In Wilhelmshaven wollen Unternehmen in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts mehr als fünf Milliarden Euro in die Infrastruktur für eine klimafreundliche Energieversorgung investieren. Die niedersächsische Stadt hat nicht nur den einzigen Tiefwasserhafen Deutschlands, sondern ist seit der Energiekrise im vergangenen Jahr Standort von Deutschlands erstem - mittlerweile nicht mehr einzigem - schwimmenden Terminal für Flüssiggas (LNG), der nach dem Ausfall der russischen Gaslieferungen durch Pipelines für Abhilfe bei der Gasversorgung durch andere Herkunftsländer leistet. Die Planungen der vor Ort tätigen Energieunternehmen gehen jedoch mit Projekten für den Import von Wasserstoff und Ammoniak, die Produktion von Wasserstoff und die Verbringung von CO2-Emissionen unter den Meeresgrund weit darüber hinaus.

"Wir werden bis 2030 das pumpende Herz von Deutschland sein," sagt der Chef der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Wilhelmshaven, Alexander Leonhardt. Der Sprecher für den Energy Hub Port Wilhelmshaven, Uwe Oppitz, berichtet, dass allein die Unternehmen Uniper, Wintershall Dea und Tree Energy Solutions (TES) von 2026 bis 2030 zu unterschiedlichen Teilen mehr als fünf Milliarden Euro in Wilhelmshaven investieren wollen. Zum Energy Hub Port Wilhelmshaven gehören rund 30 Unternehmen, darunter die Energieriesen E.ON und RWE sowie der dänische Offshore-Windenergiekonzern Orsted und das Bundesland Niedersachsen.

CO2 nicht einfach Sein lassen

Der Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea ist nicht in die LNG-Terminals involviert, möchte den Standort aber für neue Geschäftsmodelle nutzen. Dabei soll es um die Herstellung von Wasserstoff aus norwegischem Erdgas gehen. Das CO2 soll abgeschieden werden. Wintershall Dea plant zudem das Sammeln, Exportieren und Speichern von CO2 aus seinen eigenen und den Aktivitäten anderer Industrieunternehmen.

"Wintershall Dea plant die Projekte BlueHyNow und CO2nnectNow", erklärt das Unternehmen. Für beide Projekte würden derzeit Machbarkeitsstudien angefertigt, die weitere Erkenntnisse zur Umsetzbarkeit bringen werden. "Wintershall Dea plant, gemeinsam mit seinen Partnern rund eine Milliarde Euro in den Standort Wilhelmshaven zu investieren."

Lockruf aus Wilhelmshaven- Grüne Energie für die Industrie

TES will noch in diesem Jahr in Wilhelmshaven den zweiten schwimmenden LNG-Terminal in Betrieb nehmen und später "grünes", also klimaneutrales Methan in grossem Stil aus Übersee importieren. Auch Uniper, Betreiber des ersten LNG-Terminals, hat die Dekarbonisierung im Blick. Das Unternehmen wolle in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts bis zu 2,6 Millionen Tonnen "grünes" Ammoniak pro Jahr über ein eigenes Importterminal in Wilhelmshaven bringen, sagte der Geschäftsführer von Uniper Energy Sales, Gundolf Schweppe. "Das angelieferte Ammoniak wird in grünen Wasserstoff umgewandelt werden." 2,6 Millionen seien nicht weit entfernt von der derzeitigen deutschen Produktion von Ammoniak aus fossilen Quellen, einem Düngemittelrohstoff, von drei Millionen Tonnen pro Jahr.

Die 1869 gegründete Stadt am Jadebusen - dort ist auch Deutschlands gröster Marinestützpunkt - hofft auf einen weiteren Wachstumsschub. Die Energiewende könnte in der teilweise strukturschwachen Region Betriebe aus dem reicheren Süden des Landes anziehen. 1000 bis 2000 neue Arbeitsplätze könnten in den kommenden fünf Jahren entstehen, sagt Bürgermeister Carsten Feist. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer in der Stadt mit rund 80.000 Einwohnern könnten sich verdoppeln. Die nahe gelegene Papier- und Kartonfabrik Varel (PKV) benötigt viel Energie. Da könnte zum Beispiel Abwärme aus zukünftigen Elektrolyseanlagen, die grünen Wasserstoff aus erneuerbarem Strom herstellen, interessant sein, so Oppitz. Der niedersächsische Stahlkonzern Salzgitter will für die Umstellung seiner Produktion mit erneuerbarer Energie hergestellten Wasserstoff von Uniper beziehen.

Die Wirtschaftsförderer in Wilhelmshaven gehen davon aus, dass ab 2030 in der Region jährlich mehr als 30 Terawattstunden Wasserstoff hergestellt werden können. Dies wäre ein Viertel des deutschen Bedarfs, der in der Nationalen Wasserstoff Strategie für diesen Zeitpunkt auf 95 bis 130 Terawattstunden beziffert wird.

(Reuters)