«Alle unterstützen den Waffenstillstand und den Zugang zu humanitärer Hilfe», sagte Cassis vor den Medien in Kuwait. Denn die Situation sei nicht mehr auszuhalten gewesen. «Es war wirklich höchste Zeit», sagte der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten.

Die Zuversicht des US-Präsidenten teilen die von ihm bereisten Länder demnach jedoch nicht. Die arabischen Länder seien sich bewusst, dass viele Elemente, wie die Entwaffnung der Hamas, sehr komplex seien. Es bestünden weiterhin Zweifel daran, wie diese Entwaffnung durchgeführt werden solle. Um dies friedlich zu erreichen, denken die Länder darüber nach, welche Bündnisse sie schliessen müssen, wie Cassis sagte.

In dieser von Spannungen geprägten Region des Nahen Ostens ist weiterhin Vorsicht geboten. Der Irak beispielsweise, der sich nach vielen Jahren des Konflikts im Wiederaufbau befindet, will seine relative Stabilität bewahren.

Der US-Friedensplan zur Beendigung des Gaza-Kriegs, zu dem in einem ersten Schritt die seit dem 10. Oktober geltende Waffenruhe gehört, sieht in einem zweiten Schritt die Entwaffnung der islamistischen Hamas vor. Ebenfalls Teil der zweiten Phase ist der Wiederaufbau des palästinensischen Gebiets.

«Realitätsfernes Narrativ»

Bezüglich der Anerkennung Palästinas - die im US-amerikanischen Plan nicht klar zum Ausdruck kommt - blieb der Tessiner Bundesrat während der Reise auf seiner Linie. Die «Perspektive ist eine Zwei-Staaten-Lösung, aber es ist noch zu früh für eine Anerkennung des palästinensischen Staates», sagte der Aussenminister. Die kommenden Monate bis zu den von der Palästinensischen Autonomiebehörde angestrebten Wahlen im nächsten Jahr werden nach Ansicht von Cassis entscheidend sein.

Diese Haltung hätten die arabischen Länder, die er besucht habe, gut verstanden, sagte der Aussenminister. In der Schweiz wächst derweil der Druck. Vergangene Wochen hat ein Komitee von Bürgerinnen und Bürgern mit dem Sammeln von Unterschriften für eine Volksinitiative begonnen, mit der das Schweizer Stimmvolk über eine Anerkennung entscheiden soll.

Der Aussenminister sprach von einer zunehmenden Diskrepanz zwischen dem, was in der Schweiz gesagt werde, und dem, was er anderswo höre. «Das ist keine Schweizer Besonderheit: Unsere europäischen Demokratien sind oft in internen Narrativen gefangen, die von der geopolitischen Realität abweichen», sagte er.

Weitere Hilfe in Aussicht gestellt

Die Schweiz will kurzfristig humanitäre Hilfe in Gaza leisten. Seit der noch fragilen Waffenruhe ist dies möglich. Der Bundesrat hat diese Woche zwei Millionen Franken dazu bereitgestellt. Eine Hilfe, die stärker auf den US-Friedensplan ausgerichtet sei, werde voraussichtlich bis Ende Jahr freigegeben, kündigte Cassis vor wenigen Tagen an.

Die Regierung hat zudem, wie auch andere Staaten, die Überführung von sieben verletzten Kindern aus Gaza in die Schweiz organisiert, damit sie dort medizinisch versorgt werden können. Die Kinder werden seit Freitagabend in sechs Schweizer Spitälern behandelt. Rund 15'000 weitere Personen - darunter 4000 Kinder - müssten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge zur medizinischen Versorgung ebenfalls aus dem Kriegsgebiet gebracht werden.

(AWP)