Im November stellte die feine Privatbank Julius Bär erstmals den bescheidenen Betrag von 70 Millionen Franken für eventuelle Verluste aus 606 Millionen Franken an Krediten an das Signa-Konglomerat zurück. CEO Philipp Rickenbacher verkündete unverdrossen, am Risikoappetit der Bank werde sich nichts ändern.

Keine drei Monate später ist das Signa-Universum insolvent und Julius Bär hat die Kredite komplett abgeschrieben, den verantwortlichen Geschäftsbereich auf Abwicklung gestellt und Rickenbacher gefeuert.

Ausschlaggebend war die immer deutlicher werdende Erkenntnis, wie schlecht der Vorstoss in das Geschäft mit Privatkrediten — der Kreditvergabe an vermögende Kunden gegen illiquide Sicherheiten wie Unternehmensanteile — bei Julius Bär betrieben worden war.

Eine interne Untersuchung, die nach dem öffentlichen Eingeständnis im November eingeleitet worden war, zeigte zahlreiche Missstände, wie Insider mit Kenntnis der Untersuchung berichten. Die Risikomanager hatten die komplexe Problematik des Signa-Konglomerats nicht im Griff, wie es heisst. So wurden etwa die einzelnen Signa-Gesellschaften als getrennte Kreditnehmer behandelt, anstatt sie als ein gemeinsames, verbundenes Risiko zu bewerten.

Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher räumte Probleme in dem Geschäftsbereich in einer Telefonkonferenz am Donnerstag ein. “Im Nachhinein ist klar, dass sich das Privatkreditgeschäfts schneller entwickelte als die entsprechende Anpassung der Rahmenbedingungen”, sagte er. “Es gab zwar keine Verstösse gegen interne oder externe Regeln und Vorschriften im Zusammenhang mit dieser Position, aber wir haben das Risiko falsch eingeschätzt.”

Börsenreaktion positiv

Julius Bär stiegen am Donnerstag untertägig stark an, gaben aber den Grossteil der Gewinne wieder ab, so dass zum Börsenschluss noch ein Plus von 0,9 Prozent auf dem Kurszettel stand. Am Freitag legten die Papiere in Zürich zuletzt 2,9 Prozent zu. Sie stehen immer noch rund 12 Prozent unter dem Stand von vor der ersten Mitteilung zu den Signa-Verlusten.

Für die Bankenaufsicht Finma ist Julius Bär das nächste Drama in einer Branche, die einst für ihre Stabilität berühmt war. Sie hat letztes Jahr eine Untersuchung eingeleitet, die sich vor allem auf die Berichtslinien des Geschäftsbereich konzentriert, die die Risikokontrollen schwächt, wie Bloomberg bereits früher berichtet hat.

In den letzten Wochen kam die Führung der Bank zu dem Schluss, dass das gesamte Signa-Risiko abgeschrieben werden müsse — und nicht nur der Betrag von 400 Millionen Euro, den Analysten im Dezember geschätzt hatten.

Verkauf unterbrochen

Das Kreditengagement von Julius Bär umfasste beispielsweise ein Darlehen in Höhe von 150 Millionen Euro, das auf den ersten Blick mit dem Münchner Luxuskaufhaus Oberpollinger besichert war. Allerdings bestand die Besicherung bei näherem Hinsehen aus Anteilen an der Projektgesellschaft, der die Immobilie gehört — und nicht der Immobilie selbst, wie die Insider berichten. 

Julius Bär versuchte eine Zeitlang, das Darlehen zu veräussern, stoppte diesen Prozess jedoch, so die Insider. Inzwischen hat die Projektgesellschaft Insolvenz beantragt. Der Aufbau dieses Geschäfts mit Benko fällt zusammen mit Rickenbachers Zeit als Bankchef. Der 52-Jährige hat rund zwei Jahrzehnte bei Julius Bär verbracht und die Bank in neue Geschäftsbereiche geführt, darunter auch das Kryptogeschäft.

Sein Mandat war allerdings ursprünglich in erster Linie darauf ausgerichtet, der Bank Stabilität zu verleihen. Zuvor hatte ein Geldwäscheskandal das Institut erschüttert; Rickenbachers Vorgänger Boris Collardi erhielt in diesem Zusammenhang eine förmliche Rüge der Finma. Als die Benko-Affäre ans Tageslicht kam, wurde diese Diskrepanz eklatant. Je näher der gestrige Donnerstag rückte, an dem Julius Bär die Zahlen vorlegen sollte, desto mehr drehte sich die Stimmung gegen Rickenbacher, so einer der Insider.

Schlechte Risikokontrolle

Lacher würdigte Rickenbacher für seine Rolle bei der Stärkung der Bank. Doch zum zweiten Mal innerhalb eines knappen Jahres musste sich der Präsident einer Schweizer Bank bei seinen Aktionären und Kunden entschuldigen, weil er ihr Geld und ihr Vertrauen verloren hatte: Im April letzten Jahres war es Credit- Suisse-Präsident Axel Lehmann, der Abbitte leisten musste für den Zusammenbruch seiner Bank. 

Bei Julius Bär ist das Missgeschick kleiner, es steht immer noch ein Gewinn unter dem Strich — auch wenn der nur halb so gross ist wie im Vorjahr — und die Existenz der Bank steht nicht in Frage. Doch der Hauptgrund für das Debakel ist nicht so unähnlich: Immer geht es um schlechte Risikokontrolle.

Eine zentrale Herausforderung für Julius Bär besteht nun darin, Wachstum zu erzielen und gleichzeitig ein schwieriges Geschäft abzuwickeln. Die Bank hat signalisiert, dass sie extern nach einem Nachfolger als CEO sucht — was gerade wegen der Reputationsprobleme gar nicht so einfach werden dürfte.

“Wir sind mit den meisten strategischen Schritten einverstanden, die Bär unter der Führung von Herrn Rickenbacher unternommen hat”, schrieben die Analysten der Citigroup am Donnerstag. “Aber der hohe Verlust aus dem Signa-Engagement und der noch grössere Verlust an Marktkapitalisierung und die Folgen für das Geschäft haben dazu geführt, dass dieser Schritt unvermeidlich erschien.”

(Bloomberg)