Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging von Juli bis September im Vergleich zum zweiten Vierteljahr um 0,1 Prozent zurück, wie das Statistikamt Eurostat am Dienstag in einer Schnellschätzung mitteilte. Der Inflationsdruck liess währenddessen spürbar nach. Die Verbraucherpreise stiegen im Oktober um 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, nach 4,3 Prozent im September.
Hier erste Reaktionen auf die neuen Daten aus dem Euroraum:
Zur Inflation:
Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank: Die Teuerungsrate geht im Oktober deutlicher als erwartet zurück. Im Vorjahresmonat kletterten die Energiepreise nach oben, so dass es jetzt zu einem entsprechend deutlichen Basiseffekt kommt. Zwar tragen die Lebensmittelpreise immer noch massgeblich zur Inflation bei, doch weniger stark, als dies noch vor einigen Monate der Fall war. Der Preisauftrieb bei Lebensmittelpreisen wird in den kommenden Monaten sukzessive nachlassen. Und auch die merklich fallenden Erzeugerpreise hinterlassen ihre positive Spuren bei den Konsumentenpreisen. Der Preisdruck bei vielen Gütern lässt merklich nach. Die Kerninflationsrate fällt von 4,5 Prozent auf 4,2 Prozent. Gerade die fallende Inflationsrate ist auch der Schlüssel für ein zukünftig wieder höheres Wachstum. Eine sich normalisierende Teuerungsentwicklung ist eine notwendige Bedingung für einen konjunkturellen Trendwechsel.
Fritz Köhler-Geib, KFW-Chefökonomin: Der rapide Rückgang der Inflationsrate spiegelt vor allem die Entspannung an den Energiemärkten seit dem vergangenen Sommer wider. Auch wenn der Verbraucherpreisanstieg jetzt sogar unter drei Prozent liegt, ist es für eine Entwarnung noch zu früh. Mit der Kerninflation, die Energie- und Lebensmittelpreise unberücksichtigt lässt, geht es nur langsamer abwärts. Um einer Verfestigung der Inflation über dem Zielwert von zwei Prozent entgegenzuwirken, ist es insbesondere wichtig, dass die Unternehmen höhere Lohnkosten nur teilweise an die Verbraucher weitergeben. Dafür braucht es eine Geldpolitik, die die Zügel noch einige Zeit stramm hält. Der Nahost-Konflikt hat darüber hinaus die Aufwärtsrisiken für die Inflation erhöht. Bisher sind die Effekte auf die Energiepreise allerdings zu gering, um den Abwärtstrend der europäischen Inflation zu gefährden.
Jörg Krämer, Chefökonom Commerzbank: Jetzt liegt die Inflation im Euroraum sogar unter drei Prozent! Das liegt vor allem daran, dass die Teuerungswellen bei Energie, Nahrungsmitteln und Industriegütern abebben. Aber die Europäische Zentralbank (EZB) sollte bedenken, dass die Löhne mittlerweile deutlich stärker steigen. Das dürfte die Inflation vor allem bei den arbeitsintensiven Dienstleistungen hochhalten. Die Inflation sollte sich im kommenden Jahr merklich oberhalb der Marke von zwei Prozent einpendeln, zumal die Inflationserwartungen der Konsumenten höher sind als vor Ausbruch von Corona. Das Inflationsproblem dürfte sich am Ende als hartnäckiger erweisen als von vielen erwartet.
Alexander Krüger, Chefökonom, Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank: Dank eines dicken Basiseffekts ist die Inflationsrate regelrecht abgeschmiert. Weiterer Abwärtsschub besteht vorerst aber nicht. Vielmehr dürfte die Inflationsrate um den Jahreswechsel wieder etwas steigen. Die EZB wird leitzinsseitig daher auf dem Sprung bleiben. Letztlich wird die Inflationsrate die Geduld der EZB aber wohl nicht überstrapazieren.
ZUM BIP:
Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank:Die Euro-Zone schrumpft. Dies dürfte der Auftakt für eine beginnende Rezession sein. Die Wachstumsunterschiede bleiben erheblich. Einige Länder können sogar ein in Anbetracht der Umstände solides Wachstum verbuchen. Dazu gehört insbesondere Spanien. Das deutsche BIP schrumpft geringfügig um 0,1 Prozent. Österreich kommt derweil kräftig unter die Räder. Das konjunkturelle Bild der Euro-Zone sieht alles andere als erbaulich aus. Während in den südeuropäischen Ländern die gutlaufende Tourismussaison dem Schwächesog etwas entgegensetzten konnte, sieht es in anderen Teilen des Währungsraums düster aus. Nach Auslaufen der Tourismussaison ist nun allerdings zu befürchten, dass im vierten Quartal die gesamte Euro-Zone schwächeln wird. Wir rechnen deshalb damit, dass die Euro-Zone auch im Schlussquartal schrumpfen wird.
Alexander Krüger, Chefökonom, Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank: Die Wirtschaft dümpelt dahin. Zahlreiche Belastungsfaktoren sprechen für ein schwaches Winterhalbjahr. Neben der schwachen Weltwirtschaft zählen hohe Energiepreise und Zinsen dazu. Ein Konjunkturabsturz zeichnet sich weiterhin nicht ab.
(Reuters)