Cornelius Dönnhoffs Weinberge in der Nahe-Region - unter Riesling-Liebhabern bekannt - tragen zu dieser Jahreszeit normalerweise viele Trauben. In diesem Jahr sind die Reben jedoch fast völlig kahl geblieben: Fröste im späten April hatten die früh ausgetriebenen Früchte absterben lassen. Wie hochwertig die wenigen Trauben, die an seinen Reben hängen, sein werden, ist auch noch ungewiss.

Ähnlich sieht es bei einigen der grössten Obst- und Gemüseproduzenten Europas aus. Wegen des ungewöhnlich wechselhaften Frühlings und des chaotischen Sommerwetters stellen sich Landwirte von Polen bis Grossbritannien darauf ein, dass Geschmack und Grösse ihrer Ernten in diesem Jahr anders ausfallen könnten. Unterdessen hat der europäische Süden erneut mit einer schweren Dürre zu kämpfen.

Die Apfelerträge der Europäischen Union sollen dieses Jahr um ein Zehntel schrumpfen und die schwache Erdbeerernte trieb die Preise in einigen Regionen in die Höhe. Die Olivenöl-Preise sind in Deutschland im Juli im Vergleich zum Vorjahr um 45 Prozent gestiegen. Vor allem Italien hat in diesem Jahr Mühe, genügend Oliven für die Ölproduktion zu ernten.

"Wir wissen noch nicht, was das Wetter, wie die starken Regenfälle, mit den Wurzeln der Obstbäume gemacht hat", sagte Lambert van Horen, leitender Analyst bei der Rabobank im Interview. "Das könnte die Ernte im nächsten Jahr beeinträchtigen."

Polnische Äpfel

Der grösste Apfelerzeuger Europas muss laut dem polnischen Obstverband mit einem Rückgang der Gesamtproduktion um 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr rechnen. Ein milder Jahresbeginn liess die Bäume früher als üblich austreiben. Als im April heftiger Frost folgte, starben viele Fruchtknospen ab.

Die EU-Kommission hatte im Juli Krisenhilfen aus der Agrarreserve in Höhe von 62 Millionen Euro für Polen, sowie Tschechien und Österreich in Aussicht gestellt, um Landwirten zu helfen, die ebenfalls unter den widrigen Wetterdingungen zu leiden hatten. Die Kommission begründete ihr Vorhaben mit der Sorge um die „wirtschaftliche Tragfähigkeit” der betroffenen Landwirtschaftsbetriebe.

Deutsche Erdbeeren und Weine

Ähnliche Kälte- und Nässeperioden ereigneten sich auch in Deutschland und verstärkten Probleme wie den Rückgang der Ackerflächen. Es wird erwartet, dass die Erdbeerernte 2024 um etwa ein Viertel geringer ausfallen wird als im letzten Jahr. Gleichzeitig sind die Verbraucherpreise im ersten Halbjahr um etwa 4 Prozent gestiegen, so die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft. Auch der unter Deutschen beliebte weisse Spargel musste Einbussen hinnehmen.

Einige Wein- und Obstbauern haben ihre gesamte Ernte verloren, sodass ihnen keine Ware für den Verkauf überbleibt. Zunächst hatte die EU-Kommission Deutschland in ihrem Hilfspaket nicht berücksichtigt. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir beschwerte sich: "Bekanntlich macht eine Kaltwetterfront nicht am Grenzübergang halt. Polen, Österreich, Tschechien und Deutschland waren von demselben Extremwetter betroffen."

Sein Ministerium trieb deswegen eine Neubewertung voran. "Ich erwarte, dass die EU-Kommission diese Ungleichbehandlung zügig auflöst und die Frosthilfen auch für unsere deutschen Landwirtinnen und Landwirten öffnet", erklärte Özdemir.

"So einen Frost vertragen die Reben nicht. Wir haben an manchen Hängen einen Ausfall von 100 Prozent", sagt der Winzer Dönnhoff im Gespräch mit Bloomberg. Auch in Frankreich wird die Weinproduktion in einigen Regionen durch den Frost zurückgehen, so die Prognosen des französischen Landwirtschaftsministeriums.

Italienisches Olivenöl und Weizen

Doch nicht nur der Frost verursacht Probleme. Das am Stiefelabsatz Italiens gelegene Apulien kämpft mit einer Dürre und sengenden Temperaturen von bis zu 43 Grad. Die Hitze verbrennt das Obst und Gemüse; die Produktion von Olivenöl - dem wichtigsten Produkt der Region - wird voraussichtlich um mehr als 50 Prozent einbrechen.

Auch die Weizenmengen für Brot und Nudeln haben sich aufgrund der anhaltenden Trockenheit mehr als halbiert. Da für die kommenden Wochen weiterhin überdurchschnittlich hohe Temperaturen erwartet werden, könnte sich die Lage für die Landwirte in den wichtigsten landwirtschaftlichen Gebieten Italiens noch weiter verschlechtern.

Spanien hat in den letzten Jahren ebenso unter Dürren gelitten. Lokalen Berichten zufolge wird die Mangoproduktion in diesem Jahr stark zurückgehen.

Britische Tomaten und Gurken

In Grossbritannien ist die mangelnde Sonne, die den Erzeugern von Erdbeeren, Tomaten und Gurken zu schaffen macht. Obwohl das Vereinigte Königreich den wärmsten Mai aller Zeiten erlebt hat, war der Start in den Sommer besonders nass.

Nach Angaben der Umweltbehörde gab es im landwirtschaftlich geprägten Südosten mehr als doppelt so viel Niederschlag wie im langjährigen Durchschnitt. "Die grösste Auswirkung werden die Freilandkulturen spüren. Sie sind auf die Sonne angewiesen, um Geschmack und Farbe zu entwickeln, wie zum Beispiel Äpfel oder Trauben. Auch der Zuckergehalt könnte infolgedessen niedriger ausfallen", sagte Kelly Shields, technische Direktorin des Branchenbeobachters Fresh Produce Consortium.

Die geringe Sonneneinstrahlung hatte auch dazu geführt, dass einige Sommerfrüchte später als üblich geerntet wurden. Für manche Produkte ergab sich daraus ein Vorteil. So hatten Erdbeeren mehr Zeit um zu wachsen und sind dadurch grösser und geschmackvoller geworden, sagt Joe de Ruse, Leiter der Genetik bei der Summer Berry Company.

(Bloomberg)