Die Belebung am europäischen Markt für Börsengänge in den kommenden Wochen geht Experten zufolge in diesem Jahr an London vorbei. Profitieren dürften dagegen Frankfurt und Zürich, sagten mehrere Berater. So hätten Deutschland und die Schweiz mehrere hochkarätige Börsenkandidaten im Angebot, welche den Markt in Schwung bringen könnten.
«Diese Börsenplätze haben das Potenzial, zu Wegbereitern für Europa zu werden», sagte Markus Meier, Leiter Equity Capital Markets für Deutschland bei der Bank of America. London gerät dagegen ins Hintertreffen. Trotz der jüngsten Reformen steuert der Markt für Börsengänge in der britischen Hauptstadt nach Daten des Börsenbetreibers auf sein bislang schlechtestes Jahr zu.
«Die Pipeline ist sehr deutschlandzentriert», sagte Philipp Suess, Leiter der Aktienkapitalmärkte für Deutschland und Österreich bei Goldman Sachs. In Frankfurt stehen gleich mehrere grosse Unternehmen auf der Liste. So erwägt der Prothesen-Hersteller Ottobock einen Börsengang. Ein weiterer Kandidat ist die Forschungs- und Technologieeinheit der Deutschen Börse, ISS Stoxx.
Auch der Pharmakonzern Stada könnte sich an die Börse wagen. Das Unternehmen wollte eigentlich schon vor der Sommerpause an den Markt gehen und strebte dabei eine Bewertung von mehr als zehn Milliarden Euro an. Das Unternehmen verschob seine Pläne jedoch, nachdem US-Präsident Donald Trump mit seinem Zollchaos Investoren verschreckt hatte. Inzwischen hat sich die Lage am Markt aber wieder beruhigt.
Martin Thorneycroft, Fachmann bei Morgan Stanley, sagte, er stelle sich auf eine betriebsame Zeit ein. «In Nordeuropa haben wir vier oder fünf Geschäfte, die in den ersten drei Septemberwochen anstehen», sagte Antoine Noblot, bei BNP Paribas für das Kapitalmarktgeschäft in Nordeuropa zuständig.
Swiss Marketplace Group vor Entscheid
In Zürich erwägt Insidern zufolge die Swiss Marketplace Group eine Erstnotiz. Das Unternehmen erklärte dazu, seit der Gründung 2021 hätten sich die SMG und ihre Anteilseigner dazu geäussert, einen Börsengang anzustreben. Entsprechende Vorbereitungen seien ergriffen worden. Allerdings sei bislang keine Entscheidung zu einem möglichen Börsengang oder einem Zeitpunkt dafür getroffen worden.
Banker erwarten zusätzlich mehrere Abspaltungen bereits börsennotierter Unternehmen, wie die Continental-Autosparte Aumovio und die ThyssenKrupp-Sparte Marine Systems. Auch der Stromnetzbetreiber Tennet könnte einen Minderheitsanteil seines Deutschlandgeschäfts abgeben. Drei Banker halten es zudem für möglich, dass einige Unternehmen über ein beschleunigtes Platzierungsverfahren zurück an die Börse gehen, wie es der Panzergetriebehersteller Renk im Februar 2024 getan hat.
Seit Jahresauftakt haben Unternehmen Dealogic-Daten zufolge ungefähr 7,2 Milliarden Dollar bei Börsengängen in Europa aufgenommen, während es in den USA rund 41 Milliarden Dollar waren. London ist mit gerade einmal 208 Millionen Dollar weit abgeschlagen. Seinen Spitzenplatz musste der Standort abgeben.
Banker setzen ihre Hoffnungen nun auf eine Reihe kleinerer Börsendebüts. Darunter ist der italienische Lebensmittelhersteller NewPrinces, der erklärt hat, einen Börsengang für einen Teil seines Geschäfts in London zu erwägen.
(Reuters)