Donald Trump hatte sich mit Deutschland in seiner ersten Amtszeit von 2017 bis Anfang 2021 besonders kritisch auseinandergesetzt - was die damalige Bundesregierung weitgehend unvorbereitet traf. Der jetzige Kanzler Olaf Scholz setzt offiziell auf eine Wiederwahl von Trumps Nachfolger Joe Biden und sein Sprecher warnt vor Spekulationen über mögliche Trump-Entscheidungen. Aber Verteidigungsminister Boris Pistorius räumte kürzlich durchaus ein: "Natürlich beschäftigen wir uns intern mit diesem Szenario." Und CDU-Chef Friedrich Merz sagte: "Auf Deutschland wird sehr viel mehr Verantwortung zukommen für den Fall, dass es in Amerika einen Wechsel im Amt des Präsidenten geben sollte." Man will also gewappnet sein. Nur ist dies nicht so einfach - schon weil Trump als unberechenbar gilt.

Damoklesschwert über Ukraine-Politik

Besonders deutlich zeigt sich die Sorge in der Ukraine-Politik. Trump gilt wegen einer sprunghaften Russland-Politik in seiner ersten Amtszeit als grosses Risiko. Schon jetzt hat sein Nachfolger Biden wegen Widerstands der Republikaner enorme Probleme, ein geplantes milliardenschweres Hilfspaket für die Ukraine durch den US-Kongress zu bringen. Sollten die USA unter Trump als Präsident die Hilfe für die Ukraine völlig einstellen, käme eine enorme Belastung auf die Europäer zu - und Deutschland. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wünscht in einem solchen Szenario eine deutsche Führungsrolle.

Allerdings wiegelt Scholz ab: Deutschland könne als "Mittelmacht" keine militärisch hochgerüstete Supermacht ersetzen. Man müsse gemeinsam als EU handeln. "Diese Führungsverantwortung kann Deutschland sicherlich nicht alleine tragen", stimmt Oppositionsführer Merz zu und fordert engste Absprachen vor allem mit Frankreich. Auf dem EU-Sondergipfel diesen Donnerstag sollen unter anderem endlich in Aussicht gestellte europäische Milliardenhilfen für die Ukraine unter Dach und Fach gebracht werden.

Achillesferse Verteidigungsausgaben

In seiner ersten Amtszeit hatte Trump wiederholt die deutschen Militärausgaben als zu niedrig kritisiert und kurzzeitig mit einer Verlagerung von US-Militäreinrichtungen von Deutschland nach Polen gedroht. Mit der 100-Milliarden-Euro-Kreditlinie für die Bundeswehr ist Deutschland nun aber der Sprung über das Ziel der Nato-Staaten gelungen, jährlich mehr als zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Sicherheit auszugeben. Und mit Blick auf die USA beteuert Finanzminister Christian Lindner, dass die mittelfristige Finanzplanung diese Höhe festschreibe. "Dort wird auch im Jahr 2028 fortfolgend die Ziffer zwei Prozent Wirtschaftsleistung für die Verteidigung stehen", sagte er. Damit soll eine mögliche Angriffsfläche Trumps abgeräumt sein.

Wie geht es in der Nato weiter?

Einen Nato-Austritt der USA befürchtet man in der Bundesregierung nicht, weil ein Präsident Trump dafür eine Zweidrittel-Mehrheit im US-Kongress bräuchte. Aber er könnte die US-Aktivitäten in der Nato herunterfahren, "weil sie den USA nicht so viel bringt", sagte Trump gerade in einer Wahlkampfrede. Das Problem: Den Atomschutzschirm der USA kann niemand in Europa ersetzen, Scholz erteilte Überlegungen nach einer europäischen Atombombe bereits eine klare Absage. Die Europäer haben aber auch viel grundsätzlichere Probleme, nämlich den Mangel an eigener Produktion von Waffen und Munition. "Gerade die Rüstungsindustrie müssen wir leistungsfähiger machen. Das müssen wir in Deutschland verfolgen und in Europa insgesamt - gemeinsam", fordert Verteidigungsminister Pistorius. Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Michael Link (FDP), pocht zudem auf mehr Handlungsfähigkeit der EU. "Wir brauchen in der EU Entscheidungen in der Gemeinsamen Aussen- und Sicherheitspolitik mit qualifizierter Mehrheit, das ist eine Priorität Deutschlands", sagte er kürzlich im Reuters-Interview.

Rückkehr zu Strafzöllen?

Die Wirtschaft ist ein weiteres Feld, in dem eine Vorbereitung auf Trump-II schwierig ist. Der US-Republikaner war in seiner ersten Amtszeit auf Konfliktkurs auch zu deutschen und europäischen Firmen gegangen. Damals war der Ansatz von Bundesregierung und Industrie, ihn erst einmal über die grossen deutsch-amerikanischen Verflechtungen aufzuklären, um das Schlimmste abzuwenden. Vier Jahre später stehen die USA gegenüber einer lahmenden deutschen Wirtschaft aber stärker da, was die Neigung Trumps zu Sanktionen oder Strafzöllen wegen angeblich unfairen Wettbewerbs verstärken könnte.

In der Regierung hofft man, dass etwa der mit Subventionen geförderte Bau von US-Fabriken von Tesla und Intel in Deutschland Trump milde stimmen könnte. Aber als entscheidend gilt vor allem, die für Handelspolitik zuständige EU-Ebene zu stärken. So muss nach den Europawahlen das neue Team an der Spitze der EU-Institutionen schnell stehen, um Trump notfalls Paroli bieten zu können.

Kontaktpflege

Um vorbereitet zu sein, will die Regierung auch die Kontakte mit den USA und dem Trump-Lager wieder verstärken. Kanzler Scholz fliegt nächste Woche nach Washington. Die Regierung pflege auf unterschiedlichsten Ebenen Kontakte auch jenseits der aktuellen Regierung, sagte Transatlantik-Koordinator Link. Er nannte etwa die republikanischen Gouverneure der Staaten Texas, Arkansas und Oklahoma. Der FDP-Politiker warnte aber davor, nur auf Trump zu schauen. "Wir müssen als Europäer selbst handlungsfähiger werden - unabhängig davon, wer die Wahl in den USA gewinnt."

(Reuters)