Die Mehrheit der Prognostiker erwartet einen ersten Zinsschritt der amerikanischen Zentralbank noch in diesem Jahr, womöglich bereits im September. Es wäre die erste Zinserhöhung seit fast zehn Jahren (siehe Chart). Viel wichtiger als der Zeitpunkt der Zinswende ist allerdings die Abfolge weiterer Erhöhungen.

Unlängst hat die Aussicht auf eine Aktion der Fed allerdings einen Dämpfer erlitten. Die amerikanischen Arbeitskosten, die der Fed wichtig sind, kamen im zweiten Quartal unter Druck. Der entsprechende Index ist nur um 0,2 Prozent zum Vorquartal geklettert, Ökonomen hatten mit einem Anstieg um 0,6 Prozent gerechnet. Das ist der schwächste Anstieg seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1982.

Auch wenn Zinsprognosen zum schwierigsten gehören, was es in der Welt der Anlagen gibt, sollten sich Anleger dennoch bereits jetzt mit einer möglichen Erhöhung der Leitzinsen in der grössten Volkswirtschaft der Welt beschäftigen. Denn wenn die "interest rates" zu steigen beginnen, richten sich die Finanzmärkte neu aus. Folgendes ist von den wichtigsten Anlageklassen bei einer Zinswende zu erwarten:

Aktien: Vorbei mit der Alternativlosigkeit

In Zeiten tiefer Zinsen sind Aktien eines der wenigen Investments mit möglicher Outperformance. So konnten in den letzten Jahren an den Aktienmärkten auch ansehnliche Renditen eingefahren werden. Weltweit befinden sich die Aktienmärkte seit sechs Jahren in einer Aufwärtsbewegung, während die Zinsen bei null verharren. Folgt nun auf diese Zeit der Entkoppelung wieder eine der Ankoppelung?

Ein grosser Teil der jüngsten Aktienhausse hatte ihren Ursprung in der Alternativlosigkeit von Aktien. Die Renditen auf Staatsobligationen von Industrieländern sind in den Keller gesunken. Ändert sich das, wird automatisch weniger Geld in Aktien investiert. Zudem sind gewisse Märkte schon so stark angestiegen, dass die Luft dünn geworden ist. Investoren verschieben deshalb ihren Fokus zusehends. Nicht mehr die USA gelten als Aktien-Eldorado, sondern Europa und Japan. Während in der Euro-Zone die günstige Währung die Börsen steigen lässt, profitieren japanische Aktien von tieferen Unternehmenssteuern und dem billigen Geld der Notenbank.

Im Hinblick auf Sektoren könnten Finanzaktien zu den grossen Nutzniessern der Zinswende werden. Wenn der Unterschied zwischen langfristigen und kurzfristigen Zinsen wieder grösser wird, gewinnt das klassische Bankengeschäft – die Kreditvergabe – an Fahrt. Auch Versicherungen im Leben-Bereich dürften bei einem verbesserten Zinsengeschäft mit anziehenden Erträgen rechnen.

Eine Zinserhöhung geht in der Regel mit einer verbesserten Konsumentenstimmung einher, was wiederum einen positiven Effekt auf zyklische Aktien hat. In der Schweiz sind das beispielsweise Adecco, Swatch oder Richemont. Im letzten Monat gehörten diese Aktien bereits zu den erfolgreichsten im Swiss Market Index (SMI). Vorboten der Zinswende?

Obligationen: Weiterhin hohe Volatilität

Festverzinsliche Investments gelten vielen Anlegern als Risiko-Dämpfer im Portfolio: Sie werfen eine konstante Rendite ab und haben den Ruf, einigermassen schwankungsarm zu sein. Dass es auch anders geht, zeigte sich allerdings Anfang Mai, als sich die Kurse 10-jähriger deutscher Bundesanleihen und anderer Staatsobligationen stark bewegten. Eine Unruhe, die andauern dürfte, wie Christian Jost vom Bonds-Spezialisten Helvinvest sagt.

Jost erwartet bis zur Zinswende eine weiterhin hohe Volatilität an den Obligationen-Märkten. "Die Angst vor mangelnder Liquidität ist nach wie vor präsent." Grund dafür: Der Bonds-Markt ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Viele ETF sind entstanden und Segmente wie "euro high yield" haben signifikant an Grösse dazugewonnen. "Deshalb befindet sich der Markt momentan in einer Phase der Konsolidierung", so Obli-Experte Jost.

Leitzinsen in den USA, Quellen: leitzinsen.info/FED

Nach den USA wird gemeinhin auch von der englischen Notenbank in naher Zukunft eine Zinserhöhung erwartet. Diese beiden Aktionen seien am Obligationen-Markt aber bereits eingepreist, wie Jost gegenüber cash sagt. Im Euro-Raum dauert es hingegen noch länger, bis sich die Zinsen "normalisieren" werden. Die Europäische Zentralbank kauft für 60 Milliarden Euro monatlich Staatsanleihen auf – mit der sonderbaren Folge, dass italienische oder spanische Anleihen weniger Zins abwerfen als ihre Pendants aus den Vereinigten Staaten. Das Programm soll bis September 2016 laufen.

Gerade für Schweizer Anleger wären sichere Obligationen nach wie vor eine willkommene Alternative, um Geld zu parkieren. Denn hierzulande gelten Negativzinsen auf Einlagen bei der Schweizerischen Nationalbank. Die Banken geben diesen Strafzins oftmals über hohe Kontogebühren weiter. Doch das Problem dabei: Für eine 10-jährige Schweizer Bundesobligation gibt es derzeit keinen Zins und kaum Anzeichen für eine baldige Erhöhung.

Im Hinblick auf die Zinswende sollten sich Schweizer Bonds-Anleger weiterhin breit diversifizieren. Experten raten zudem zur Absicherung von Fremdwährungsrisiken. Bei Engagements im Hochzins-Bereich muss man sich zusätzlich fragen, welche Qualität der Schuldner hat und ob er auch im Umfeld ansteigender Zinsen noch in der Lage ist, die Zinsen zu bedienen. Ähnlich gelagert ist das Problem bei Bonds-Investitionen in Schwellenländern. Vielen von ihnen haben sich in den letzten Jahren in Dollar verschuldet. Wenn sich der Dollar künftig analog zu den US-Zinsen weiter aufwertet, steigt die Schuldenlast dieser Länder.

Immobilien: Boom geht weiter

Der Immobilienmarkt in der Schweiz boomt nach wie vor. Tiefe Hypothekarzinsen, eine anhaltend hohe Zuwanderung sowie eine gut laufende Konjunktur liessen die Preise für Wohneigentum in den letzten Jahren munter in die Höhe klettern. Auch der neuste Immobilienblasen-Index der UBS gibt keine Entwarnung. Er wuchs im zweiten Quartal 2015 so stark wie seit 2012 nicht mehr. Die Nachfrage nach Wohneigentum als alternatives Investitionsobjekt dürfte aufgrund der SNB-Negativzinsen in Zukunft auf hohem Niveau verharren, schreibt die UBS in einer aktuellen Mitteilung.

Der Immobilienmarkt ist grundsätzlich sehr konjunktursensitiv und nachfragegetrieben. Für Entspannung könnte deshalb eine konjunkturelle Abkühlung sorgen, wie sie von mehreren Ökonomen erwartet wird. Solange die SNB aber ihre Negativzinsen aufrecht hält, dürften hiesige Immobilien aus reiner Alternativlosigkeit weiterhin gefragt sein.

Um diesen Unwägbarkeiten auszuweichen, bieten sich in der Regel Aktien von Immobilien-Gesellschaften an. Doch Anleger sollten wissen, dass auf dem Immobilienmarkt derzeit auch Unsicherheit lastet. In Zürich herrscht zum Beispiel ein Überangebot an Büroflächen. Auch regulatorische Diskussionen drücken die Stimmung, da eine Verschärfung der Lex Koller wieder zum Thema wird, was den Zugang zum Schweizer Immobilienmarkt für Ausländer zusätzlich erschweren würde. Nichtsdestotrotz erfreuen sich Immobilienfonds immer noch grosser Beliebtheit, wie Markus Waeber von der Zürcher Kantonalbank kürzlich gegenüber cash sagte.

Rohstoffe: Anlageklasse ohne Attraktivität

Seinen Status als Hafen in unsicheren Zeiten hat Gold schon lange eingebüsst. Es steuert auf den dritten Jahresverlust in Folge zu. Kaum jemand hält dem einst beliebten Edelmetall noch die Stange. Und dies trotz Dauerkrise in Griechenland oder Börsencrash in China. Ereignisse, die eine Investition ins "sichere" Gold eigentlich attraktiver machen müssten. In den letzten vier Wochen ist der Preis für Gold um über 6 Prozent auf 1092 Dollar pro Unze gefallen. Dies ist fast nur noch halb so viel wie das Allzeithoch von 1902 Dollar pro Unze aus dem Jahre 2011.

Einer der Hauptgründe dafür ist gemäss Gold-Experten der starke US-Dollar. Daneben gibt es weitere Ursachen wie der allgemeine Verkaufsdruck bei Rohstoffen und die Aussicht auf steigende Zinsen in den USA. Die Bank Julius Bär rechnet aufgrund der bevorstehenden Zinswende mit einem weiteren Nachfrage-Rückgang nach Gold in den USA und in Europa. Da Edelmetalle keine Zinsen abwerfen, werden sie bei steigenden Zinsen in der Regel als Investments vernachlässigt.

Es gibt aber auch bekannte Stimmen, die Gold weiterhin die Treue halten. Beispielswiese der bekannte Stratege Albert Edwards. Er hält zwar eine Fortsetzung der Talfahrt auf 900 Dollar je Unze kurzfristig für möglich. Danach aber rechnet er mit einem Anstieg nach dem Vorbild der Jahre 1976 bis 1980 als der Goldpreis von 100 auf über 920 Dollar schoss.

Aber nicht nur Gold, Rohstoffe im Allgemeinen, haben sich stark verbilligt. Der Bloomberg-Commodity-Index, welcher die Entwicklung 22 verschiedener Rohstoffe abbildet, büsste im laufenden Jahr bereits 13 Prozent an Wert ein. Allein im Juli ging der Index 11 Prozent zurück und befindet sich nun auf dem tiefsten Stand seit Juni 2002.

Kaum ein Marktbeobachter traut den Rohstoffen in diesem Jahr noch eine Erholung zu – unabhängig von der Zinswende. "Rohstoffe sind derzeit keine attraktive Anlageklasse", schrieb beispielsweise die Bank Julius Bär in einem unlängst erschienenen Kommentar. Die Preise für Industrie- und Agrarrohstoffe gelten beispielsweise als unabhängig vom Zinsniveau. Sie werden primär von der Angebots- und Nachfragesituation beeinflusst.