Die Finanzmärkte halten es für sehr wahrscheinlich, dass die Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell auf der geldpolitischen Sitzung am Mittwoch stillhalten werden. Der Leitzins dürfte damit in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent bleiben. In diesem Bereich liegt er bereits seit Dezember - sehr zum Ärger von US-Präsident Donald Trump, der die unabhängige Notenbank zu einer kräftigen Lockerung drängt. Zuletzt verschärfte er den Ton und deutete sogar nicht näher beschriebene Zwangsmassnahmen an.

Trotz höherer Importzölle zog die Inflation zuletzt nur wenig an. Die Verbraucherpreise legten im Mai um 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu, nach einer Teuerungsrate von 2,3 Prozent im April. Ökonomen geben allerdings noch keine Entwarnung bei der Inflation, weil der von Trump ausgelöste Zollschock womöglich erst später zu spüren sein wird. Der US-Präsident hatte im April hohe Sonderzölle für Importe aus Dutzenden Ländern verkündet, die er später teilweise wieder aussetzte. Ein Basiszollsatz von zehn Prozent blieb allerdings bestehen.

«Auch weil die meisten Handelsverhandlungen noch laufen, während das Ende der 90-tägigen Aussetzung der Zölle am 9. Juli näher rückt, dürfte Fed-Chef Powell US-Präsident Trump erneut einen Korb geben», sagte Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege beim Broker RoboMarkets mit Blick auf die nächste Zinssitzung.

Im zweiten Halbjahr dürften die deutlich höheren Zölle voraussichtlich mehr und mehr auf die Preise durchschlagen, so die Einschätzung von Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner: «Wie stark dieser Effekt sein wird, ist dabei sehr unsicher, da noch keine Klarheit hinsichtlich der endgültigen Höhe der Zölle herrscht.» Angesichts dieser unübersichtlichen Lage spreche einiges für weiteres Abwarten.

Fed muss sich weiterhin auf ein schwer vorhersehbares wirtschaftliches Umfeld einstellen

Trump dürfte dies nicht gefallen. Er traf Powell Ende Mai im Weissen Haus, nachdem er den Fed-Chef zuvor als «Narren» und «Dummkopf» tituliert hatte. Bei dem Gespräch sei es um Themen wie Wachstum, Beschäftigung und Inflation gegangen, teilte Powells Büro nach dem Treffen mit.

Powell habe sich mit Blick auf den geldpolitischen Kurs der Fed nicht zu seinen Erwartungen geäussert. Er habe betont, «dass der geldpolitische Kurs vollständig von den eingehenden Wirtschaftsdaten und deren Auswirkungen auf die Aussichten abhängen wird».

Der US-Staatschef liess Powell hingegen wissen, dass er einen Fehler begehe, wenn er die Zinsen nicht senke. «Für Präsident Trump ist die Sache klar: Die Inflation ist tot, und die Weigerung Powells, die Zinsen zu senken, kostet die USA ein Vermögen», analysiert Commerzbank-Ökonom Weidensteiner. Daher fordere der US-Präsident die Fed auf, die Zinsen um einen vollen Punkt zu senken, was aus Sicht Trumps wie «Raketentreibstoff» für die Wirtschaft wäre.

Der USA-Experte Stephan Bales von der Förderbank KfW erwartet jedoch nicht, dass sich die Notenbank bereits am Mittwoch auf ein Zinssenkungsmanöver einlassen wird: «Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sich die Fed weiterhin auf ein schwer vorhersehbares wirtschaftliches Umfeld einstellen muss.» Die Verdoppelung der Stahl- und Aluminiumzölle, neue Zölle gegenüber der EU sowie Trumps Steuersenkungspläne sorgen weiterhin für grosse Unsicherheit über den zukünftigen Inflationspfad.

Entsprechend wird die US-Notenbank den Leitzins nach Ansicht des Experten unverändert belassen: «An dieser Entscheidung dürfte auch das persönliche Treffen zwischen Donald Trump und Jerome Powell im Weissen Haus nichts ändern. Vielmehr dürfte sich Powell durch die jüngste Aussage des Supreme Court gestärkt fühlen.»

Demnach reichten politische Meinungsverschiedenheiten nicht für eine Entlassung des Fed-Präsidenten aus: «Vor weiteren verbalen Angriffen dürfte ihn das jedoch wenig schützen», prophezeit Bales.

(Reuters)