57 Prozent. Wer den Titel Anfang März bei 70 Rappen gekauft hat, ist gar mit einem Kursminus von 66 Prozent konfrontiert.

Nüchtern betrachtet: Der Aktienkurs reflektiert die Erwartungen der Investoren an die Geschäftsentwicklung eines Unternehmens in der Zukunft. Mit der Gewinnwarnung Mitte Juli ist bei Meyer Burger denn auch die seit Anfang Jahr positive Haltung der Investorengemeinde vom zwischenzeitlich positiven in den negativen Bereich gekippt. 

Ferner teilte das Thuner Unternehmen damals mit, dass keine Prognose zum operativen Gewinn für das Gesamtjahr mehr abgegeben werde. Dies erschwert den Analysten die konkretere Einschätzung, weshalb dies als negatives Vorzeichen gewertet wird. 

Meyer Burger konnte dann Mitte August mit den Halbjahreszahlen erfreulicherweise mit einer Produktion von über 300 Megawatt an Solarmodulen einen Umsatzanstieg auf 97 Millionen Franken vermelden. Geprägt war erste Halbjahr aber von einer herausfordernden Marktsituation, Abschreibungen und Kosten für den Hochlauf der Produktion in Deutschland und den Ausbau der Anlage in den USA.

Dies machte sich in der Endabrechnung bemerkbar: Unter dem Strich steht für das Halbjahr 2023 ein Verlust von 64,8 Millionen Franken - deutlich mehr als im Vorjahressemester, als der Fehlbetrag 41,0 Millionen betragen hatte. Seit mehr als zehn Jahren dominiert die Farbe Rot die Bilanz.

Kommen dann zusätzlich Emotionen und Gewinnerwartungen von Seiten der Investoren ins Spiel, dann kann sich dies sehr schnell in der Fallhöhe widerspiegeln. Ein sehr optimales Szenario wurde beim Thuner Solarpanel-Hersteller eingepreist, das Unternehmen als Retter der europäischen Solarindustrie beschrieben. Bei dieser Rechnung wurde die Unberechenbarkeit des politischen Faktors und die globalen, strukturellen Herausforderungen im Bereich der alternativen Energien ausgeblendet. 

Preisdumping der chinesischen Hersteller

«CEO Gunter Erfurt möchte die Einführung eines Resilienzbonuses. Obwohl die deutschen Ministerpräsidenten der Bundesländer den Schutz der einheimischen Solarindustrie verlangen, muss es bei der Revision des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Deutschen Bundestag integriert werden», sagt Daniel König, Analyst bei Mirabaud, gegenüber cash.ch. Er macht damit den fehlenden Schutz gegenüber der chinesischen Konkurrenz für den Kurssturz bei Meyer Burger verantwortlich.

Damit spricht König ein Hauptproblem von Meyer Burger an: Dass das Solarunternehmen und andere europäische Anbieter aufgrund der fehlenden Unterstützung aus der Politik kaum Chancen gegenüber der Billigkonkurrenz aus China haben. Dies, auch wenn die von Meyer Burger entwickelte Heterojunction-Solarzelle auf einer konkurrenzfähigen Technologie basiert, mit der die Thuner der chinesischen Konkurrenz mit Premium-Qualität die Stirn bieten können. Umso wichtiger wäre es, dass das Unternehmen mit einem Verbraucher wie RWE oder E.ON einen wichtigen Partner in Europa finden könnte.

Auch für Eugen Perger vom Analysehaus Research Partners in Zürich ist der Absturz bei Meyer Burger solarmarktspezifisch: «Die chinesische Konkurrenz war schon immer eine sehr grosse Bedrohung, dies hat sich aber jetzt akzentuiert. Europa kann die chinesischen Hersteller nicht so stark weghalten, wie man sich dies erhofft hat.» Die chinesischen Hersteller hätten wegen des hohen Mechanisierungsgrad keinen grossen Kostenvorteil, der Vorteil erfolgt allein durch Preisdumping.

Unsicherheit dominiert

Schon vor dem Einbruch der Modulpreise musste Meyer Burger die Guidance schon mehr als einmal korrigieren. Der Ramp-Up während der Corona-Zeit war nicht einfach. Aufgrund des Dumpings der chinesischen Konkurrenz sind die Preise der Module Mitte Jahr in den Keller gegangen. «Eine Gewinnprognose war schon in der Vergangenheit schwierig. Wegen der hohen Lager ist jetzt der Preisvektor und der Mengenvektor in der Prognose mit sehr hoher Unsicherheit behaftet», warnt Koenig.

Nach Angaben des Energieexperten Andreas Fischer vom Institut der deutschen Wirtschaft sind die Grosshandelspreise für Solarmodule seit Ende 2022 um bis zu 40 Prozent gesunken. Wichtige Ursachen dafür sieht er im Ausbau der Produktionskapazitäten in China in den vergangenen Jahren sowie im technischen Fortschritt, der eine effektivere Produktion ermögliche. Auch in den USA gibt es Anzeichen, dass mit der Verhärtung der politischen Fronten die Subventionierung geringer ausfällt. Die chinesischen Hersteller können den amerikanischen Protektionismus umgehen, indem sie in einem mit den USA befreundeten Land produzieren.

Es ist bezüglich der chinesischen Konkurrenz daher komplizierter als man es im Frühling noch gedacht hat. Dies ist wohl auch ein Hauptgrund, warum Meyer Burger weiterhin auf eine Gewinnprognose verzichtet. «Man weiss wohl nicht, was auf das Unternehmen zukommt. Was für ein Unternehmen von dieser Marktkapitalisierung ungewöhnlich ist», so Perger. Dem Vertrauen hat dies deutlich geschadet.

Dieses fehlende Vertrauen widerspiegelt sich aber noch nicht bei den von Bloomberg befragten Analysten. Acht von zwölf empfehlen den Titel zum Kauf und das durchschnittliche Kursziel liegt mit 73 Rappen 204 Prozent über dem aktuellen Niveau. Insbesondere Analysten aus den USA haben sich in der Vergangenheit als die grössten Bullen hervorgetan.

Die Rendite der Wandelanleihe indiziert das Risiko

Doch wie bedrohlich ist die chinesische Konkurrenz für Meyer Burger? «Sehr bedrohlich. Die Rendite der Wandelanleihe ist hoch und indiziert das Risiko”, so König. Der Meyer Burger Convertible in Euro mit Laufzeit bis 17. Mai 2029 rentiert über 10 Prozent. Die deutsche Benchmarkanleihe hat eine Rendite von 2,83 Prozent und sogar Italien ist nur bei 4,78 Prozent. Und selbst Bullen wie der Jefferies-Analyst Constantin Hesse - Kursziel von 75 Rappen - anerkannten zuletzt das intensivere Wettbewerbsumfeld und den negativen Einfluss durch die niedrigeren Verkaufspreise.

Trotz dem Kurssturz überwiegen derzeit bei Meyer Burger die Risiken die Chancen. «Es könnte gut noch weiter runtergehen, da die Wettbewerbsbedingungen sehr ungünstig sind. Dabei rechne ich immer noch damit, dass die ganze Produktion gut verkauft werden kann», sagt Perger. Wenn ein Teil der Produktion bei den Grosshändlern rumliegen würde, hätte dies sicherlich weitere negative Konsequenzen.

Anleger bei Meyer Burger müssen darauf hoffen, dass Deutschland einen sinnvollen Resilienzbonus mit Schutz europäischer Lieferketten einführt. Die Debatte im Deutschen Bundestag hat gut angefangen. Zur Erinnerung: Die EU will zu 40 Prozent eine eigene Solarindustrie haben. «Wenn nichts passiert, weder auf deutscher Ebene noch auf europäischer Ebene, dann hat die europäische Solarindustrie keine Zukunft», warnt König.

Viele Marktbeobachter haben Anfang Jahr noch erwartet, dass der Solarmodulbauer bereits im Geschäftsjahr 2023 einen Gewinn erzielen wird. Dies wird nicht geschehen. Die grosse Frage ist daher: Wann? «Ich nehme an 2025. Es kann gut sein, dass zu Beginn desselben Jahres eine Kapitalerhöhung notwendig sein wird. Man kann es nicht ausschliessen», prognostiziert Perger.

Die Hoffnungen vieler Investoren scheinen sich teilweise in Luft aufzulösen und Verleiderverkäufe von Aktionäre mit wenig Geduld sind mittlerweile an der Tagesordnung. Dass die Energiewende und der Ausbau von Solarenergie weitergehen wird, scheint in der Endabrechnung nebensächlich zu werden. Denn die Preise für Solarmodule sind kontinuierlich zurückgekommen und werden wohl weiter fallen. Hinzu kommt eine übermächtige Konkurrenz aus China. Schon die deutschen Pionierunternehmen im Solarbereich sind allesamt verschwunden.

ManuelBoeck
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