Etwa 60 Prozent des Swiss Market Index besteht aus Defensivwerten, wobei besonders der Gesundheitssektor im Vordergrund steht. In puncto überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums ist die Schweizer Börse daher keine offensichtliche Wahl. Im neuen Jahr hat der SMI bislang 1,6 Prozent nachgebeben. Damit hinkt er hinter den meisten anderen europäischen Benchmarks her.
"Die Schweiz ist eindeutig defensiv ausgerichtet und könnte in diesem Jahr zu kämpfen haben, wenn die Anleiherenditen wieder steigen", heisst es bei Strategen von JPMorgan unter der Leitung von Mislav Matejka. Schweizer Aktien weisen seit 2018 eine negative Korrelation von 35 Prozent zu Anleiherenditen auf. Defensive Aktien schneiden tendenziell schlechter ab als Zykliker, wenn die Anleiherenditen steigen.
Schweizer Aktien haben das Nachsehen, wenn Anleiherenditen steigen
Quelle: Bloomberg
Exemplarisch zeigt sich dies zu Beginn des Jahres an den Aktien von Nestlé, Roche und Givaudan. Allesamt Aktien, die als defensiv gelten, und seit Anfang Jahr zwischen 5 und 7 Prozent eingebüsst haben. Im selben Zeitraum sind die Renditen auf zehnjährige US-Treasury-Bonds von 1,5 auf fast 1,8 Prozent hochgeschnellt.
Laut UBS-Analyst Stefan Meyer werden Schweizer Aktien auch durch ihre hohen Bewertungen belastet. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) vom 18-fachen der für 2022 geschätzten Gewinne ist der SMI teuer und wird mit einem Aufschlag von etwa 15 Prozent gegenüber dem Stoxx 600 gehandelt, was auch dem 15-Jahres-Durchschnitt entspricht. Der relative Gewinntrend deutet auf eine weitere Underperformance hin.
Meyer zufolge gab es zwar in letzter Zeit einige wirtschaftliche Turbulenzen, aber keine grossen strukturellen Bedenken, die zu einer Flucht in den Schweizer Markt führen könnten, der normalerweise als sicherer Hafen in schwierigen Zeiten gilt.
Bewertung von Schweizer Aktien gestiegen
Quelle: Bloomberg
Der SMI leide "zum Teil unter seiner defensiven Ausrichtung und zum Teil unter seiner Bewertung", sagt Bloomberg-Intelligence-Stratege Tim Craighead. Das Land stehe auf der BI-Scorecard ganz unten, da die Werte für Wachstum, Revisionen und Bewertung zu den niedrigsten in Europa gehörten.
Im Fall eines unerwarteten Abschwungs könnte sich die defensive Ausrichtung des SMI indessen als Vorteil erweisen. Schweizer Aktien haben ein Beta von 0,75 zum MSCI World Index, das niedrigste unter den grossen Märkten.
Brauchen Schweizer Aktien zyklische Schwächephase?
Quelle: Bloomberg
"Für die Schweizer Aktien ist immer noch Wachstum zu erwarten, genau wie für die US-Technologiewerte", sagt John Plassard, stellvertretender Direktor bei Mirabaud. "Im Moment konzentrieren sich die Anleger aber eher auf Aktien, die im letzten Jahr unterdurchschnittlich abgeschnitten haben, und suchen eher nach einer Diversifizierung." Plassard empfiehlt, sich auf bestimmte Aktien mit starker Preissetzungsmacht zu konzentrieren, wie zum Beispiel auf den Baumaterialhersteller Sika.
Insgesamt werde die Schweizer Börse 2022 wohl "ein wenig" hinter ihren europäischen Pendants zurückbleiben, erwartet Plassard. "Je mehr Volatilität an den Märkten herrscht, desto mehr Unsicherheit wird es geben", gibt er zu Bedenken. "Irgendwann wird das bedeuten, dass die Anleger wieder anfangen, sich mit Schweizer Aktien zu beschäftigen."
(Bloomberg/cash)