"Vor 1990 erreichten Aktien die stärkste Rendite im Januar - die Rede war vom sogenannten ‘Januar-Effekt’ - doch die durchschnittliche Performance am Jahresanfang ist über die vergangenen drei Jahrzehnte schwächer geworden", schreiben Anlagestrategen um Andrea Ferrario von Goldman Sachs. 

Der "Januar-Effekt" habe sich in den vergangenen Jahren auf den November verschoben, heisst es im Kommentar der Investmentbank. Im November hat der S&P 500 ein Plus von 5,3 Prozent verzeichnet. Seit Oktober hat der US-Index knapp 11 Prozent dazugewonnen. Angetrieben von Erwartungen an eine wieder weniger straffe Geldpolitik und befeuert von einer in den USA zuletzt sinkenden Inflationsrate sind die Erwartungen gestiegen. Allerdings hat der S&P 500 seit Anfang Dezember wieder einen Rückgang um rund 2 Prozent verzeichnet. 

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Doch wenn ein Januar-Push ausbleibt - ist dann alles schon vorbei? Goldman Sachs sieht den S&P 500 im Januar wieder unter Druck kommen. Von JPMorgan gibt es ähnliche Töne. 

Dort ist es der zuweilen als Star-Analyst gefeierte Marko Kolanovic, der bei Aktien vorsichtiger geworden ist. In einem Kommentar für Kunden schreibt der Anlagespezialist, dass für den Aktienmarkt zwischen dem heutigen Zeitpunkt und dem Ende des ersten Quartals ein Abwärtsrisiko erwarte. Der konjunkturelle Ausblick für 2023 führe dazu, dass der Finanzkonzern das empfohlene Aktien-Exposure reduziere. 

JPMorgan stuft Aktien nun mit “moderate underweight” ein. Davor galt ein “overweight”. Wie Kolanovic schrieb, reduziert die Bank das Risiko gegenüber Rohstoffen. Mehr alloziert wird dafür bei Unternehmensanleihen und Cash. 

Kolanovics Kommentar erregt auch deshalb Aufsehen, weil er über weite Strecken des Jahres optimistisch geblieben war, obwohl die Kurse immer wieder gefallen sind. Jetzt schreibt er, dass der S&P 500 seine bisherigen Tiefs Anfang 2023 noch einem “austesten” werde. Er geht davon aus, dass die Geldpolitik sehr restriktiv bleibt und die Wirtschaft in eine leichte Rezession falle. Der S&P 500 erreichte im Oktober bei 3491 Punkten sein Tiefst. Derzeit notiert der Index bei 3990 Punkten. 

“Unsere Meinung ist, dass eine Schwäche am Markt und in der Wirtschaft 2023 auftreten dürfte, weil die Notenbanken ihre Geldpolitik zu stark straffen - zuerst in Europa, dann im späteren Jahresverlauf die USA”, schreibt das Team um Kolanovic. Eine Erholung werde erst in der zweiten Jahreshälfte 2023 beginnen. Dann würden die Märkte ihr Augenmerk auf einen besseren wirtschaftlichen Ausblick und bessere Fundamentaldaten bei Unternehmen und im Handel richten.

«Disinflationäres» Umfeld

Einerseits eine sinkende Inflation, aber auch Ausverkauf an den Märkten, steigende Arbeitslosigkeit und ein sich verschlechterndes Sentiment bei den Unternehmen wird die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) zu einem Marschhalt veranlassen, wie die Analysten schreiben. Bis Ende 2023 werde der S&P 500 in die Gegend von 4200 Punkten ansteigen. 

Das von JPMorgan entworfene Szenario ähnelt jenem von State Street Global Advisors. Auch der zu den grössten Vermögensverwaltern zählende Finanzdienstleister mit Sitz in Boston geht von einer wirtschaftlichen Verlangsamung und einem "disinflationären" Umfeld aus: "Beweise, dass sich die Teuerung ausserhalb der Inflationserwartungen bewegt, sind dürftig", heisst es im Marktausblick. Das Risiko liege aber darin, dass die Notenbank die Zügel nächstes Jahr zu stark anziehe. Zinssenkungen der Fed erwartet State Street erst im vierten Quartal. 

Wie Bloomberg anmerkt, hat JP-Morgan-Analyst Kolanovic dieses Jahr mit den meisten seiner Voraussagen falsch gelegen. Zwischenzeitlich sah er den S&P 500 bei 4800 Punkten. Das bisherige Ziel von 4200 würde immer noch einen 5,3-prozentigen Anstieg in den nächsten zweieinhalb Wochen voraussetzen. Richtig lag Kolanovic wiederum bei seinem Rat im Oktober, im "Dip" die gefallenen China-Aktien zu kaufen. Der MSCI China hat seitdem zweistellig zugelegt.

Mit Material von Bloomberg.