Für Klimaschutz-Versprechen ist Öko-Kerosin bei Airlines sehr gefragt: Die Lufthansa bietet auf Langstreckenflügen «Green Fares» mit einem Aufschlag für nachhaltigen Treibstoff. Der Golf-Carrier Emirates liess einen A380-Jumbo mit diesem sogenannten Sustainable Aviation Fuel (SAF) in einem der vier Triebwerke zum Demonstrationsflug in Dubai abheben. Und Virgin Atlantic flog von London nach New York mit 100 Prozent nachhaltigem Kraftstoff im Tank, medienwirksam mit dem britischen Verkehrsminister an Bord. Doch die Werbetrommel für das wichtigste Instrument, das die Luftfahrt zur CO2-Reduktion hat, muss noch lange und noch lauter gerührt werden. Denn in der Praxis tröpfelt das grüne Flugbenzin in verschwindend geringer Menge. Das Problem: SAF ist zu teuer, weil es zu wenig davon gibt - und es gibt so wenig davon, weil die Herstellung so teuer ist. Virgin-Gründer Richard Branson erklärte, es werde noch dauern, bis jeder mit SAF fliegen könne. «Aber irgendwo muss man anfangen», sagte der Luftfahrt-Veteran.

Den Teufelskreis durchbrechen kann nach Meinung von Branchenkennern am besten der Staat, am einfachsten mit Steuerzahlergeld. So fordert der Welt-Airline-Verband IATA eine Anschubfinanzierung von der Politik. «Wir brauchen jede Unterstützung, die wir bekommen können im Roll-out», sagt auch Philipp Furler, Chef von Synhelion. Das Startup aus der Schweiz hat sich auf die klimafreundlichste, aber teuerste Art SAF spezialisiert, einen Power-to-Liquid-Kraftstoff, der aus Sonnenenergie, Wasser und CO2 gewonnen wird. In Jülich entsteht eine Demonstrationsanlage. Die erste kommerzielle Fabrik soll Mitte des Jahrzehnts in Spanien in Betrieb gehen und die Produktion in mehreren Anlagen binnen zehn Jahren auf eine Million Tonnen pro Jahr steigen. Dafür würden mehrere Milliarden Euro gebraucht, erklärt Furler. Mit der Lufthansa-Tochter Swiss, dem Ölkonzern Eni und einigen anderen Firmen gibt es erste Investoren. «Wir müssen Sicherheit schaffen für die Geldgeber, dass sich ihr Investment rentiert.»

Billionen investieren

Wenn die Luftfahrt zwei Drittel der CO2-Reduktion, die sie für ihr Ziel der Klimaneutralität bis 2050 braucht, mit SAF erreichen will, müssen gigantische Summen mobilisiert werden: Nach Schätzung der Unternehmensberatung PwC muss die Nachfrage weltweit bis 2050 auf 325 Millionen Tonnen SAF pro Jahr steigen, was bis zu 1000 Milliarden Dollar an Investitionen erfordere. Andere Branchenschätzungen zum Finanzbedarf reichen von 1'450'000'000'000 bis 3'200'000'000'000 (1,45 bis 3,2 Billionen) Dollar rund um den Globus. In diesem Jahr liefert ein Dutzend Anlagen IATA zufolge eine halbe Million Tonnen SAF, was gerade 0,2 Prozent des benötigten Treibstoffs sind. In der Europäischen Union (EU) sollen ab 2025 zwei Prozent SAF dem Kerosin in Flugzeugtanks beigemischt werden. Das Etappenziel für 2030 sind sechs Prozent, wofür drei Millionen Tonnen gebraucht werden.

Das sei aus heutiger Sicht nicht zu schaffen, warnen Lufthansa-Chef Carsten Spohr und sein Amtskollege vom britisch-spanischen Airline-Konzern IAG, Luis Gallego. Der Engpass sei das fehlende Angebot, nicht die Nachfrage. Nach Angaben von IATA haben sich 43 von 320 Airlines weltweit in Abnahmevereinbarungen zum Ankauf von 13 Millionen Tonnen SAF bis 2030 verpflichtet. Die Sorge über das Erfüllen der EU-Quote hält Siegfried Knecht, Vorsitzender des für regenerative Kraftstoffe aktiven Firmenbündnisses Aireg, für übertrieben: «Ich gehe davon aus, dass wir die geplanten Beimischungsquoten in der EU von zwei Prozent ab 2025 und sechs Prozent 2030 schaffen können.» Allein der weltweit grösste Produzent Neste aus Finnland könnte die Einstiegsquote von zwei Prozent abdecken mit seinem biogenen SAF, das aus Fettabfällen hergestellt wird.

Doch auch die Finnen hegen Zweifel auf längere Sicht. In fünf Jahren könnten sie SAF-Kapazitäten aufgebaut haben, die über der Nachfrage lägen, sorgte sich Neste-Manager Jonathan Wood kürzlich auf einer Fachkonferenz. «Um weiter zu investieren, brauchen wir eine gesicherte Nachfrage.» Nach Daten der staatlichen internationalen Luftfahrtorganisation ICAO sind zurzeit gut zwei Dutzend Anlagen in Betrieb. Über 200 weltweit sind angekündigt - ob sie Realität werden, ist noch unklar.

Initialzündung fehlt

Aber woher rührt die Unsicherheit? Dem Quotengesetz der EU folgte im November die Verabredung der ICAO, bis 2030 fünf Prozent der CO2-Emissionen von Flügen durch SAF zu senken. Mehr als 100 Staaten unterstützen das Ziel - doch die Schwergewichte China und Russland oder die Ölproduzenten Saudi-Arabien und Irak ziehen nicht mit. Jo Dardenne, Luftfahrtexperte der Umweltorganisation Transport & Environment kritisierte, dass das Ziel unverbindlich ist und deshalb nur Schall und Rauch.

Vorschriften zu Tankquoten schaffen nach Auffassung von PwC-Luftfahrtexperte Jan Wille allein keine Planungssicherheit. Bei vielen Unternehmen herrsche Unsicherheit zu den SAF-Quoten der EU. Denn ob die Klimaschutzvorschriften unter der nächsten EU-Kommission nicht gekippt werden könnten, sei ungewiss. «Die Initialzündung, jetzt viele Milliarden zu investieren, ist wegen der unsicheren Renditeaussichten noch nicht da.»

Anreize wie Subventionen seien wirksamer als Bestrafungen, um einen Markt zu entwickeln, ist PwC-Experte Wille überzeugt. Einiges an Geld will auch die Bundesregierung in die Entwicklung von SAF-Produktion stecken. Doch das gehört zu den geplanten Klimaschutzausgaben, deren Finanzierung nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts in Frage stehen. Berater Wille hält den Weg der US-Regierung im Rahmen des Inflation Reduction Acts für vorbildlich, nach dem etwa 1,75 Dollar pro Gallone SAF an Steuernachlass lockt. Die Unternehmen hätten das Geld gleich in der Hand, während sie sich in Europa um Fördermittel bewerben müssten, die vielleicht erst zwei Jahre nach dem Antrag bewilligt werden. Investoren betrachteten die USA deshalb als den interessanteren Markt. «Europa sollte das als strategische Industrie betrachten, sonst besteht die Gefahr, ohne eigene erneuerbare Kraftstoffe auskommen zu müssen.» Energieautarkie sei ein sinnvolles staatliches Investment. Die Energiewende koste einfach Geld. «Genauso wie China und die USA diese Dinge subventionieren, wird auch Europa subventionieren müssen.»

(Reuters)