Der drittgrösste Ölimporteur der Welt ist seit dem Überfall auf die Ukraine 2022 zum grössten Abnehmer von russischem Öl aufgestiegen. Indien kauft bis zu zwei Millionen Barrel pro Tag, was zwei Prozent des weltweiten Angebots entspricht. Das Indien-Geschäft ist für den Kreml so wichtig, dass Vergeltungsmassnahmen folgen könnten - etwa die Schliessung der CPC-Pipeline aus Kasachstan, an der die US-Ölkonzerne Chevron und Exxon beteiligt sind.

«Russland ist nicht ohne Einflussmöglichkeiten», warnen deshalb die Analysten der US-Bank JP Morgan. Trump hat Ländern, die russisches Öl kaufen, mit Zöllen von bis zu 100 Prozent gedroht für den Fall, dass Moskau nicht bis spätestens 9. August ein Friedensabkommen mit der Ukraine schliesst.

Am gestrigen Montag legte Trump nach und drohte Indien mit einer «erheblichen» Erhöhung der US-Importzölle. Trump kritisierte dabei das Vorgehen, russisches Rohöl zu importieren und anschliessend auf dem Weltmarkt weiterzuverkaufen. In einem Post auf seiner Plattform Truth Social warf er Indien vor, von Russlands Krieg in der Ukraine zu profitieren. Ein Zoll von 25 Prozent auf alle US-Warenimporte aus Indien tritt bereits am Freitag in Kraft.

Massive Neuordnung

Indien begann erst seit 2022, grosse Mengen Öl von Russland zu kaufen, dem zweitgrössten Ölexporteur der Welt. Das Land wurde zum wichtigsten Abnehmer, nachdem der frühere Hauptkunde Europa wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ein Einfuhrverbot verhängte. Der russische Ölriese Rosneft ist zudem massgeblich an einer der grössten Ölraffinerien Indiens beteiligt. Nach Angaben der indischen Regierung ist das Land im Haushaltsjahr 2024/25 zu 35 Prozent von russischen Öleinfuhren im Wert von 50,2 Milliarden Dollar abhängig.

«Ein Stopp dieser Lieferungen würde eine massive Neuordnung der Handelsströme erfordern», sagt Analyst Aldo Spanjer von der Bank BNP Paribas. Indien kauft Daten des Londoner Börsenbetreibers LSEG zufolge alle Sorten und Qualitäten russischen Öls. Der indische Ölminister Hardeep Singh Puri sagte, sein Land könne zwar auf alternative Lieferanten umstellen. Dazu müssten jedoch die Importe von Rohöl aus den USA und dem Nahen Osten erhöht werden, sonst werde die Raffinerieproduktion sinken.

Dies würde zu einem Anstieg der Dieselpreise führen, insbesondere in Europa, das Kraftstoff aus Indien importiert. «Indische Raffinerien werden dennoch Schwierigkeiten haben, die Qualität des russischen Rohöls zu ersetzen, sodass sie am Ende möglicherweise die Produktion drosseln», sagt Analyst Neil Crosby von der Beratungsfirma Sparta Commodities.

Sinkende Einnahmen

Russland hat es geschafft, trotz internationaler Sanktionen seit 2022 weiter Öl zu verkaufen - wenn auch mit Abschlägen auf die Weltmarktpreise. Die fallenden Preise dämpfen die russischen Geschäfte erheblich: Die Öl- und Gaseinnahmen fielen im Juni um 33,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat und damit auf den niedrigsten Stand seit Januar 2023, wie Daten des Finanzministeriums zeigen. Im Juli werden die Einnahmen aufgrund gesunkener Ölpreise und eines starken Rubels Berechnungen von Reuters zufolge sogar um 37 Prozent zurückgehen.

Russische Firmen müssten Öl auf Tankern lagern, wenn Indien seine Käufe einstellt. Das wiederum würde zusätzliche Transportkosten verursachen und sie zwingen, neuen Käufern hohe Rabatte anzubieten, sagen Händler. Ein Exportverlust von zwei Millionen Barrel pro Tag könnte Russland zudem allmählich dazu veranlassen, die Ölförderung von derzeit neun Millionen Barrel pro Tag zu reduzieren. Die derzeitige Produktion Russlands wird durch die Quoten des Ölkartells OPEC+ reguliert.

Wie könnte Russland reagieren?

Russland könnte JP Morgan zufolge etwa 0,8 Millionen Barrel Öl pro Tag nach Ägypten, Malaysia, Pakistan, Peru, Brunei, Südafrika und Indonesien umleiten. Moskau könnte jedoch auch die CPC-Pipeline unterbrechen, um sicherzustellen, dass der Westen höhere Ölpreise zu spüren bekommt. Westliche Ölkonzerne wie Exxon, Chevron, Shell, ENI und TotalEnergies transportieren bis zu einer Million Barrel pro Tag über die CPC-Pipeline, die eine Gesamtkapazität von 1,7 Millionen Barrel pro Tag hat.

«Sollte es zu sichtbaren und erheblichen Schwierigkeiten bei der Abnahme von russischem Rohöl kommen und Putin die CPC-Pipeline stilllegen, könnte der Ölpreis deutlich über 80 Dollar pro Barrel steigen, möglicherweise sogar noch viel höher», sagt Analyst Crosby. Die CPC-Pipeline durchquert russisches Territorium. Das Konsortium lieferte sich bereits 2022 und 2025 Auseinandersetzungen mit Moskau, das den Betrieb unter Berufung auf Umwelt- und Tankervorschriften für mehrere Tage aussetzen liess. Ein kombinierter Stopp der CPC-Pipeline und der russischen Lieferungen nach Indien würde eine Unterbrechung von 3,5 Millionen Barrel pro Tag oder 3,5 Prozent des weltweiten Angebots bedeuten. «Die Trump-Regierung wird, wie schon ihre Vorgänger, wahrscheinlich feststellen, dass es kaum möglich ist, den zweitgrössten Ölexporteur der Welt zu sanktionieren, ohne die Ölpreise in die Höhe zu treiben», heisst es bei JP Morgan.

(Reuters/cash)