Erwerbsleben heisst: Man verbringt den grössten Teil seiner täglichen Wach-Zeit am Arbeitsplatz. Diesen zu reformieren, zu verbessern, mit neuen Formen und Regeln zu füllen, ist ein Dauerthema: Soll man überhaupt jeden Tag ins Büro? Ist es besser, weniger aber konzentrierter zu arbeiten? Soll man am Feierabend den E-Mail-Account lieber ruhen lassen? Und was zieht man in den Büroräumen nur an?

Schnell entwächst solchen Fragen ein Hype: Es wird viel darüber geschrieben, sinniert und getwittert. Experten diskutieren Vor- und Nachteile davon und irgendwie sieht dabei jede und jeder auf, denn: Solche Entwicklungen betreffen (fast) alle. cash geht der Frage nach, was aus tatsächlichen oder vermeintlichen Neuerungen der vergangenen Jahre geworden ist.

Verzicht auf dauernde Erreichbarkeit

Noch abends im Bett E-Mails zu beantworten und in den Ferien geschäftliche Telefonate zu führen ist zum Politikum geworden: Was darf man Mitarbeitern im Interesse des Unternehmens zumuten, wo beginnt für den Angestellten eine ungerechtfertige Aufopferung? Mit Blick auf "normale" Angestellte verfestigt sich in verschiedenen Ländern langsam ein System von Regeln. Ein Arbeitgeber kann von einem Mitarbeiter von Gesetzes wegen nicht verlangen, in der Freizeit zu arbeiten. Es müssen Pikett-Regelungen aufgestellt werden, die dann auch entsprechende Kompensationszeiten vorsehen.

Arbeitgeber, vor allem grosse Konzerne, nehmen dies zusehends ernst. Auch die Angst vor Klagen mag dabei mitschwingen. Regeln können sein: Verzicht auf den Versand von E-Mails an Feierabenden und Wochenenden, Erlaubnis an den Mitarbeiter, das Mobiltelefon auszuschalten, aber auch eine Vereinbarung, dass es Ausnahmen geben wird. Was sich indessen nicht ändert, ist: Hochmotivierte, ehrgeizige "Leistungsträger" akzeptieren die dauernde Erreichbarkeit als normalen Aspekt ihrer Arbeit. Wer klar den Aufstieg in hochbezahlte Leitungs- oder Spezialistenfunktionen anstrebt, ordnet das meiste im Leben dem beruflichen Werdegang unter.

Homeoffice

Arbeiten von zu Hause aus hat viele Vorteile: Das mühsame Pendeln fällt weg, Büromieten werden gespart, die Zeit mit der Familie nimmt zu. Die Entwicklung hin zu mehr Homeoffice nahm ihren Anfang in den 80er und 90er Jahren mit dem Aufkommen elektronischer Kommunikationsmittel und wurde quer durch viele Branchen gefördert. Doch die damit gemachten Erfahrungen waren vielerorts negativ. Die UBS verschärfte die Homeoffice-Regeln für ihre Angestellten vor zwei Jahren, weil diese jeweils schlecht erreichbar waren.

Auch der Internet-Konzern Yahoo pfiff seine Mitarbeitenden zurück ins Büro mit der Begründung, dass wichtige Ideen und Entscheidungen beim direkten Kontakt mit den Kollegen auf dem Flur oder in der Cafeteria entstehen. Und vor kurzem legte auch der IT-Konzern IBM den Rückwärtsgang ein und orderte hunderte von Homeoffice-Leute zurück ins Büro. Nur unter Angestellten entstehe Kreativität, so die Begründung. Stattdessen hat sich ein neuer Trend etabliert: Der Arbeitsplatz wird so attraktiv gemacht, dass es an nichts fehlt. So wird freiwillig noch mehr gearbeitet. 

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass flexible Arbeit künftig zunehmen wird. Dies deshalb, weil es von den Arbeitnehmern auch gewünscht wird und weil sie es vor allem in Berufen mit Mangel an qualifizierten Arbeitskräften auch durchsetzen können. Andererseits auch darum, weil der Anteil der Arbeiten, die von zu Hause erledigt werden können, wegen der Veränderung der Berufsbilder in Zukunft steigen wird.

Desk-Sharing

Ein anderes Büro-Schlüsselwort der letzten Jahre lautet Flexibilität. Täglich wechselnde Arbeitsplätze sind beispielsweise sinnvoll, wenn viele Mitarbeiter Homeoffice machen oder wenn grundsätzlich die Arbeit nicht an einem, sondern an mehreren Orten erledigt wird: Die Schreibtisch-Auslastung wird erhöht, dadurch wird Geld gespart und weniger Leute fühlen sich durch einen schlechten Platz benachteiligt. Die SBB oder die Post kennen das Desk-Sharing, im Finanzwesen ist es aber verbreiteter als in anderen Branchen. Rund 100 Millionen Franken soll die UBS pro Jahr sparen, indem sie Desk-Sharing anwendet, wie im Jahr 2013, als der Trend aufkam, zu vernehmen war. 

Wie viele Trends wurde Desk-Sharing allerdings überstrapaziert, so dass Unternehmen mittlerweile vermehrt oft darauf verzichten. Google etwa will, dass Projektgruppen stets beieinander sitzen. Um die Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden zu fördern, finden aber kaum noch Pult-Rochaden statt. Die Gefahren von Desk-Sharing sind generell bekannt: Ein fixer Arbeitsplatz verkörpert ein Stück Heimat und Privatsphäre. Nimmt man dies weg, wird die Firma für den Angestellten anonymer und die Bindung wird weniger eng.

Die 40-Stunden-Woche

Nicht nur der Arbeitsort, auch die Arbeitszeit unterliegt ständig neuen Trends. Die Tendenz der letzten Jahre geht klar in die Richtung weniger ist mehr, sprich Teilzeitarbeit. Die Überlegung: Arbeiten bis zum Umfallen trägt nichts zur Produktivität bei. Laut australischen Forschern sind Arbeitnehmer über 40 am leistungsfähigsten, wenn sie pro Woche nur 25 Stunden arbeiten.

In Japan ist übermässiges Arbeiten (mehr als 60 Stunden pro Woche) hingegen weit verbreitet. Tod durch Überarbeiten hat dort sogar einen eigenen Namen: karoshi. Als Reaktion darauf hat die Regierung jüngst den "Premium Friday" eingeführt: Am letzten Freitag des Monats sollen Angestellte schon um 15 Uhr Feierabend machen. Von japanischen Verhältnissen ist die Schweiz weit entfernt. Rund 60 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit, bei den Männern sind es knapp 20 Prozent – das ist deutlich mehr als noch vor ein paar Jahren.

Lockerer Dresscode und «Dress down Friday»

Deux-Pièces und dunkler Anzug, wie eh und je, für Bürojobs? Und darf man am Freitag legerer kommen, indem man Business Casual trägt, was allerdings nicht heisst, auf hochwertige Stoffe, Qualtätsmarken und edle Schuhe zu verzichten? Gibt es den "casual" oder "dress-down" Freitag überhaupt noch?

"Es muss stets nach Branche und Position differenziert werden", sagt Tanja Wiget, Geschäftsführerin von Accent Style Stilberatung. "Auch für Kundenmeetings steht elegante Kleidung stets im Vordergrund, auch an Casual Fridays. Seit der Finanzkrise 2008 haben funktionale Anzüge in ihrer Aussagekraft über Erfolg etwas gelitten."

Allerdings seien Dresscodes in gewissen Branchen immer noch üblich: "Man hat dies auch im Zuge von Turnschuh- und Joggpants-Trends nicht im grossen Stil abgeschwächt." In der Regel richteten sich Teams sowohl beim Kleidungsstil als bei den Fragen, an welchen Tagen der Dresscode lockerer sein kann, nach den Chefs: "Der Chef gibt das Anzugsklima vor. Mitarbeiter emanzipieren sich in der Regel nicht, weder über weibliche noch männliche Vorgesetzte", sagt Wiget. Beim beruflichen Aufstieg muss sich das Auge schärfen für Marken und Qualität der Stoffe. Zudem ist es unwahrscheinlich, dass das Management in fünf Jahren in Turnschuhen ins Büro gehen wird – "höchstens vielleicht an einem 'very casual Friday'." So oder so tue man gut daran, sich auf diesem Parkett nicht ganz unbedarft zu zeigen. "Der Kleidungsstil macht immer auch eine klare Aussage zur Person."