(Neu: Bailey, Ökonomen, Hintergrund)
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Leitzins steigt um viertel Punkt auf 4,5 Prozent
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Notenbank kämpft mit zwölfter Anhebung in Folge gegen Inflation
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Bailey: "Wir müssen Kurs halten"
London, 11. Mai (Reuters) - Die hartnäckig hohe Inflation in Großbritannien zwingt die Bank von England zu einer immer strafferen Zinspolitik. Die Währungshüter um BoE-Chef Andrew Bailey erhöhten den geldpolitischen Schlüsselsatz am Donnerstag um einen Viertel-Punkt auf 4,50 Prozent. Dies ist das höchste Niveau seit 2008. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten mit der Erhöhung gerechnet. Es war bereits die zwölfte Anhebung in Folge. "Wir müssen Kurs halten", betonte Bailey vor der Presse. Die Inflation sei noch zu hoch. Mit höheren Zinsen versucht die Notenbank, die alarmierend hohe Teuerung in den Griff zu bekommen. Sie könnte nach Ansicht mancher Experten nachlegen.
Die Inflationsrate ist mit zuletzt 10,1 Prozent die höchste in Westeuropa: Sie liegt in Großbritannien als einzigem Land in der Region im zweistelligen Bereich. Die BoE wandelt mit der Zinserhöhung auf den Spuren der Federal Reserve in den USA, die angesichts weiter eingedämmter Inflationsgefahren jedoch auf eine Pause zusteuern dürfte. Ob die Notenbank in London in puncto geldpolitischer Straffung nun bereits das Ende der Fahnenstange erreicht hat, bleibt hingegen ungewiss. In der BoE war die aktuelle Erhöhung umstritten - mit Swati Dhingra and Silvana Tenreyro votierten zwei Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses für gleichbleibende Zinsen.
Die Experten der US-Investmentbank Goldman Sachs gehen davon aus, dass die Zinsen noch weiter steigen werden - auf bis zu 5,0 Prozent im August. Der weiterhin hohe Inflationsdruck spreche ebenso dafür wie die relativ robuste Wirtschaft, die nicht in die von vielen Ökonomen befürchtete Rezession abgerutscht sei.
REZESSION VOM TISCH?
Auch die Notenbank rechnet nun nicht mehr mit einer solchen Talfahrt der Wirtschaft. Sie erwartet ein Wachstum beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr von 0,25 Prozent. Im Februar hatte sie noch ein Minus von 0,5 Prozent prognostiziert.
Zugleich erwartet sie, dass die Inflation langsamer sinken wird als erhofft. Zum Jahresende dürfte die Teuerungsrate laut BoE noch etwas über der Fünf-Prozent-Marke liegen. Im Februar hatte die Notenbank noch einen Wert knapp unter vier Prozent veranschlagt: Sollte es Anzeichen für einen hartnäckigeren Inflationsdruck geben, wäre eine weitere Straffung der Geldpolitik aus Sicht der BoE erforderlich. Bailey betonte, falls nötig, würden die Zinsen weiter angepasst, um die Inflation nachhaltig zum Notenbank-Ziel von 2,0 Prozent zu bringen.
Dabei werde auch berücksichtigt, dass sich die geballten Zinserhöhungen seit Ende 2021 in den kommenden Quartalen stärker auf die Wirtschaft auswirkten. Doch gebe die Notenbank keinen direkten Hinweis auf einen Zinsschritt. Sie werde sich vielmehr von den Wirtschaftsdaten leiten lassen, erläuterte Bailey.
"Die neue Inflationsprojektion zeigt, dass es beim Leitzins weiter aufwärts gehen kann", meint Chefökonom Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Auch wegen des hohen Lohndrucks dürfte die Notenbank seiner Ansicht nach auf dem Sprung bleiben. Die jüngsten Tarifrunden lassen in der BoE die Sorge aufkommen, dass sich die Inflation in der Wirtschaft auf breiter Basis festsetzen könnte. Dies ist der Fall, wenn Unternehmen ihre gestiegenen Lohnkosten über die Preise weitergeben und sich die Inflation so hochschaukelt.
Laut Bailey dürften solche sogenannten Zweitrunden-Effekte nicht so schnell wieder verschwinden, wie sie aufgetreten sind. Ein Teil des Inflationsschubs geht allerdings auf die starke Abhängigkeit des Landes von importiertem Erdgas zur Energiegewinnung zurück, das sich infolge des Ukraine-Krieges stark verteuert hat. Dieser statistische Effekt wird voraussichtlich in den Teuerungszahlen der kommenden Monate eine weniger große Rolle spielen.
Die Inflation sollte aus Sicht der Notenbank in den nächsten Monaten zwar deutlich sinken, jedoch bleibe das Risiko bestehen, dass die Zweitrundeneffekte des Energiepreisschocks auf Löhne und heimisch produzierte Güter langsamer zurückgingen, erklärte LBBW-Ökonom Dirk Chlench. "Infolgedessen halten sich die Währungshüter die Option offen, gegebenenfalls die Leitzinsen nochmals anzuheben."
(Bericht von David Milliken und Andy Bruce, geschrieben von Reinhard Becker, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)