Denn beide Länder haben seit Wochen die Emotionen im Konflikt über Ansprüche auf Gas- und Ölvorkommen unter dem östlichen Mittelmeer hochgeschaukelt. "Jetzt ergibt eine Aktion die nächste, sowohl Griechenland als auch Türkei haben begrenzte Seemanöver angekündigt", sagt Gunther Seufert, Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), zu Reuters. Gerade wegen dieser Eskalations-Gefahr versuchte Maas am Dienstag in Athen und Ankara zu vermitteln.

Ungelöster Konflikt

Der Konflikt ist deshalb so kompliziert, weil sich im östlichen Mittelmeer wirtschaftliche, politische sowie strategische Interessen überlappen - und ungelöste Altlasten wie der Konflikt um die seit 1974 nach der türkischen Invasion geteilte Insel Zypern dazukommen. Seit Jahren beflügeln zudem Gas- und Ölfunde unter dem Meer die Fantasien von grossem Reichtum gerade in finanziell angeschlagenen Staaten wie der Türkei, Zypern oder Griechenland, die zudem abhängig von externen Energielieferungen sind.

Kooperation wird enger

"Der Konflikt schwelt seit 2018, vorher hatte die Türkei die Entwicklung im östlichen Mittelmeer verschlafen", sagt SWP-Experte Seufert. Die türkische Regierung habe lange nicht darauf reagiert, dass Griechenland, Zypern und Israel in Gasangelegenheiten längst eng zusammenarbeiten. "Je mehr Ankara den Konflikt aber militarisiert, desto enger wird die Kooperation der anderen Anrainer, auch mit Ägypten." Griechenlands Aussenminister Nikos Dendias wirft der Türkei eine "neo-osmanische Ideologie" vor, die letztlich auf Dominanz im Mittelmeer ziele.

Zwar versichert die EU dem EU-Partner Griechenland ihre Solidarität und fordert die Türkei unter Sanktionsandrohung auf, die Gasexplorationen in gemeinsam beanspruchten Seegebieten einzustellen. Doch auch Athen gilt bei EU-Diplomaten als nicht ganz unschuldig an der Eskalation. Zum einen hatte es seine Ansprüche auf wirtschaftliche Nutzung der Seegebiete trotz der Nähe und Überschneidung mit türkischen Ansprüchen ohne Absprachen geltend gemacht. "Der Nationalismus ist auch bei unserem EU-Partner sehr gross", sagt ein EU-Diplomat. Zum anderen antwortet Athen auf jede Provokation von Ankara seinerseits mit neuen Schritten.

Türkisch-libysches Abkommen

Die Türkei wiederum beansprucht für sich auch noch, die Interessen der türkischen Seite der geteilten Insel Zypern mit zu vertreten. Dies lehnt die EU jedoch ab. Ankara hat zudem ein umstrittenes türkisch-libysches Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Seegrenzen unterzeichnet. Als Antwort haben nun Griechenland und Ägypten ihre Ansprüche im östlichen Mittelmeer ebenfalls mit einem ähnlichen bilateralen Abkommen untermauert. Ein Blick auf die Landkarte zeigt auf den ersten Blick, dass sich hier Interessen überschneiden. Zudem liegen die Türkei und Ägypten auch bei Themen wie Libyen über Kreuz.

Jeweilige Stärken ausspielen

Eine besondere Rolle kommt bei der Konfliktvermittlung Kanzlerin Angela Merkel zu - zum einen wegen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, zum anderen, weil sie sowohl mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis als auch Türkeis Präsident Recep Tayyip Erdogan engen Kontakt hat. In dieser Krise hat sie mit beiden schon mehrfach telefoniert, um bilaterale Gespräche anzuregen. "Bild" schrieb ihr schon zu, dass sie damit einen Krieg verhindert habe. Doch EU-Diplomaten verweisen darauf, dass Berlin sich eben auch mit Frankreich abstimmen muss, das den deutschen Ansatz der Vermittlung anfangs gar nicht teilte. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron überraschte auch Merkel mit der plötzlichen Entsendung französischer Kriegsschiffe zu einem gemeinsamen Manöver mit Griechenland ins östliche Mittelmeer.

Mangelnde Solidarität

Die Franzosen hatten zuvor mangelnde Solidarität mit den EU-Partner Griechenland und Zypern kritisiert. In Berlin sah man die Entsendung von Kriegsschiffen nicht unbedingt als Deeskalations-Signal. Nun einigten sich Merkel und Macron darauf, dass man die "jeweiligen Stärken ausspielen und unsere Komplementarität nutzen" müsse, wie der französische Präsident dies ausdrückte. "Eine Lösung gibt es nur mit Dialog und dem Signal der EU, notfalls auch klare Kante zeigen zu können", meint auch SWP-Experte Seufert.

Merkel lobbyiert für türkische Anliegen

Merkel wirbt hinter den Kulissen aber eben auch darum, bei aller Kritik berechtigte türkische Anliegen mit in den Blick zu nehmen. Seufert führt dies darauf zurück, dass Deutschland mit der Türkei angesichts der hohen Zahl an Deutsch-Türken, viel intensivere Wirtschaftsbeziehungen und der Flüchtlingsfrage ganz andere Interessen hat als Frankreich. Allerdings wirkt Erdogans innen- und aussenpolitischer Kurs auch auf Unions-Abgeordnete wie ein rotes Tuch. "Die Gasbohrungen türkischer Schiffe in internationalen Gewässern fügen sich leider in die Strategie der Eskalation und Provokation der vergangenen Monate", kritisiert etwa CDU-Aussenpolitiker Jürgen Hardt.

(Reuters)