Sauberes Leitungswasser gilt weltweit als Massstab wirtschaftlichen Fortschritts. Doch selbst in einigen der wohlhabendsten Städte der Vereinigten Staaten steigt der Anteil der Haushalte ohne diesen grundlegenden Zugang – ein Trend, der laut Wissenschaftlern dringend Aufmerksamkeit verdient, zumal US-Präsident Donald Trump plant, die Bundesmittel für die Wasserinfrastruktur drastisch zu kürzen.
Katie Meehan, Professorin für Umweltgerechtigkeit am King’s College London, untersucht seit Jahren das Phänomen der sogenannten «plumbing poverty» – der Armut an sanitären Anlagen – in den USA. Hauptursachen sind Versorgungssperren wegen unbezahlter Rechnungen sowie heruntergekommene Wohnungen, deren Eigentümer notwendige Instandhaltungen vernachlässigen.
Lange war das Fehlen von Leitungswasser vor allem ein Problem des ländlichen Amerikas. Doch seit den 1990er-Jahren verlagert es sich in die Städte – eine Entwicklung, die Meehan in einer im Dezember veröffentlichten Studie in der Fachzeitschrift Nature Cities dokumentiert hat.
Niedrige Zinsen und die Ausbreitung riskanter Immobilienkredite trieben Hauspreise und Mieten nach oben und verringerten das Angebot an bezahlbarem Wohnraum. Viele einkommensschwache Amerikaner, besonders nicht-weisser Herkunft, waren gezwungen, in baufällige Unterkünfte zu ziehen.
Andere kamen mit Zahlungen in Rückstand. Die Urbanisierung der «plumbing poverty» beschleunigte sich nach der Rezession von 2008. Heute leben 72 Prozent der US-Haushalte ohne fliessendes Wasser in städtischen Gebieten – mehr als doppelt so viele wie Anfang der 1970er-Jahre.
In eigentlich einkommensstarken Städten wie Houston, Phoenix und Portland (Oregon) hat sich die Lage in den Jahren 2017 bis 2021 verschärft, für die die jüngsten vollständigen Volkszählungsdaten vorliegen. Besonders drastisch zeigt sich die Entwicklung in Portland, einer Stadt mit dynamischem Wirtschaftswachstum und dem Ruf sozialer Fortschrittlichkeit. Ausgerechnet dort ist der Anteil der Haushalte ohne fliessendes Wasser unter allen Metropolregionen der USA am stärksten gestiegen.
Zwischen 2000 und 2021 hat sich die Zahl der betroffenen Haushalte in Portland um 56 Prozent erhöht. Teurere Mieten, stagnierende Löhne und ein Mangel an erschwinglichem Wohnraum zwingen immer mehr Menschen in Lebensverhältnisse, in denen fliessendes Wasser zum Luxus wird, wie Meehan erklärt.
Zwar ist die Gesamtzahl der US-Haushalte ohne Leitungswasser seit den 1970er-Jahren gesunken. Doch diese Fortschritte kamen in erster Linie weissen Familien zugute. Heute sind in 12 der 15 grössten US-Städte People of Color überproportional von Wasserarmut betroffen.
Parallel dazu ist die staatliche Unterstützung für den Sektor in den vergangenen fünf Jahrzehnten massiv eingebrochen: Der Anteil der Bundesmittel an den Investitionen in die Wasserinfrastruktur sank von 63 Prozent im Jahr 1977 auf nur noch 9 Prozent im Jahr 2017. Im Haushalt für 2026 will Trump die zwei wichtigsten Förderprogramme für Wasser- und Abwassersysteme um fast 90 Prozent kürzen – ein drastischer Einschnitt in die kommunale Wasserversorgung.
Meehans Forschung legt nahe, dass bezahlbarer Wohnraum ebenso entscheidend ist, um Wasserzugang zu sichern. Um das Problem wirksam anzugehen, seien jedoch auch bessere Daten notwendig, sagt Stephen Gasteyer, Soziologieprofessor an der Michigan State University, der ebenfalls zur Wasserarmut forscht. «Wir sollten uns nicht rückwärts bewegen», warnt er.
(Bloomberg)