"The same procedure as every year." Neigt sich das Kalenderjahr dem Ende zu, gibt es auch an der Börse ein festes Ritual: das sogenannte Window Dressing. Oft schon ab Ende November machen viele Fonds ihr Portfolio optisch attraktiver, indem sie sich von Verlustbringern trennen und Börsenstars kaufen.

Das Ziel der Übung: Auf diese Weise finden sich zum Jahresende Aktien in den Anlegerdepots wieder, die sich über das gesamte Jahr gesehen überdurchschnittlich entwickelt haben. Die grössten Verlierer werden hingegen spätestens zum Stichtag hin verkauft, um diese Positionen nicht im Jahresbericht ausweisen zu müssen.

"Dass das geschieht, ist ein offenes Geheimnis", sagt ein erfahrener Experte im Gespräch mit AWP. "Nur zugeben würde es keiner." Denn wer zeige schon gerne einen Fonds vor, der zwei oder gar drei der grössten "Jahresverlierer" im Portfolio hat?

Trendverstärkung am Jahresende

Dieser Effekt führt dazu, dass die Kurse vieler gut gelaufener Aktien zum Jahresende hin nochmal ansteigen, weil einige Fondsmanager die Aktien vor dem Stichtag noch kaufen. Die Verlierer wiederum werden zum Jahresende hin kurzfristig entfernt und müssen erneut Kursverluste hinnehmen, ohne dass dies fundamentale Gründe hat.

Solche kosmetischen Portfoliokorrekturen kommen verstärkt in guten Börsenjahren vor - und sie sind legal. Gleichwohl währt der Effekt dieser Massnahme, gut laufende Aktien ins Depot aufzunehmen, nur kurzfristig. Denn meist verkaufen die Fondsmanager die neu hinzugekauften Aktien zu Jahresbeginn wieder - mit entsprechenden Abgaben in diesen Papieren. Der Ausstieg erfolgt oft bis Mitte Januar, zumal bis dahin die über die Weihnachtsfeiertage generell deutlich abflauende Börsenliquidität zurückkehrt.

Chancen für Kleinanleger

Für den Kleinanleger lohnt es sich daher, die Berichte der eigenen Fonds genauer zu studieren und dabei speziell auch auf die Anpassungen am Jahresende einen Blick zu werfen. Und wer in Einzelaktien investiert, könnte versuchen, sich an die "Dezember-Regel" zu halten. Diese besagt, dass Aktien, die von Januar bis November besonders gut gelaufen sind, oft auch im Dezember überdurchschnittlich gut abschneiden.

In einem guten Börsenjahr kann es sich also auszahlen, in den letzten vier Wochen des Jahres auf genau diese Gewinner zu setzen. Im Gegenzug kann es sich durchaus lohnen, Ende Dezember die grössten Verlierer des Jahres zu kaufen. Denn wenn der Window-Dressing-Effekt verpufft, steigen die Notierungen der zum Jahresende verschmähten "sauren Gurken" ab Anfang Januar oft wieder deutlich.

Gewinner ins Töpfchen, Verlierer ins Kröpfchen

Auch dieses Jahr deuten die Entwicklungen an der Schweizer Börse darauf hin, dass der "Schaufensterputz" durchaus wieder durchgeführt wurde. Im SMI Expanded, der die 50 höchstkapitalisierten Titel des hiesigen Aktienmarktes enthält, wurde so die Position der grössten Gewinner in den letzten vier Wochen zementiert.

VAT, UBS und Temenos etwa legten auf Jahressicht um bisher mehr als 50 Prozent zu. Allein im Dezember stiegen die drei Papiere um bis zu 10 Prozent. Bei Sika (+24% in 2023) kam mehr als die Hälfte und bei Kühne+Nagel (+35%) gut ein Drittel der Jahresperformance im Dezember zusammen.

Am anderen Ende büssten bei den Top-50-Werten Meyer Burger in diesem Jahr gut zwei Drittel an Wert ein - belastet von Deutschlands Budgetkrise und der Kürzung bei der Solarförderung. Minus 8 Prozent waren es allein im Dezember. Auch andere Jahresverlierer wie Barry Callebaut (-23% in 2023), SGS (-19%) oder Clariant (-12%) wollte sich am Jahresende kein Anleger mehr ins Depot legen.

(AWP)