In den letzten Jahren wurden auf mehreren MSC-Schiffen Drogen gefunden. Im Jahr 2019 wurde das 100-Millionen-Dollar-Schiff Gayane beschlagnahmt, nachdem man an Bord Kokain im Strassenwert von 1,3 Milliarde Dollar gefunden hatte.

Fast 20 Tonnen Drogen auf ein Containerschiff zu bringen, ist eine aussergewöhnliche Leistung, sowohl was die kriminelle Energie als auch was die Logistik betrifft. Der Balkanmafia gelang, über mehr als ein Jahrzehnt hinweg die Besatzungen von MSC-Schiffen zu infiltrieren und Schnellboote, Schmiergelder und Drohungen einzusetzen, um ihre Fracht an Bord zu bringen.

Eine neue Art des Schmuggels

Die übliche Methode, Drogen auf ein Schiff zu schmuggeln, besteht darin, die Container schon an Land mit der Schmuggelware zu beladen und zu hoffen, dass dies unbemerkt bleibt. Komplizierter ist es, die Drogen auf das fahrende Schiff zu bringen. So geschah es bei mehreren MSC-Schiffen — eine Aktion, an der Mitarbeiter von MSC beteiligt gewesen sein müssen. Schnellboote mit schwarzen, mit Drogen gefüllten Seesäcken näherten sich den fahrenden Containerschiffen, und die Besatzung hievte die Säcke mit Flaschenzügen an Deck. Die Übergaben fanden in vielen Fällen auf hoher See statt, ohne dass die Schiffe gestoppt wurden — “eine unglaubliche seemännische Leistung”.

Mit einer Flotte von 645 Schiffen dominiert MSC den Schiffsverkehr von Südamerika nach Nordeuropa. Diese Routen, die vor allem für den Transport von Obst und Gemüse genutzt werden, sind auch Superhighways für den Kokainhandel. Die Erweiterung des Panamakanals im Jahr 2016 ermöglichte größeren Schiffen die Durchfahrt, alarmierte aber auch die Polizei: Interpol warnte, dass dies den Kokaintransport über den Atlantik beschleunigen könnte. Die Kanalerweiterung verdreifachte die Containerkapazität von MSC auf dem Weg von der südamerikanischen Pazifikküste nach Europa nahezu. Im Jahr 2019 entfiel fast die Hälfte des Containeraufkommens auf diesen Routen auf das Unternehmen.

Laut dem Rotterdamer Hafenpolizeichef Jan Janse wurde die MSC bereits drei Jahre vor der Beschlagnahmung der Gayane darüber informiert, dass einige ihrer Seeleute erwischt worden waren, wie sie Kokain von Frachtschiffen auf kleinere Schiffe umluden, bevor sie in den Hafen einliefen. “Wir haben ihnen gesagt, was wir gesehen haben. Und wir haben ihnen gesagt, dass das aufhören muss”, sagte Janse. “Und wenn es nicht aufhören würde, sagten wir ihnen, dass das Risiko bestünde, dass wir das tun würden, was die Vereinigten Staaten später taten, nämlich ihre Schiffe beschlagnahmen.”

Reeder werden selten wegen Drogenhandels bestraft

In den USA hat der Transport von Drogen auf Schiffen selten ernsthafte Konsequenzen, abgesehen von Geldstrafen, die in der Regel heruntergehandelt werden. Doch die jüngsten Enthüllungen könnten ein Wendepunkt für die Branche sein. Der Zoll fordert von MSC mehr als 700 Millionen Dollar Strafe, wie mit der Angelegenheit vertraute Personen gegenüber Businessweek erklärten.

MSC sieht sich als weltweit führend bei der Bekämpfung des Schmuggels und behauptet, selbst das Opfer der organisierten Kriminalität zu sein. MSC hat nie bestritten, dass eine große Menge Kokain an Bord eines seiner Schiffe gefunden wurde, behauptet aber, dass “der Grossteil des Kokains nicht auf See geladen wurde und auch nicht hätte geladen werden können.” Die USA verwiesen auf Schuldeingeständnisse von Besatzungsmitgliedern, die in den Handel verwickelt waren und sehen die Position von MSC in direktem Widerspruch zu gerichtlichen Tatsachenfeststellungen.

Drei Jahrzehnte Gewaltgeschichte

Die Banden, die hinter dem dreisten Milliarden-Kokainschmuggel auf der Gayane standen, haben eine gewalttätige Vorgeschichte, die bis in die 1990er Jahre zurückreicht. Ursprünglich waren es Söldnertruppen, die nach dem jugoslawischen Bürgerkrieg in Waffenhandel, Autodiebstahl und Geldwäsche aktiv wurden. Einige der Banden, die sich häufig aus ehemaligen Polizei- und Geheimdienstmitarbeitern zusammensetzen, sind für ihre extreme Gewalttätigkeit bekannt. Letztes Jahr wurden bei einer Razzia der Belgrader Polizei in einem industriellen Fleischwolf Spuren von menschlicher DNA gefunden.

Bei der Rekrutierung der Seeleute wurden sowohl Zuckerbrot als auch Peitsche eingesetzt. Ein Bandenmitglied wandte sich an ein MSC-Besatzungsmitglied namens Aleksander Kavaja in seiner Heimat Montenegro, wie aus Gerichtsakten hervorgeht. Er drohte Kavaja und seiner Familie, falls er nicht ein “Narco”-Telefon annehmen und Anweisungen befolgen würde. Als Gegenleistung für seine Kooperation bei einer Schmuggelaktion auf dem Schiff wurden Kavaja 50.000 Euro angeboten — ungefähr ein Jahresgehalt.

(Bloomberg)