Die Chefs der grössten US-Banken haben sich in dieser Woche ungewöhnlich offen zur wachsenden Bedeutung von Stablecoins geäussert und deren zunehmende Relevanz im Zahlungsverkehr anerkannt. Die Token, die lange als Randphänomen galten, rücken damit ins Zentrum der strategischen Diskussionen der Branche.
Jamie Dimon (JPMorgan), Brian Moynihan (Bank of America) und Jane Fraser (Citigroup) bezeichneten in ihren Ergebnispräsentationen Stablecoins als potenzielle Bedrohung für die Dominanz der Banken im Zahlungsverkehr — und deuteten an, mit eigenen Initiativen darauf reagieren zu wollen.
Im Gegensatz zu volatilen Kryptowährungen sollen Stablecoins ihren Wert stabil halten und ermöglichen rund um die Uhr sofortige Transaktionen. Diese Eigenschaften machen sie zunehmend attraktiv für Unternehmen und Plattformen, die bisher auf Banken als Abwicklungsinfrastruktur angewiesen waren.
Banken bereiten sich nun darauf vor, ihre Rolle im Zahlungsverkehr zu verteidigen – etwa durch die Einführung von Einlagentoken oder die Entwicklung eigener, von Banken ausgegebener Stablecoins.
«Sie versuchen, in Zahlungssysteme und Prämienprogramme einzusteigen», sagte Dimon mit Blick auf Fintechs, die in angestammte Bankbereiche vordringen. «Wir müssen uns dessen bewusst sein.»
Die Kommentare fielen mitten in der sogenannten Crypto Week in Washington, in der mehrere Gesetzesvorhaben rund um digitale Vermögenswerte debattiert werden. Eine republikanische Blockade wurde am Mittwoch aufgehoben und ebnete den Weg für eine Abstimmung über einen von Präsident Donald Trump unterstützten Stablecoin-Entwurf im Repräsentantenhaus.
Stablecoins sind in der Regel eins zu eins an den Dollar gekoppelt und mit liquiden Vermögenswerten unterlegt. Derzeit sind laut CoinGecko rund 265 Milliarden Dollar im Umlauf. Citigroup rechnet damit, dass der Markt bis 2030 auf bis zu 3,7 Billionen Dollar anwachsen könnte.
Bank of America-Chef Moynihan sagte, die Branche müsse handeln — entweder durch eigene Produkte oder Partnerschaften mit aufstrebenden Zahlungsdienstleistern. Andernfalls drohe der Verlust von Kunden, die zu Alternativangeboten wechseln könnten.
«Wir können Geld effizient transferieren und müssen uns der Angriffe auf das Zahlungssystem bewusst sein. Wir werden es verteidigen», sagte Moynihan. Zugleich schränkte er ein: «Wir sehen keine Kunden, die an unsere Tür klopfen und sagen: Bitte geben Sie mir das sofort.»
Citigroup und JPMorgan treiben unterdessen ihre Blockchain-Projekte aktiv voran. Beide arbeiten an Einlagentoken, die innerhalb bestehender Regulierungsrahmen ähnliche Funktionen wie Stablecoins übernehmen. Citi-CEO Fraser erklärte, man prüfe aktiv das Reserve-Management für Stablecoins, Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten zwischen Bargeld und Token, die Verwahrung von Krypto-Assets und sogar die Ausgabe eines eigenen Stablecoins. Dimon von JPMorgan sagte ebenfalls, dass die Bank sich sowohl mit Einlagentoken als auch mit Stablecoins befassen werde.
«Digitale Vermögenswerte sind die nächste Evolutionsstufe in der umfassenden Digitalisierung von Zahlungen, Finanzierungen und Liquidität», sagte Fraser bei der Bekanntgabe der Geschäftszahlen der Bank. «Was unsere Kunden wollen, sind Multi-Asset-, Multi-Bank-, grenzüberschreitende und stets verfügbare Lösungen, die auf sichere und solide Weise bereitgestellt werden und ihnen möglichst viele komplexe Probleme abnehmen.»
Stablecoin-Anbieter entwickeln unterdessen eigene Lösungen, die klassischen Bankprodukten ähneln. So kooperiert Circle mit Plattformen wie Coinbase, um Nutzern eine Rendite von 4,1% auf ihre USDC-Guthaben zu bieten. Zusätzlich plant das Unternehmen ein Netzwerk für grenzüberschreitende Zahlungen mit Stablecoins für Geschäftskunden.
Die Bankenbranche hat bereits Erfahrung mit der Abwehr neuer Wettbewerber. Als PayPals Venmo 2013 an Bedeutung gewann, gründeten grosse US-Banken den konkurrierenden Peer-to-Peer-Dienst Zelle über die Plattform Early Warning Services. Im Jahr 2024 wurden über Zelle Transaktionen im Volumen von mehr als einer Billion Dollar abgewickelt.
PNC-Chef William Demchak rechnet damit, dass Banken ähnlich reagieren und einen gemeinschaftlich entwickelten Stablecoin vorantreiben werden. Das sagte er diese Woche bei der Bekanntgabe der Unternehmensergebnisse.
(Bloomberg)