cash.ch: Die Unsicherheit über den Fahrplan bei der Geldpolitik und zuletzt die politische Eskalation im Nahen Osten haben die Börsen belastet. Wie würden Sie die aktuelle Marktlage beschreiben?

Don Fitzgerald: Wir befinden uns in einem sehr engen Markt, der von einer geringen Anzahl von Aktien getrieben wird. In Europa sind dies einige Halbleiter- und Luxusgüteraktien. In den USA ist es noch extremer: Die hochqualitativen FAANG-Aktien sind dort für den Anstieg verantwortlich. 

Was ist mit dem Rest?

Europäische Small- und Midcaps weisen seit Ende 2021 eine unterdurchschnittliche Performance auf. Dies, obwohl diese normalerweise gerade zu einer Outperformance tendieren. Denn diese Unternehmen wachsen schneller, sind innovativer und die Geschäftstage arbeiten oftmals noch für den Aktionär.

Eine Chance?

Ja, sie sind zurückgeblieben und haben ein Aufholpotenzial. Auch dahingehend, dass bei der Bewertung Small gegenüber Large Caps klar zurückliegen - was auch nicht normal ist.

Wurde bei diesen die Konjunkturabschwächung stärker eingepreist als bei den Large Caps?

Ja, denn diese sind mehr inländisch orientiert. Mit dem Ukraine-Krieg hat dies die europäische Wirtschaft hinsichtlich der Energieversorgung geschwächt. Obwohl sich die Lage normalisiert hat, schadet es der sich verlangsamenden Wirtschaft immer noch. Doch auch sektorale Gegebenheiten schlagen sich bei den europäischen Small und Midcaps durch. So wurde gerade der Immobilienmarkt stark durch die angestiegenen Zinsen getroffen.

Von der Geldpolitik kommt auch keine Unterstützung…

Die Geldpolitik war in Europa während des letzten Jahrzehnts sehr unterstützend. Dies hat sich jetzt normalisiert, was die Bewertungen hat korrigieren lassen. Ein Grossteil dieser Bewegung liegt aber auch hinter uns.

Was bedeutet das für das Investieren?

Ich glaube an die Wertschöpfung - von europäischen Small und Midcaps insbesondere. Es ist schwierig, taktisch am Aktienmarkt zu agieren und den richtigen Zeitpunkt zum Kauf oder Verkauf zu finden. Aber klar: Die Konjunkturlage ist zwar eher eingetrübt, aber der Gegenwind durch die Geldpolitik ist sicherlich verschwunden.

Was zeichnet ein gutes Investment aus?

Das entsprechende Unternehmen hat in seinem Sektor einen Wettbewerbsvorteil, einen Burggraben. Dieser Vorteil kann tiefere Kosten, treue Kundenbasis oder Technologieführerschaft beinhalten. Ebenfalls wichtig ist ein Management, das dem Aktionariat und nicht nur sich selbst verpflichtet ist. Dies geht meistens mit Ankeraktionären einher, die eine langfristige Strategie etablieren können.

Wie sieht es mit ESG (Environmental, Social und Governance) aus?

Auch dies ist immer wichtiger. Wir präferieren ESG-Darlings. Nicht die Klassenbesten, sondern die ESG-Verbesserer. Wenn sich ein Unternehmen hier verbessern kann, zieht dies auch neue Investitionen an, was sich an der Aktienperformance widerspiegelt.

Wie gewichten Sie das Bewertungsniveau bei Ihren Investmententscheidungen?

Wir sehen viele Investoren mit einem starken Wachstums-Bias, was in den letzten zehn Jahren sehr gut funktioniert hat. Doch das Regime hat sich geändert. Jetzt ist es wichtig, eine Bewertung nicht über zu bezahlen.

Mögen Sie Warren Buffett?

Warren Buffett ist ein grosser Kommunikator und Lehrer. Die Hauptlehre dabei ist: “Verstehe das Geschäft, in das du investiert bist.” Man soll gute Unternehmen zu attraktiven Preisen kaufen.

Was sind die grössten Fehler, die man beim Investieren machen kann?

Man muss bezüglich des Einstiegspunkts vorsichtig sein. Auch sollte man Investment-Hypes, die für Trader interessant sind, meiden. Man sollte nicht zu viel Kaufen und Verkaufen, das nützt nur dem Broker.

Zu ihren Fond-Positionen gehören VZ Holding und Also Holding aus der Schweiz. Was überzeugt Sie an diesen Unternehmen?

Beide Unternehmen haben eine gute Aktionärsstruktur und daher eine langfristige Vision. VZ und Also haben einen Wettbewerbsvorteil. VZ ist auf die Vermögensverwaltung von vermögenden Individuen in der Schweiz fokussiert. Also ist einer der grössten IT-Dienstleister in der Welt. Sie haben eine privilegierte Beziehung zu den Anbietern und den Endkunden.

Sehen Sie andere interessante Investments in der Schweiz?

Ich bewundere die Schweiz sozial und ökonomisch sehr. Und der Aktienmarkt hat qualitativ hochstehende Titel. Doch die Bewertung ist derzeit eher hoch und daher ist ein Investment tendenziell teuer. Der Dienstleister DHSK ist ein interessanter Kandidat mit einem attraktiven Bilanz, die weitere Zukäufe zulässt.

Derzeit ist die Energiewende ein grosses Thema in Europa. Können Sie ein Beispiel nennen, das Sie im Bereich der erneuerbaren Energien favorisieren?

Dies wäre Fugro, das hauptsächlich Dienstleistungen zur geophysikalischen, geotechnischen und Altlasten-Untergrunderkundung und zur Exploration von Rohstoffen erbringt. Diese Dienstleistungen benötigt man auch beim Bau einer Offshore-Windfarm. 

Don Fitzgerald, CFA (Chartered Financial Analyst), ist Absolvent des Trinity College in Dublin. Er begann seine Karriere 1996 bei der Citigroup, zunächst in Dublin, dann in Frankfurt und Paris. Im Jahr 2003 wechselte er zur WestLB Paris als Investor im Bereich Distressed Debt und im Jahr 2007 zu Tocqueville Finance. Von 2008 bis August 2015 verwaltete er den Fonds Tocqueville Value Europe, der laut Quantalys in seiner Kategorie über 1, 3 und 5 Jahre eine Performance im ersten Dezil erzielte. Im Mai 2015 wurde er von REVENU mit dem Silberpreis für risikobereinigte Renditen im europäischen Aktiensegment über 3 Jahre ausgezeichnet. Don ist dreisprachig und hat in Dublin, Paris, London und Frankfurt gearbeitet. Im September 2015 stiess er zu DNCA Finance.

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