Die Anleger und Anlegerinnen spüren weiterhin das Nachbeben nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank. Bankaktien befinden sich weltweit auf Talfahrt. Eine nennenswerte Kurserholung bei US-amerikanischen und europäischen Bankaktien blieb bisher aufgrund wachsender Befürchtungen aus, dass eine erhöhte Risikoaversion das globale Wachstum beeinträchtigen könnte. Dass die Kurse derart massiv unter die Räder gekommen sind, dürfte auch damit zusammenhängen, dass viele Anleger in Europa bei Bankaktien übergewichtet sind respektive waren - und deshalb jüngst Gewinnmitnahmen auf breiter Front ausgelöst wurden. 

Mark Haefele, Chief Investment Officer bei UBS Global Wealth Management, rät dazu, dass Anleger und Anlegerinnen "Gewichtungen in globalen Finanzwerten (15 Prozent des MSCI All Country World Index), die über der Benchmark liegen, ihre Engagements überdenken. Innerhalb des Sektors bevorzugen wir ausgewählte Universalbanken, die in den letzten Tagen abverkauft wurden, die aber auch weiterhin gut kapitalisiert sind und über ausreichend Liquidität verfügen, um Kunden bedienen zu können, ohne Verluste aus Wertpapierportfolios realisieren zu müssen."

Rezession rückt in den Fokus

Eine nicht unerhebliche Rolle bei den Kursrückgängen wird auch der Umstand spielen, dass mit den Verwerfungen an den Finanzmärkten das Risiko einer Rezession in den USA gestiegen ist. Blackrock hält dazu fest: "Wir sehen Dominoeffekte für die Wirtschaft - das verstärkt unsere Erwartung einer Rezession."

Eine US-Rezession dürfte auch zu einem schwächeren Wachstum in Europa führen. Damit würde die Inflation wohl deutlich sinken und der daraus resultierende Rückgang bei den Leitzinsen würde die Zinseinnahmen der Banken schmälern. Negativ dürfte sich in diesem Falle auch auswirken, dass die Kommissionseinnahmen sich schleppender entwickeln würden und gegebenenfalls höhere Rückstellungen für notleidende Kredite gebildet sowie Wertkorrekturen bei den Beständen von Unternehmensanleihen vorgenommen werden müssten. 

«Beruhigen Sie sich»

Der Auslöser für die Kursverluste nebst dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) ist der Umstand, dass amerikanischen wie europäische Banken Buchverluste auf ihren Anleihenbeständen in der Bilanz haben. So versuchte denn auch der französische Finanzminister Bruno Le Maire am Montag, die Ansteckungsrisiken für französische Banken durch den Zusammenbruch der SVB herunterzuspielen.

"Die Realität ist, dass das französische Bankensystem der SVB nicht ausgesetzt ist. Es gibt keine Verbindungen zwischen den verschiedenen Situationen.“ Trotz seines Drängens sind die Anleger und Anlegerinnen besorgt, dass die europäischen Banken die jahrelangen extrem niedrigen Zinssätze genutzt haben, um einen attraktiven "Carry Trade“ zu betreiben. Dabei geht es darum, praktisch kostenlose Gelder der Europäischen Zentralbank zum Kauf von höher rentierenden Staatsanleihen zu verwenden.

Mit den jüngsten Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) erreichten die europäischen Anleiherenditen zu Beginn des Monats ihren höchsten Stand seit mehr als einem Jahrzehnt. Das hat den Wert der Anleihenportfolios der Banken in Mitleidenschaft gezogen.

Der Bloomberg 500 Bank Index hat innert 5 Tagen mehr als 10 Prozent an Wert verloren.

Der Bloomberg 500 Bank Index hat innert 5 Tagen mehr als 10 Prozent an Wert verloren.

Quelle: Bloomberg

Negativ macht sich ferner bemerkbar, dass die Liquidität an den Aktienmärkten ausgedünnt ist. Letzte Woche kam es zu generellen Liquiditätsproblemen im US-Börsenhandel mit Bankaktien, so Matthias Geissbühler, Anlagechef bei der Raiffeisen Schweiz. "Diese verringerte Liquidität von Market Makern dürfte auch zukünftig in Stresssituation zu höheren Kursausschlägen führen." Erschwerend komme hinzu, dass das Schattenbankensystem vor Herausforderungen stehe.

"In den nächsten Tagen dürfte der eine oder andere Hedge-Fonds genötigt sein, seine Short-Positionen auf US-Treasuries zu liquidieren. Ebenso dürfte es auf Private Equity Portfolios zu weiteren Abschreibern kommen. Das wird auf die Stimmung drücken." Raiffeisen bleibt deshalb in diesem Umfeld weiterhin defensiv positioniert. 

Die Spreu trennt sich weiter vom Weizen

Wegen des eingetrübten Ausblicks und den Gewinnmitnahmen hat der Bloomberg European 500 Bank Index innert Wochenfrist rund 10 Prozent an Wert verloren. Die Verliererliste wird wenig überraschend von der Credit Suisse angeführt. Bei Commerzbank, Banco de Sabadell und Finecobank sind es aber nicht die schlechten Nachrichten des Instituts, sondern das allgemeine Marktumfeld, welches für den Kurstaucher verantwortlich ist. Alle drei Banken sind in diesem Jahr mehr als 20 Prozent gestiegen. Das Gleiche gilt für die UBS, welche seit letztem Herbst einen richtigen Lauf mit überdurchschnittlichen Kurssteigerungen hatte. 

Drei Tage nach dem Zusammenbruch der SVB ist es zu früh, bei den Bankaktien eine abschliessende Analyse vorzunehmen. Die Banken dürften derzeit voll damit beschäftigt sein, ihre Bücher zu überprüfen. Mit der Bekanntgabe der Zahlen für das erste Quartal 2023 im April sollte sich dann zeigen, wer die hohe Volatilität bei den Zinsen und Obligationenportfolios gut oder schlecht gemeistert hat. So ist auch die Schere bei der Zinsdifferenz von Anleihen mit hoher Bonität und solcher mit geringer Bonität seit letztem Donnerstag massiv angestiegen.

Die Renditen von amerikanischen Junkbond-Anleihen sind innert Tagen auf ein neues 4-Monatshoch geschnellt, während die sicheren US-Treasury Bonds den stärksten Renditenrückgang seit dem Börsencrash 1987 verzeichneten. Diese Verschiebungen wirken sich direkt auf Gewinne und Verluste bei den Eigenbeständen der Banken aus.  

Risiken bei Bank of Amerika bleiben hoch

In Bezug auf die amerikanischen Bankaktien wächst die Erkenntnis, dass einige der grossen US-Banken aufgrund des Anstiegs der Zinssätze im vergangenen Jahr hohe nicht realisierte Verluste in ihren Anleihenportfolios haben könnten - dies, weil die Renditen steigen, wenn die Anleihenkurse fallen. Analysten zufolge sitzt die Bank of America auf den grössten Verlusten unter den US-Grossbanken. Ende letzten Jahres hielt das Unternehmen Schuldtitel in Höhe von 862 Milliarden Dollar in seiner Bilanz, von denen 632 Milliarden US-Dollar an Anleihen als bis zur Endfälligkeit gehalten klassifiziert wurden. Es erstaunt deshalb nicht, dass die Aktien der Bank of America deutlich stärker unter die Räder gekommen sind als zum Beispiel JP Morgan, die als wesentlich besser aufgestellt gilt.

Einzig die australischen Banken scheinen sich im Moment dem globalen Abwärtstrend zu widersetzen. Interessanterweise scheinen die australischen Investoren die Befürchtungen, dass der Zusammenbruch der SVB eine Flucht in die Qualität auslösen wird, die die vier grossen Banken auf Kosten der regionalen Kreditgeber begünstigt, abgeschüttelt zu haben. Schon vor der Implosion der SVB hielten einige Analysten fest, dass der harte Wettbewerb auf dem Markt für Wohnungsbaukredite – mit den vier grossen Banken und Macquarie, die sehr günstige Hypothekenzinsen anbieten – es kleinen Anbietern viel schwerer macht, sich zu behaupten. Entsprechend geringer sind dort die Risiken in den Bilanzen von kleineren Banken. 

Mit Material von Bloomberg

 

Thomas Daniel Marti
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