Das Medieninteresse am US-Präsidentschaftsbewerber Robert F. Kennedy Jr. mag zunächst kurios wirken. Experten räumen dem 70-Jährigen Unabhängigen faktisch keine Chance ein, tatsächlich im November Staatschef zu werden: Kennedy kann einer Reuters/Ipsos-Umfrage zufolge auf die Unterstützung von 15 Prozent der Wähler zählen, verglichen mit 39 Prozent für den demokratischen Amtsinhaber Joe Biden und 38 Prozent für den republikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump. Trotzdem könnte Kennedy eine entscheidende Rolle spielen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters bei Gesprächen mit einem Dutzend Wahlstrategen erfuhr, könnten dritte Kandidaten wie er eher Biden Stimmen kosten und damit Trump zum Sieg verhelfen.

Hintergrund ist das vergleichsweise komplizierte US-Wahlsystem. Der Präsident wird nicht direkt von der Bevölkerung gewählt, sondern über Wahlleute, die ein Kandidat nach einem Sieg in einem Bundesstaat zugesprochen bekommt. Meist erhält der Sieger dabei alle Wahlleute nach dem Prinzip «winner-takes-all». Während der Ausgang in vielen Bundesstaaten wegen der Mehrheitsverhältnisse in der Bevölkerung als sicher gilt, wird in einigen anderen ein hauchdünnes Ergebnis erwartet. Auf diesen politischen Schlachtfeldern - den «battleground states» - zählt jede Stimme.

Experten: Trump hat die treueren Wähler

Als einer der wichtigsten dieser Staaten gilt auch in diesem Jahr Pennsylvania. Mit etwa 13 Millionen Einwohnern - etwa so viele wie Bayern - stellt er 19 Wahlleute. 2020 gewann Biden hier nur mit 50 Prozent. Trump kam auf 48,8 Prozent. Unter solchen Bedingungen könnten selbst wenige Prozente, die Kennedy auf sich zieht, entscheidend sein. Sollte Biden Pennsylvania in diesem Jahr nicht gewinnen, müsste er sich den Szenarien zufolge in Georgia, Arizona, Wisconsin und Michigan durchsetzen, um auf die notwendige Mindestzahl von 270 Wahlleuten zu kommen. Verliert der Demokrat jedoch etwa auch in Georgia, wird Trump zum zweiten Mal Präsident.

Dass Trump von einem dritten Kandidaten mehr profitieren würde als Biden, hat den Experten zufolge einen einfachen Grund: Er habe die treueren Wähler. «Vermutlich kann er nicht mehr als, sagen wir mal, 47 Prozent der Stimmen erhalten», sagt Matt Bennett von der Denkfabrik Third Way, die mit den Demokraten zusammenarbeitet. «Aber er wird auch nicht viele abgeben.» Sein Kollege Lucas Holtz gibt 35,5 Prozent als das Minimum an, auf das Trump zählen könne. Darauf könne Biden nicht bauen.

(Reuters)