Nach der Zinssenkung durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) auf null Prozent sind die Zinsspannen weiter unter Druck geraten. Die schrittweise Lockerung der Geldpolitik dürfte die Zinsergebnisse der Institute im Gesamtjahr 2025 um Hunderte von Millionen Franken schmälern, erklärt Daniel Geissmann vom Bankenberater zeb. «Nullzinsen sind das Worst-Case-Szenario für die Banken.» Viele Institute dürften Sparmassnahmen ergreifen.
Als Reaktion auf die sinkende Inflation drückte die SNB den Leitzins Mitte Juni auf 0,00 Prozent. Das ist der tiefste Wert aller grösseren Wirtschaftsräume, entsprechend bewegen sich die Banken in der Schweiz in einem schwierigeren Zinsumfeld als etwa in der Eurozone, wo der Einlagensatz bei 2,0 Prozent liegt. Letztmals hatte die SNB im Jahr 2014 faktisch Nullzinsen. Nach einer langen Phase im negativen Bereich ging die SNB dann 2022 wieder zu positiven Zinsen über, von denen die Banken insbesondere 2023 profitierten. «Über die letzten drei Jahre konnten sie dank 'Normalzinsen' ihre Aktiven bewirtschaften und damit klar einen positiven Ergebnisbeitrag erwirtschaften», sagt Kai Trümpler vom Berater Oliver Wyman. «Das dreht jetzt.»
Das traditionelle Hauptgeschäft vieler Banken besteht darin, für Kredite höhere Zinsen zu verlangen, als für Kundeneinlagen zu zahlen. Mit den beiden Zinssenkungen sind die Kreditzinsen gesunken. Um gleich viel zu verdienen, müssten die Institute nun die Zinsen für Girokonten, die bereits seit langem bei null Prozent liegen, in den negativen Bereich senken, was für Kunden faktisch eine zusätzliche Gebühr bedeuten würde. «Das ist eine psychologische Hürde», erklärt Martin Bardenhewer, Finanzchef der Zürcher Kantonalbank, dem drittgrössten Kreditinstitut des Landes. Weil sie diesen Schritt scheuen, der Kunden im Extremfall veranlassen könnte, Einlagen abzuziehen, verdienen die Banken im Zinsgeschäft weniger. «Es ist klar, dass dies auf Dauer voll auf die Profitabilität durchschlägt.» Zu den Auswirkungen auf die ZKB wollte er sich nicht äussern.
Banken berechnen ihre Gewinnspanne bei Einlagen und Krediten unabhängig voneinander, um jedes Geschäft richtig bepreisen zu können. Als Massstab dient dabei der Zins, den Banken einander verrechnen. Nur wenn die Banken bei Einlagen einen tieferen Zins zahlen, als wenn sie das Geld am Kapitalmarkt beschaffen, ist das Geschäft profitabel. Diese Profitabilität steht zurzeit unter Druck.
Zeb-Experte Geissmann schätzt, dass die Margenverengung durch die beiden SNB-Zinssenkungen im März und Juni 2025 die Zinsergebnisse der Banken in der Schweiz im Gesamtjahr um rund 800 Millionen Franken drücken dürfte. Kompensierend wirkten Absicherungsstrategien der Banken, die den Instituten insgesamt rund 140 Millionen Franken einbringen dürften. Entsprechend veranschlagt Geissmann die Belastung der Zinsergebnisse auf insgesamt rund 660 Millionen Franken. 2024 erwirtschaftete die Branche SNB-Angaben zufolge einen Nettozinsertrag von kumuliert rund 20 Milliarden Franken. Die letzte Nullzins-Phase von 2011 bis 2014 drückte die Zinsergebnisse der Banken um kumuliert rund vier Milliarden Franken, so Geissmann. Dieses Mal rechnet er allerdings nicht mehr mit einem gleich starken Effekt, weil die Margen bereits auf einem tieferen Niveau lagen.
UBS-Ökonom Maxime Botteron wies darauf hin, dass auch die relativ flache Zinskurve die Nettozinsmargen drücke. Eine flache Zinskurve bedeutet, dass kurz- und langfristige Anlagen ähnlich verzinst werden. Bei einer normalen Zinskurve sind die langfristigen Zinsen höher als kurzfristige. «Sollte sich die Zinsstrukturkurve im Extremfall weiter verflachen oder umkehren, während der Leitzins der SNB bei null Prozent bleibt, könnten die Banken zunehmend zögern, Kredite zu vergeben, weil die Kreditvergabe unzureichend profitabel werden könnte.»
Banken reichen Belastung weiter
«Banken, die im Zinsgeschäft tätig sind, wie zum Beispiel Sparkassen, sind besonders betroffen», sagt Martin Hess, Chefökonom des Schweizer Bankenverbandes, mit Blick auf die Folgen der Nullzinsen. Zu den Instituten, die vor allem Spargelder einsammeln und Hypotheken vergeben, gehören etwa Raiffeisen oder Valiant, die jeweils über 70 Prozent der Erträge im Zinsgeschäft erwirtschaften. Bei Vermögensverwaltern wie Julius Bär oder Vontobel, die vor allem von Gebühren im Anlagegeschäft leben, sind es rund zehn Prozent, diversifizierte Häuser wie die UBS oder die ZKB, die auch Handel oder Fonds anbieten, liegen dazwischen.
«Das ist eine Belastung für den gesamten Bankensektor, aber letztlich wird das an die Realwirtschaft und die Kunden weitergegeben», erklärt Hess. Ein weiterer Experte geht davon aus, dass die Institute die Margen für Hypotheken und andere Kredite, aber auch die Gebühren für Börsengeschäfte und andere Dienstleistungen leicht erhöhen dürften. «Entsprechend rechne ich damit, dass die Banken rund die Hälfte der Belastung durch die Zinssenkung kompensieren können.»
(Reuters)