In das jahrelange Ringen um das EU-Mercosur-Handelsabkommen mit südamerikanischen Staaten kommt entscheidende Bewegung: Nachdem die EU-Kommission am Mittwoch den nötigen Ratifizierungsprozess eingeleitete, signalisierten Polen und Frankreich ein Einlenken. Das Handelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur-Block gehe in die richtige Richtung, schrieb der französische Handelsminister Laurent Saint-Martin in einem Beitrag auf der Online-Plattform X. Man werde die Verabschiedung nicht mehr verhindern können, sagte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk in Warschau. Regierungssprecher Stefan Kornelius erklärte in Berlin, Deutschland werde im EU-Rat auf jeden Fall mit Ja stimmen, versuche aber, mit Frankreich eine gemeinsame Haltung zu finden.
Die EU-Kommission leitete am Mittag den Ratifizierungsprozess für das Mercosur-Abkommen ein und legte auch das modernisierte EU-Mexiko-Handelsabkommen vor. Nun müssen der EU-Rat mit Zweidrittel-Mehrheit und das Europäische Parlament zustimmen. Damit könnte der Handelsteil des Abkommens, für den die EU allein zuständig ist, in Kraft treten. Für den allgemeineren politischen Teil ist dann jedoch noch die Zustimmung der Parlamente in den 27 Mitgliedstaaten nötig. Auch dies gilt in Frankreich wegen der innenpolitischen Krise als sehr schwierig. Um den innenpolitischen Widerstand in Frankreich, Polen und Italien zu überwinden, legte die EU-Kommission ein Papier vor, in dem EU-Landwirten Hilfen zugesagt werden, wenn es durch eine verstärkte Einfuhr von südamerikanischen Agrarprodukten tatsächlich Marktverzerrungen geben sollte.
Mit dem Abkommen könnte der grösste Freihandelsraum der Welt mit mehr als 715 Millionen Menschen entstehen. Das am 6. Dezember 2024 endgültig ausgehandelte Abkommen mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay gilt gerade angesichts der Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump als geostrategisch wichtig. Das Abkommen würde die Zollsätze zwischen den südamerikanischen und europäischen Staaten drastisch reduzieren. Bisher war eine Zustimmung im EU-Rat aber gefährdet, weil Frankreich, Polen und Italien Nachteile für ihre Agrarsektoren fürchteten.
«Die Kommission hat heute ein Paket zum Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Ländern vorgelegt, das insbesondere eine verstärkte Schutzklausel für Agrarerzeugnisse vorsieht», schrieb der französische Handelsminister nun. Polens Ministerpräsident Tusk betonte, dass man besser um Hilfszusagen kämpfen sollte, weil man ein Inkrafttreten ohnehin nicht mehr verhindern könne.
Das EU-Mercosur-Abkommen sei ein positives Signal, «um die Glaubwürdigkeit der EU in Handelsbeziehungen aufrechtzuerhalten, auch aus geopolitischer Sicht, um Lateinamerika, Südamerika zu stärken», sagte Regierungssprecher Kornelius in Berlin. Die Bundesregierung werde im Rat auf jeden Fall zustimmen. Sie wolle auch die schnelle Ratifizierung des Rahmenabkommens mit Chile, des modernisierten Handelsabkommens mit Mexiko sowie des Investitionsschutzabkommens zwischen der EU und Singapur sowie mit Vietnam durch den Bundestag. «Deutschland hat das Ziel, eine beschlossene Position vor allem mit Frankreich zu erreichen.» Darauf arbeite man hin.
Lob der Wirtschaftsverbände
Von den deutschen Wirtschaftsverbänden kam Lob. «Endlich macht die Europäische Union Fortschritte beim Mercosur-Abkommen. Besonders hilfreich ist die Entscheidung, den Handelsteil separat zu behandeln», teilte Oliver Richtberg, Leiter der VDMA-Aussenwirtschaftsabteilung, mit. «Im Maschinenhandel mit den Mercosur-Staaten liegt die durchschnittliche Zollbelastung auf europäische Exporte bei rund elf Prozent. Das Abkommen sieht vor, diese Zölle in fast allen Bereichen schrittweise auf null zu senken», sagte Richtberg. Das sei gerade in einer Zeit mit hohen US-Importzöllen und Exportkontrollen durch China wichtig.
Der Autoverband VDA und der Bundesverband für Gross- und Aussenhandel (BGA) forderten nun eine schnelle Ratifizierung durch die EU-Institutionen. Die Zollsenkungen würden den deutschen Autobauern nutzen. Gleichzeitig würde der Abbau der EU-Einfuhrzölle den Exporteuren im Mercosur neue Möglichkeiten eröffnen und die dortige Wirtschaft stärken. «Bei dem Abkommen mit Mexiko handelt es sich um eine Modernisierung des bestehenden Freihandelsabkommens, die ebenfalls schon lange verhandelt und erwartet wurde», teilte VDA-Präsidentin Hildegard Müller mit.
(Reuters)