Das haut selbst den stärksten Seebär um: 253 Grad Celsius unter Null - auf diese Temperaturen muss Wasserstoff heruntergekühlt und im Volumen verkleinert über die Meere transportiert werden. Viel kälter geht es nicht - im Weltall herrschen Temperaturen von minus 270 Grad. Doch durch den neuen Hoffnungsträger für den Klimaschutz öffnet sich für die Schiffbauer ein neuer Markt. Auf seinem Weg vom Entstehungs- zum Verbrauchsort muss der Energieträger nicht nur über Pipelines sondern auch mit Schiffen transportiert werden. Nur: Die Schifftypen, die diese Speziallast zu den besonderen Bedingungen laden können, müssen erst noch entwickelt werden. Unternehmen in Japan, Südkorea und Norwegen sind bereits am Start. In Deutschland könnte noch ein Gang zugelegt werden.

"Wenn wir die großen Pläne einer Wasserstoffwirtschaft umsetzen wollen, brauchen wir eine Logistikkette – und die ist ohne das Schiff nicht darstellbar", sagt der Geschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik, Reinhard Lüken. Einige deutsche Zulieferfirmen seien an einem Vorhaben in Japan beteiligt. Ein eigenes Projekt zum Bau eines Wasserstofftankers gebe es hierzulande noch nicht. "Das ist schade, weil die Logistikkette noch nicht hinreichend betrachtet wird." Es gebe auch keine fairen Wettbewerbsbedingungen. "Die haben wir zurzeit nicht, weil viele Asiaten viel Geld reinpumpen."

Auch die deutsche Regierung setzt auf Wasserstoff als Energieträger und legte im vergangenen Jahr die Nationale Wasserstoffstrategie vor: "Wasserstoff bekommt hier eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung und Vollendung der Energiewende. Denn er ermöglicht es, mit Hilfe erneuerbarer Energien die CO2-Emissionen vor allem in Industrie und Verkehr deutlich zu verringern." Deutschland wird den eigenen Bedarf an Wasserstoff mit Importen decken müssen - auch per Schiff.

Minus 253 Grand Celsius - da stoßen auch Schiffkonstrukteure an ihre Grenzen. Der durch diese drastische Kühlung verflüssigte Wasserdorf darf sich auf der Fahrt nicht erwärmen, denn sonst verdunstet er wieder, im Tank steigt der Druck und es drohen Risse. Dann muss Wasserstoff abgelassen werden, in der Luft verflüchtigt er sich sehr schnell. Erfahrungen gesammelt haben die Schiffbauer beim Transport von verflüssigtem Erdgas (LNG). Hier haben die Konstrukteure vor 60 Jahren Neuland betreten, aber LNG darf beim Transport 100 Grad Celsius wärmer sein.

Pilotprokekte in Japan und Südkorea

Es gibt Pilotprojekte, bei denen in den nächsten drei Jahren der Schiffstransport in Europa und Asien getestet werden soll. Beim japanischen Konzern Kawasaki Heavy Industries ist das erste Schiff dieser Art bereits vom Stapel gelaufen. Der Prototyp unternehme diverse Tests, darunter auch eine Jungfernfahrt - 9000 Kilometer von Australien nach Japan. In der nächsten Phase Mitte der 20er Jahre solle eine weitere Stufe gestartet werden, ehe der Schifftyp ab 2030 kommerziell genutzt werden solle, sagt der Vize-Chef von Kawasaki, Motohiko Nishimura. Der 1250-Kubikmeter-Tank mit vakuumisolierter Doppelwand hält die Temperatur konstant.

In Südkorea wird ein weiteres Projekt verfolgt. Der Konzern Korea Shipbuilding & Offshore Engineering arbeitet mit einem Stahlkocher zusammen, der eine besonders feste Form des Werkstoffs entwickeln soll. Das Risiko, dass der Stahl Risse bekommt, soll damit verringert werden.

In Norwegen arbeiten Firmen an einem Wasserstoff-Verladeterminal, mit dem nicht nur Schiffe, sondern auch Lastwagen und Busse beladen werden können. Die Wilhelmsen Gruppe setzt mit Partnern auf Roll-On Roll-Off Schiffe, auf die mit Wasserstoff befüllte Container oder Anhänger fahren können. Im ersten Halbjahr 2024 soll das erste Schiff an den Start gehen, berichtet Vize-Präsident Per Brinchmann. An der Westküste Norwegens würden auch bald Wasserstoff-Lager errichtet.

Andere Unternehmen wie Ballard Power Systems aus Kanada oder Global Energy Ventures aus Australien arbeiten zusammen an der Entwicklung eines Schiffs, das Wasserstoff in verdampfter Form als Gas transportieren kann. Der früheste Zeitpunkt dafür ist 2025/26, sagt Nicolas Pocard, Ballards Vizemarketing-Chef. Vorteil hierbei sei, dass keine extremen Temperaturen eingehalten werden müssen. Nachteil: Die Mengen sind geringer. In Gasform könne ein 40-Fuß-Container 800 bis 1000 Kilogramm Wasserstoff transportieren. In verflüssigter Form seien es drei Tonnen, erläutert Brinchmann.

Der Bau solcher Schiffe ist nicht nur schwierig, sondern auch teuer. Keiner der Hersteller wollte einen Preis nennen. Mehrere Schifffahrts-Experten sagten der Nachrichtenagentur Reuters, die Schiffe seien auf jeden Fall teurer als die LNG-Tanker. Hier lägen die Preise je nach Größe bei 50 bis 240 Millionen Dollar (41 bis 197 Millionen Euro). In zahlreichen Ländern laufen weitere Projekte zum Wasserstoff. In einer Studie des Hydrogen Council Association und der Unternehmensberatung McKinsey werden die Investitionen bis 2030 auf mehr als 300 Milliarden Dollar geschätzt.

(Reuters)