Es ist ein mittelgrosses Beben in Baar ZG: Nach gerademal etwas mehr als drei Jahren verlässt Ascom-Chef Holger Cordes das Unternehmen. Er wolle sich beruflich neu orientieren, so ist der Medienmitteilung zu entnehmen.
Eigentlich sollte der als erfahrener Branchenkenner geltende Cordes den Anbieter von Telekommunikationslösungen für Spitäler zum Erfolg führen. Zum Fliegen kam das Tagesgeschäft allerdings nie. Die firmeneigenen Zielvorgaben erwiesen sich jeweils als zu ambitioniert.
Als Cordes Ende April 2016 zum Firmenchef ernannt wurde, kostete die Ascom-Aktie noch 16 Franken. Am heutigen Montag steht sie einiges tiefer. Angesichts der wenig erbaulichen Nachrichtenlage taucht ihr Kurs zur Stunde noch um 17,3 Prozent auf 10,70 Franken und damit auf dem tiefsten Stand seit dem Frühjahr 2013.
Der Grund liegt indes wohl weniger beim Rücktritt des Firmenchefs als vielmehr bei der schwachen Geschäftsentwicklung in der ersten Jahreshälfte. Eigenen Angaben zufolge erlitt Ascom einen Umsatzrückgang auf 137 Millionen Franken. Die eigentliche Enttäuschung ist aber der Einbruch der operativen Marge (EBITDA) auf gerade mal 1 Prozent.
Analysten sind enttäuscht
Analysten gingen für das gesamte Geschäftsjahr 2019 bisweilen von einem Umsatz von 330 Millionen Franken und einer operativen Marge (EBITDA) von fast 14 Prozent aus. Beides scheint nun ziemlich utopisch. Dasselbe gilt für das bis Ende 2020 kommunizierte Ziel einer operativen Marge von 20 Prozent.
In einer ersten Stellungnahme bezeichnet die UBS den vorliegenden Zahlenkranz für das erste Halbjahr als "schwach". Wie die grösste Schweizer Bank vorrechnet, müssen Analysten ihre diesjährigen Gewinnschätzungen um 25 Prozent oder mehr zusammenstreichen. Die UBS stuft die Aktie denn auch weiterhin mit "Sell" und einem 12-Monats-Kursziel von 12 Franken ein.
Auch die Zürcher Kantonalbank sieht im schwachen Halbjahresergebnis eine Enttäuschung und ortet die Gründe im Grosskunden- sowie im Servicegeschäft. Das Anlageurteil lautet wie bis anhin "Marktgewichten".
Ähnlich verhalten tönt es bei der Bank Vontobel. Die Zürcher Bank hatte schon früher Bedenken hinsichtlich des Ziels einer operativen Marge von 20 Prozent bis Ende 2020 und sieht sich nun darin bestätigt. Das Kursziel von 15,50 Franken für die mit "Hold" eingestufte Aktie dürfte nach unten angepasst werden.
Dass die Aktie nicht noch stärker unter Druck gerät, erklären sich Beobachter mit der steigenden Wahrscheinlichkeit, dass Ascom nun verkauft werden könnte. Als mögliche Käufer werden Unternehmen aus der Private Equity Industrie genannt.
Wurde der Druck aus dem Aktionariat zu gross?
Einem Verkauf des Unternehmens nicht abgeneigt wäre wohl Veraison. Der für seine aktive Einflussnahme bei Firmen bekannte Vermögensverwalter hält gut 8 Prozent an Ascom und ist damit als grösster Einzelaktionär nach der Fondstochter der UBS mit 6 Prozent. Mit dem früheren Sonova-Chef Valentin Chapero verfügt Veraison über einen eigenen Vertreter im Verwaltungsrat.
Erst im März dieses Jahres übten Vertreter des Vermögensverwalters öffentlich harsche Kritik an Ascom. Man habe kein Vertrauen mehr in die aktuelle operative Führung, so hiess es damals im Anschluss an einen enttäuschenden Zahlenkranz für 2018 (cash berichtete). Es müssten alle Optionen geprüft werden, also auch ein Verkauf, liess Veraison denn auch verlauten.
Beobachter glauben denn auch, dass der erfolgsarme Cordes auf Druck aus dem Aktionariat hin zurücktreten musste. Ihres Erachtens könnte die Suche nach einem neuen Firmenchef deshalb in einen Verkauf des Unternehmens münden.