Sind 8,3 Millionen Franken Vergütung von Galderma-CEO Flemming Ornskov zu viel? Oder sind es die 45 Millionen Franken des ehemaligen Holcim-Chefs Jan Jenisch, der nun in gleicher Funktion bei Amrize tätig ist? Fest steht: Die jährlichen Auswertungen der CEO-Gehälter der grössten börsennotierten Konzerne der Schweiz sorgen jeweils für rote Köpfe. Vor allem dort, wo Chefs sehr viel Geld einnehmen
Aber es gibt auch Verdiener, die für keine Aufregung sorgen: So etwa Lukas Brosi, CEO von Flughafen Zürich, und Marc Werner, Chef von Galenica. Sie erhielten für das Jahr 2024 1,1 beziehungsweise 1,3 Millionen Franken. Im Durchschnitt verdienten die Chefs der Unternehmen im Swiss Market Index (SMI) im letzten Jahr 8,3 Millionen Franken, wie die Anlagestiftung Ethos berechnet hat.
Sind diese Vergütungen nun zu hoch - oder zu tief? Bloss die Höhe der Vergütung kann diese Frage jedoch nicht beantworten. Schliesslich hängt der Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens eng mit den strategischen Entscheidungen des CEO zusammen. Die Verantwortung ist gross, und richtige Entscheide, die mit der Erschaffung von Arbeitsplätzen und Mehrwert für die Aktionäre einhergehen, sollten grundsätzlich belohnt werden.
Grösse und Wertschöpfung im Zentrum
Um die Anreize der Unternehmenschefs mit der Wertschöpfung gleichzustellen, besteht die Lohnkomponente des obersten Managements von börsenkotierten Unternehmen in der Regel aus drei Teilen: einer fixen Vergütung, einem Jahresbonus und dem «Long Term Incentive Plan (LTIP)» (langfristiger Anreizplan). Letzterer wird meist in Aktien oder Optionen mit einer Sperrfrist von mehreren Jahren abgegolten.
Laut Ethos sollte das Grundsalär nicht wesentlich höher als jenes der Vergleichsgruppe sein, und die variable Vergütung (Bonus und LTIP) sollte für den CEO nicht mehr als das Dreifache des Grundsalärs übersteigen. Die variable Vergütung wird vielfach an die Erzielung operativer Ergebnisse und an die Wertschöpfung gekoppelt.
Damit liefert Ethos auch gleich die Eckpunkte für die Beantwortung der Eingangsfrage. Eine «angemessene» Entlöhnung sollte abhängig von der Unternehmensgrösse und von fundamentalen Faktoren wie der Profitabilität und dem Wachstum sein.
Ein Beispiel für den Einfluss der Unternehmensgrösse: Der Technologiekonzern Apple erzielt einen jährlichen Reingewinn von 100 Milliarden Dollar. Das ist mehr als der gesamte Umsatz von Nestlé. Ob Apple-Chef Tim Cook nun 3 Millionen Dollar (sein Grundsalär) oder die effektiven 74 Millionen Dollar verdient, scheint angesichts der enormen Wertschöpfung wenig relevant. Der Nestlé-Chef, mit einem Gehalt von etwa 10 Millionen Franken pro Jahr, scheint da schon eher «überbezahlt».
Dagegen verdient der Chef von Kudelski (André Kudelski) aussergewöhnlich viel. Laut Ethos waren es im vergangenen Geschäftsjahr 4,1 Millionen Franken. Das Unternehmen verzeichnete in derselben Periode jedoch einen Gewinn von nur 11 Millionen Dollar. Der CEO-Lohn machte somit nicht weniger als 46 Prozent des Ergebnisses aus.
Doch auch besondere Leistungen im zugrundeliegenden Geschäft sollen belohnt werden. Patrick Frost war von 2014 bis 2024 Chef des Versicherungskonzerns Swiss Life. Der Jahreslohn von etwa 4 Millionen Franken scheint gerechtfertigt, zumal der Konzern in dieser Zeit einen Aktionärswert (Kursgewinne und Dividendenausschüttungen) von rund 3 Milliarden Franken erwirtschaftete.
Frost verlagerte den Fokus vom Versicherungsgeschäft zunehmend auf die Vermögensverwaltung. Die darin erzielten Kommissionserträge sind unabhängig vom Versicherungsmarkt und verzeichneten ein hohes Wachstum. Dieser strategische Schritt führte neben einem Gewinnwachstum zu einem Bewertungsanstieg der Swiss-Life-Aktien.
Die Blochers haben einen zu tiefen Lohn
Laut Ethos besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Börsenwert eines Unternehmens und der Höhe der Vergütung der CEO. In einem Regressionsmodell, basierend auf Daten der Marktkapitalisierung und den CEO-Vergütungen des vergangenen Jahres, hat die Vorsorgestiftung ein theoretisches Vergütungsniveau für jedes SPI-Unternehmen (Swiss Performance Index) berechnet. Je näher der effektive Lohn an diesem theoretischen Wert liegt, umso «angemessener» ist er.
Zu den am höchsten überbezahlten Unternehmenschefs gehören jene von Kudelski, OC Oerlikon oder Wisekey. Ihre Entlöhnung von 3,3 bis 10 Millionen Franken liegt 500 bis 600 Prozent über dem theoretischen Wert. Doch auch die CEO von Galderma, EFG International, Partners Group und AMS-Osram leben gemäss Studie über ihren Verhältnissen - zumindest was die Unternehmensgrösse anbelangt. Besonders bei Partners Group beträgt die Vergütung mit knapp 17 Millionen Franken mehr als das Dreifache des theoretischen Werts.
Unternehmen | theoretischer Wert | Effektiver Lohn |
Kudelski | 571’706 | 4’141’592 |
OC Oerlikon | 1’560’608 | 9’586’000 |
Wisekey International | 561’856 | 3’395’000 |
EFG | 2’409’036 | 9’383’849 |
Partners Group | 4’995’378 | 16’885’000 |
AMS-Osram | 1’221’067 | 4’125’162 |
Quelle: Ethos, Angaben in CHF
Zu den unterbezahlten Unternehmenschefs gehören hingegen jene von Inficon, Bachem oder Ems-Chemie. Ihre Löhne liegen rund 70 bis 80 Prozent unter diesem theoretischen Wert. Für die Chefin von Ems-Chemie, Magdalena Martullo-Blocher, ist dies nicht wirklich ein Problem. Zusammen mit ihren Schwestern Miriam und Rahel besitzt sie rund 71 Prozent des Chemiekonzerns. An Dividendeneinnahmen flossen ihnen für das Geschäftsjahr 2024 286 Millionen Franken zu.
Unternehmen | theoretischer Wert | Effektiver Lohn |
Sensirion | 1’394’365 | 595’292 |
VAT Group | 3’323’729 | 1’379’001 |
Flughafen Zuerich | 2’856’857 | 1’124’692 |
Dottikon ES | 2’180’577 | 793’000 |
Ems-Chemie | 3’731’563 | 1’285’000 |
Bachem | 2’456’070 | 778’227 |
Inficon | 4’560’419 | 1’113’000 |
Quelle: Ethos
Ein anderer Blocher verdient ebenfalls zu wenig. Als CEO von Dottikon ES ist Markus Blocher zu rund 60 Prozent unterbezahlt. Wobei Mehrheitsaktionär Blocher - im Unterschied zu Schwester Magdalena - auf Dividendeneinnahmen verzichtet. Er steckt die steigenden Gewinne bewusst in das Wachstum der Firma.
Mit dem relativ niedrigen Lohn im Vergleich zur Unternehmensgrösse unterstreichen die Blochers ihre unternehmerischen Prinzipien. Ihre Interessen und jene der Aktionäre sind mit dem Fokus auf dem fundamentalen Geschäft und nicht auf eine hohe Lohnsumme (fast) gleichgestellt. Denn der Unternehmenswert sowie die Fähigkeit, Ausschüttungen vornehmen zu können, hängt von der unternehmerischen Leistung ab. Ebenfalls unterbezahlt sind die Chefs vom Flughafen Zürich, VAT oder Sensirion.
Fundamentale Kriterien für den Erfolg
Die Börsenkapitalisierung ist nur eine Richtgrösse. Die Vergütungspläne der CEO hängen indes vielfach von operativen Zielsetzungen, wie dem Wachstum oder der Profitabilität ab. Die Erreichung dieser Ziele spielt für die Höhe des Lohnpakets eine zentrale Rolle. cash.ch hat deshalb das Modell von Ethos um die Komponenten Reingewinnmarge und Umsatzwachstum ergänzt.
Was hier auffällt: Die Genauigkeit des Modells nimmt zwar zu, aber die zusätzlichen Messgrössen spielen eine geringe Rolle. Besonders die Wachstumskomponente ist im Fachjargon «statistisch insignifikant».
Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass der Entscheid über die Lohnhöhe auf Basis der fundamentalen Ergebnisse und das effektive Auszahlungsdatum teils mehrere Jahre auseinander liegen.
Ebenfalls überrascht das negative Vorzeichen bei den Reingewinnmargen. Eigentlich bedeutet dies, dass tiefere Margen zu höheren CEO-Salären führen sollten. Dies macht jedoch keinen Sinn. Dieses Resultat ist vielmehr den unzähligen Small Caps und Wachstumsaktien geschuldet. Viele davon verfügen über tiefere Werte und verzerren die Analyse.
Werden deshalb nur die 30 wertvollsten Unternehmen in der Schweiz miteinander verglichen, spielt neben der Börsenkapitalisierung besonders das Wachstum eine entscheidende Rolle bei der CEO-Abgeltung. Die Profitabilität, gemessen an der Margenhöhe, ist etwa halb so wichtig. Auch den Plausibilitätstest besteht die Regression: Alle Faktoren haben einen positiven Einfluss auf die Lohnhöhe.
Bei Partners Group, Novartis und Richemont reduziert sich hingegen die «Überbezahlung». Die Kombination aus langfristigem Wachstum und überdurchschnittlicher Margenhöhe macht sich positiv für deren CEO-Lohn aus. Der Partners-Group-Chef verdient nun nur noch 170 Prozent zu viel, bei Novartis sind es noch 12 Prozent (zuvor 52 Prozent) und bei Richemont noch 66 Prozent (zuvor 100 Prozent).
Doch wer wird korrekt bezahlt? Geht man nach dem Ethos-Modell, sind es etwa der CEO von Stadler Rail (1,8 Millionen Franken) und jener von Swiss Re (5,4). Geht man gemäss dem zweiten Modell, das Wachstum und Profitabilität berücksichtigt, gehören unter anderem die Chefs von Helvetia (3), Sonova (4) und Lindt & Sprüngli (4,7) zu den angemessen bezahlten Chefs.
Unternehmen | theoretischer Wert | Effektiver Lohn |
Sonova | 4’018’750 | 4’083’538 |
Liechtensteinische Landesbank | 1’923’920 | 1’717’000 |
Lindt&Sprüngli | 4’431’694 | 4’719’000 |
IVF Hartmann | 1’025’096 | 745’145 |
Montana Aerospace | 1’407’161 | 1’108’679 |
Investis | 1’664’748 | 1’342’960 |
Helvetia | 3’032’912 | 2’903’910 |
Quelle: cash.ch; Datengrundlage: Ethos, LSEG. Angaben in CHF.