In etwas mehr als 24 Stunden treffen sich die Vertreter der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) in Wien. Nachdem der Preis für ein Fass der Sorte Brent Crude seit Mitte Januar wieder um mehr als 40 Prozent gestiegen ist, sind die Erwartungen an das Treffen hoch. An den Märkten macht sich verständlicherweise Nervosität bemerkbar.

Während sich die meisten Rohstoffstrategen bedeckt halten, sprechen jene der britischen Grossbank Barclays Klartext. Sie nennen nicht weniger als zehn Dinge, welche an den Märkten vom OPEC-Treffen erwartet werden, sie aber für unwahrscheinlich halten:

1. Reduktion der Ölförderquote

Die Experten rechnen nicht mit einer Kürzung der Ölförderquote von täglich gut 30 Millionen Fass. Zum einen sei das geopolitische Umfeld noch immer angespannt und mit möglichen Folgen für das Ölangebot verbunden, zum anderen strebe die OPEC weiterhin Marktanteilsgewinne an.

2. Veränderungen im Wortlaut für die Ölförderquote

Alleine im Mai seien täglich 31,4 Millionen Fass Rohöl gefördert worden, so die Rohstoffstrategen von Barclays. Obschon diese Menge leicht über der offiziell angestrengten Ölförderquote liegt, rechnen sie anlässlich des Treffens nicht mit Veränderungen im Wortlaut.

3. Auf einzelne Länder heruntergebrochene Förderquoten

Alleine schon aufgrund geopolitischer Risiken und fehlender Umsetzungsmechanismen bezeichnen die Experten die von einigen Berufskollegen erwarteten länderspezifischen Förderquoten als sehr unwahrscheinlich. Einen solchen Vorstoss halten sie erst dann für realistisch, wenn sich die Ölproduktion in allen der OPEC angeschlossenen Ländern eingependelt hat.

4. Anhaltspunkte für die zukünftige Förderung im Iran

Iran fördere derzeit 2,9 Millionen Fass Rohöl im Tag, so die Rohstoffstrategen. Bankeigenen Schätzungen werde diese Menge bis ins erste Quartal nächsten Jahres auf 3,4 Millionen Fass steigen. Noch seien allerdings zu viele Unwägbarkeiten, um von der OPEC konkrete Aussagen zur zukünftigen Ölproduktion im Iran zu erwarten.

5. Anhaltspunkte für die zukünftige Förderung im Irak

Ähnlich wird die Situation im Irak beurteilt. Zwar seien die Ölexporte in den vergangenen 12 Monaten um eine Million Fass gestiegen. Die innere Sicherheit im Land sei aber noch immer prekär, weshalb nicht mit Aussagen zur zukünftigen Fördermenge zu rechnen sei.

6. Grössere Verschiebungen beim Ölpreis lostreten

Den Experten zufolge ist es an den Rohstoffmärkten im Vorfeld des OPEC-Treffens zu keinen grösseren Verschiebungen gekommen. Die spekulativen Engagements seien seit März zwar stark angestiegen, hätten sich in den letzten Wochen jedoch auf hohem Niveau stabil entwickelt. Das Treffen selber werde daher wohl keine dramatischen Verschiebungen beim Ölpreis nach sich ziehen.

7. Angriff auf die amerikanische Ölindustrie bestätigen

Dass die OPEC der amerikanischen Ölindustrie Marktanteile abspenstig machen wolle, sei ein offenes Geheimnis. Bislang sei dies von offizieller Seite jedoch mehrfach dementiert worden, so die Rohstoffstrategen. Sie sind sich sicher, dass sich daran so schnell nichts ändern wird.

8. Neuen OPEC-Generalsekretär ernennen

Die Experten sind sich sicher, dass der OPEC-Generalsekretär Abdallah El-Badri als dienstältester Minister weiterhin im Amt bleiben wird. Erst im letzten November wurde El-Badri für ein weiteres Jahr bestätigt.

9. Zielbandbreite für den Ölpreis kommunizieren

Die OPEC werde die Märkte im Glauben lassen, dass diese den Ölpreis bestimmen können, so ist man sich bei Barclays einig. Gerade Saudi-Arabien werde deshalb am bisherigen Wortlaut festhalten, der Ölnachfrage gerecht werden zu wollen. Mit einer Zielbandbreite oder einem Zielwert für das Rohöl rechnen die Rohstoffstrategen daher nicht.

10. Sich mit Russland absprechen

Dass Russland einen Vertreter nach Wien entsendet hat, sorgt für Spekulationen. Mit Absprachen mit der OPEC rechnen die Experten dennoch nicht. Russland werde wie bis anhin die eigenen Interessen wahrnehmen und vermehrt Rohöl in den asiatischen Raum exportieren, so lautet der Tenor.

Nicht zuletzt aufgrund dieser zehn Annahmen prognostiziert Barclays kurz- bis mittelfristig einen stabilen Ölpreis. Beim Rohöl der Sorte Brent Crude wird bis Ende Jahr mit einem Preis von 66 Dollar je Fass gerechnet. Für 2016 prognostiziert die britische Grossbank einen durchschnittlichen Fasspreis von 68 Dollar.