Roche befindet sich - zumindest an der Börse - in einer veritablen Krise. Der Genussschein des Pharmakonzerns ist Mitte Februar nach Bekanntgabe der Jahreszahlen 2023 bei knapp 220 Franken auf den tiefsten Stand seit Mitte 2018 gefallen. Im April erreichte der Kurs des Genussscheins noch einen Wert von rund 400 Franken.

"Wir sind mit der Kursentwicklung nicht zufrieden", stellte Roche-CEO Thomas Schinecker an der Generalversammlung des Pharmakonzerns am Dienstag in Basel zunächst nüchtern fest. Der Konzern müsse die Produkte-Pipeline weiter stärken und verwies auf die hoffnungsvollen Produkte in der Pipeline. 

Severin Schwan, Verwaltungsratspräsident von Roche und früherer CEO, ging etwas ausführlicher auf die Kursmisere der Roche-Papiere ein. Schwan lobte in seiner Eröffnungsrede zunächst die "starke Leistung" der Firma im Geschäftsjahr 2023 in den Sparten Pharma und Diagnostics, welche auch die eigene Erwartungen übertroffen hätten. Aus diesem Grund könne die Firma nun auch die Dividende erhöhen, zum 37. Mal in Folge.

Dann, mit einer kurzen Pause und einem leichten Seufzer, richtete sich Schwan die anwesenden Aktionärinnen und Aktionäre: "Sie werden sich zurecht fragen: Warum äussert sich dies nicht im Aktienkurs?" Ein leichtes Raunen geht durch den Saal der Messe Basel.

Schwan sieht vor allem zwei Gründe für die Kursschwäche: Das eine sei das "abrupte Ende" der Corona-Pandemie. Dieses kam für viele Leute laut Schwan schneller als erwartet.

"Bis Anfang 2022" zahlte man für den Genussschein noch Höchstkurse, so Schwan. Wie andere Firmen, die Covid-19-Produkte auf den Markt brachten, profitierte der Roche-Kurs "überproportional". Entsprechend überproportional sei Roche dann auch vom abrupten Ende der Pandemie betroffen gewesen , so Schwan.

In der Corona-Pandemie verdiente Roche mit Medikamenten und Tests gutes Geld. Allein im Jahr 2021 nahm Roche mit den Tests insgesamt 4,7 Milliarden Franken ein. Der Konzerngewinn betrug in diesem Jahr knapp 15 Milliarden Franken. 

Schwan gab aber auch zu, dass es bei Roche zu Rückschlägen in der Medikamentenentwicklung gekommen sei. "Für die langfristige Entwicklung von Roche ist die ständige Erneuerung unseres Portfolios von ganz entscheidender Bedeutung."

Roche will den Markt mit Erfolgen wieder von der nachhaltigen Innovationskraft von Roche zu überzeugen. Schwan bat die anwesenden Aktionärinnen und Aktionäre mit Blick auf den Börsenkurs von Roche um Geduld: "In unserer Branche brauchen Veränderungen Zeit, um ihre volle Wirkung entfalten zu können. Ich bin überzeugt, dass diese Erfolge kommen werden", sagte Schwan. Roche verfüge über eine breite Produktpipeline.

Kritische Aktionärin: «Roche ist zu träge geworden»

Aus Sicht von Beobachtern litten die Roche-Papiere nach den umsatzträchtigen Pandemiejahren zunächst vor allem unter Umschichtigen in Aktien der Lokal-Konkurrenz Novartis und zuletzt auch in Aktien von Konzernen mit Schlankmacher-Medikamenten wie Eli Lilly oder Novo Nordisk. In diesem Bereich hat Roche noch kein grösseres Geschäft aufgezogen. 

Bei den Wortmeldungen zum Jahresbericht 2023 kritisierte eine Aktionärin aus Hamburg die Umsatz- und Gewinnentwicklung von Roche in den letzten zehn Jahren. Der Konzerngewinn sei in dieser Zeit nur um 23 Prozent gewachsen. "Das ist doch recht mager", so die Aktionärin. Roche sei zu träge geworden.

Schwan verwies in seiner Antwort auf den starken Schweizer Franken. Dieser bedeutete ein "massiver Nachteil gegenüber den US-Konkurrenten, die ihre Gewinne im Gegensatz zu Roche in Dollar" ausweisen, was zu grossen Abweichungen führe. Deshalb sollten solche Vergleiche auf Basis konstanter Währungen gemacht werden. 

Die anwesenden 635 Aktionärinnen und Aktionäre, die 77,02 Prozent des Aktienkapitals vertraten, stimmten allen Anträgen des Verwaltungsrates zu. Sie genehmigten die Jahresrechnung und die Konzernrechnung 2023, den Vergütungsbericht sowie den Nachhaltigkeitsbericht, ebenso der Gesamtsumme der Boni der Konzernleitung und des Verwaltungsrates sowie der künftigen Vergütungen der Konzernleitung und des Verwaltungsrats.

 

 

 

Daniel Hügli
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