Kommt sie? Oder kommt sie nicht? Bislang galt es unter Ökonomen als ausgemacht, dass Europas grösste Volkswirtschaft von Januar bis März das zweite Quartal in Folge schrumpfen wird und damit in eine sogenannte technische Rezession abgleitet. Doch neue Konjunkturdaten wecken die Hoffnung, dass dies der deutschen Wirtschaft doch erspart bleiben könnte - trotz hartnäckig hoher Inflation, Reallohnverlusten und steigender Zinsen. Was dafür spricht:

PRODUKTION

Das bislang stärkste Signal für die hohe Widerstandskraft der deutschen Wirtschaft kommt von der Produktion. Industrie, Bau und Versorger stellten im Januar 3,5 Prozent mehr her als im Dezember - der kräftigste Zuwachs seit zweieinhalb Jahren. "Dies macht Hoffnung, dass die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal nicht erneut schrumpfen wird", kommentiert Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen den starken Produktionsanstieg. "Das ist ein echtes Lebenszeichen von der Industrie", sagt LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. Solche Zahlen könnten "das Szenario der Winter-Rezession in Frage stellen, von der wir bislang ausgehen". Bei den Ökonomen der Deutschen Bank klingt das ähnlich: "Eine technische Rezession könnte vermieden werden, wenn auch wahrscheinlich nur um Haaresbreite."

LKW-VERKEHR

Dass der starke Produktionszuwachs zu Jahresbeginn womöglich kein positiver Ausrutscher bleibt, darauf deuten die Februar-Daten zum Lkw-Verkehr auf deutschen Autobahnen hin. Die Fahrleistung mautpflichtiger Lastkraftwagen mit mindestens vier Achsen auf Bundesautobahnen stieg kalender- und saisonbereinigt um 2,4 Prozent zum Vormonat. Im Januar hatte es ein Plus von 1,0 Prozent gegeben. Die Lkw-Fahrleistung wird von Ökonomen genau beobachtet: Sie liefert sehr frühe Hinweise zur aktuellen Konjunkturentwicklung in der Industrie, da wirtschaftliche Aktivität auch Verkehrsleistungen erzeugt und benötigt. Der Anstieg ist daher ein erneutes Signal dafür, dass die Konjunktur wieder Tritt fasst.

ENTSPANNUNG BEI MATERIALENPÄSSEN

Die Engpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten sind in der deutschen Industrie so gering wie seit knapp zwei Jahren nicht mehr. "Nur noch" 45,4 Prozent der Unternehmen klagten im Februar noch über Materialmangel, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu seiner monatlichen Umfrage herausfand. "Die fortwährende Entspannung bei den Lieferengpässen gibt der deutschen Industrie positive Impulse und erleichtert das Abarbeiten der Aufträge", sagt der Außenhandelchef der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Volker Treier.

KRÄFTIGE AUSLANDSNACHFRAGE

Die deutschen Exporteure sind auch wegen der anhaltend starken Nachfrage ihres wichtigsten Kunden USA überraschend gut ins Jahr gestartet. Ihre Ausfuhren wuchsen im Januar um 2,1 Prozent im Vergleich zum Vormonat auf 130,6 Milliarden Euro und damit stärker als erwartet. Erwartet wird, dass China nach dem Ende der harten Null-Covid-Politik wieder mehr Waren "Made in Germany" nachfragen wird. Schon im Januar legten die Ausfuhren in die Volksrepublik um 1,4 Prozent zum Vormonat auf 7,7 Milliarden Euro zu. "Bei Deutschlands wichtigstem Handelspartner China löst sich langsam die wirtschaftliche Corona-Starre des Vorjahres auf", sagt DIHK-Experte Treier.

BESSERE STIMMUNG

In den Chefetagen der deutschen Wirtschaft macht sich allmählich Optimismus breit: Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg im Februar bereits das vierte Mal in Folge. "Die deutsche Wirtschaft arbeitet sich allmählich aus ihrer Schwächephase heraus", sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest zu der Umfrage seines Instituts unter 9000 Managern. Das Barometer von S&P Global für die deutsche Privatwirtschaft - Industrie und Dienstleister zusammen - kletterte im Februar über die Wachstumsschwelle von 50 Punkten. "Die deutsche Wirtschaft befindet derzeit auf etwas stabilerem Fundament – eine verbesserte Ausgangslage, mit der viele noch vor kurzem nicht gerechnet hätten", sagt S&P-Ökonom Phil Smith.

Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) - das Daten aus Real- und Finanzwirtschaft sowie Stimmungsindikatoren zusammenfasst - beziffert das Rezessionsrisiko aktuell noch mit knapp 22 Prozent. Zum ersten Mal seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 schaltet der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator auf "gelb-grün", was für ein moderates Wachstum steht.

Selbst wenn es am Ende doch eine milde Rezession geben sollte - ein schwerer Konjunktureinbruch dürfte ausbleiben. Dann stünde zwar das böse "R"-Wort kurzzeitig wieder im Mittelpunkt. Von den tatsächlichen volkswirtschaftlichen Kennziffern her macht es indes keinen sehr großen Unterschied, ob eine Wirtschaft in einem Quartal zum Beispiel um 0,1 Prozent geschrumpft oder gewachsen ist.

(Reuters)