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Ein erfolgreiches Börsen-Investment beginnt mit der Auswahl der geeigneten Aktien. Der weltweite Aktiendschungel ist aber endlos – allein der breit gefasste Swiss Performance Index umfasst  220 Titel. Kennzahlen zur Bewertung von Aktien können aber helfen, die richtigen Papiere auszuwählen. Doch genauso dicht wie der Aktiendschungel ist auch das Dickicht an Kennzahlen. Es ist deshalb entscheidend, die wichtigsten Kennzahlen zu verstehen und richtig einzusetzen.
Der legendäre Investor Benjamin Graham schrieb 1949 in seiner Anleger-Bibel «The Intelligent Investor»: «Eine Entscheidung sollte nicht auf Optimismus basieren, sondern auf genauer Kalkulationsgrundlage.» Doch mit der genauen Berechnung fangen die Probleme erst an. Wann ist eine Aktie günstig, wann teuer? Und sind tiefe Bewertungen automatisch auch Kaufoptionen?

Der Grundsatz von Graham zählte plötzlich nicht mehr

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV, siehe Kasten auf Seite 19) ist die Mutter aller Messlatten und eignet sich laut Martin Hüsler, Teamleiter Aktienresearch bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB), besonders gut, weil es «einfach und intuitiv» sei. Verschiedene Firmen können, auch branchenübergreifend, mit dem KGV verglichen werden. Die Schwäche des KGV sieht Hüsler in der fehlenden Berücksichtigung der Unternehmensentwicklung. «Das KGV vernachlässigt die längerfristige Gewinndynamik», sagt der Bewertungsexperte.

Dass sich viele Investoren den Grundsatz von Graham nicht zu Herzen nehmen, konnte während der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende beobachtet werden. Anleger hatten damals deutlich überhöhte Gewinnerwartungen an die Technologie-Unternehmen und ignorierten fundamentale Unternehmenszahlen. In der Folge entfernte sich mit den rasant steigenden Aktienkursen auch das KGV von zahlreichen Technologie-Unternehmen weit von der Realität.
Als Ausdruck der überhöhten Gewinnerwartungen wiesen Ende 1999 die Nasdaq-Titel ein durchschnittliches KGV von über 100 auf. Der Rest ist bekannt: Die Erwartungen der Anleger wurden enttäuscht, die Blase platzte und die Börsen weltweit brachen ein.

Hohes KGV muss nicht unbedingt schlecht sein

Ein hohes KGV muss allerdings nicht per se ein Hinderungsgrund für ein Investment sein. Wenn ein Unternehmen in einem Markt mit hohen Eintrittsbarrieren tätig ist, kann auch eine hohe Bewertung durchaus attraktiv sein. Hüsler empfiehlt Anlegern aber auch, sich nicht auf eine Kennzahl zu verlassen, sondern mehrere zu kombinieren. Denn je schärfer das Bild einer Firma ist, desto genauer kann ihre zukünftige Entwicklung eingeschätzt werden.
Dazu trägt auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV, siehe Kasten unten) bei. Es beschreibt, wie oft der Markt bereit ist, das Eigenkapital eines Unternehmens zu bezahlen.

«Somit macht das KBV eine Aussage über die Substanz der Aktie», präzisiert Hüsler. Wird eine Aktie zu einem KBV von weniger als 1 bewertet, kann das nebst einer günstigen Bewertung auch eine überhöhte Darstellung des Eigenkapitals bedeuten.

Hohes KGV muss nicht unbedingt schlecht sein

Bei einem anhaltenden Tiefzinsumfeld ist zudem die Dividendenrendite (siehe Kasten) von besonderer Bedeutung. Aktien mit konstant hoher Gewinnbeteiligung sind bei den Aktionären tatsächlich beliebt. Allerdings verliert ein Unternehmen mit der Dividende Kapital, welches es für das Wachstum brauchen könnte. Hüsler gibt das Gegenargument: «Wenn ein Unternehmen die Gewinne einbehält und reinvestiert, kann das für die Anleger auf lange Frist lohnend sein.»
Nebst diesen Investoren-Kennzahlen gibt es viele absolute Unternehmensdaten, die für die Aktienbewertung beachtenswert sind. Der Cashflow etwa zeigt die Liquidität eines Unternehmens und lässt Rückschlüsse auf die finanzielle Struktur zu. Hüsler warnt indes: «Man sagt zwar oft ‹cash is king›. Aber auch der Cashflow kann über geschicktes Management des Umlaufvermögens vorübergehend aufgebläht werden.»  Deshalb sei es wichtig, die Trendentwicklung des Cashflows zu verfolgen.

Wer die Zukunft eines Unternehmens einschätzen will, der sollte prinzipiell auch dessen Vergangenheit kennen. Und sich dabei fragen: Haben sich die Kennzahlen über die Zeit verbessert oder verschlechtert? Wer sich einen Vorteil verschaffen will, der braucht nebst einer fundierten Aktien-Analyse vor allem eines: Risikobereitschaft. Denn «Mut ist nach Wissen die wichtigste Tugend bei der Wertpapieranlage», wusste schon Investoren-Legende Graham.

 

Die wichtigsten Kennzahlen für die Aktienbewertung

KGV: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis gibt Auskunft über die geschätzten künftigen Gewinne pro Aktie einer Firma, entweder vom laufenden Jahr oder von den nächsten Jahren. Der Aktienkurs wird dabei ins Verhältnis zum erwarteten Gewinn gesetzt. Ein tiefes KGV signalisiert eine tiefe Börsenbewertung. Die SMI-Titel haben im Schnitt ein KGV von 14, jene des Dow Jones eines von 13.

KBV: Indem der aktuelle Aktienkurs durch den Buchwert pro Aktie dividiert wird, erhält man das Kurs-Buchwert-Verhältnis. Damit wird beschrieben, wie oft der Markt bereit ist, das Eigenkapital eines Unternehmens zu bezahlen. Werte unter 1 gelten als günstig.

DIVIDENDENRENDITE: Auf sie kommt man, indem man die Dividende pro Aktie durch den Aktienkurs teilt und mit hundert multipliziert. Die Dividendenrendite gilt als Verzinsung des Kapitals, das man in Aktien investiert. Am attraktivsten sind Renditen um 4 Prozent.

KCV: Der Cashflow gibt Auskunft über die Liquidität eines Unternehmens und wird berechnet als Gewinn vor Abschreibungen und Rückstellungen. Das Kurs-Cashflow-Verhältnis beschreibt, mit dem Wievielfachen des Cashflows eine Aktie bewertet ist. Im Gegensatz zum KGV ist das KCV bei Unternehmen sinnvoll, die Verluste schreiben.

EIGENKAPITALRENDITE: Der Reingewinn eines Unternehmens wird geteilt durch das Eigenkapital. Die Eigenkapitalrendite ist ein Indikator, wie effizient eine Firma arbeitet. Sie erlaubt es, die Profitabilität verschiedener Firmen untereinander zu vergleichen.

Weitere Infos finden Sie im Börsenlexikon von cash.