Die Aktien der UBS brachen am Montag zunächst ein, da Anleger die Implikationen der Not-Übernahme des kriselnden Lokalrivalen Credit Suisse zu verdauen hatten. Im Laufe des Vormittags fanden positive Stimmen mehr Gehör und die Papiere stehen am späteren Nachmittag mehr als 2,33 Prozent im Plus. In der Spitze stiegen die UBS-Titel gar um mehr als 5 Prozent. 

Der Deal untergräbt jedoch möglicherweise das Mantra von UBS-Chef Ralph Hamers: UBS ist dramafrei, profitabel und schüttet Geld an die Aktionäre aus. Jetzt liegt der geplante Aktienrückkauf auf Eis, und eine mehrjährige Integrations- und Umstrukturierungsphase steht bevor. Aktionäre fragen sich, ob sich der Aufwand lohnt.

“UBS hat traditionell ein renditestarkes, qualitativ hochwertiges und stabiles Geschäft betrieben”, schrieben die Analysten von Keefe, Bruyette & Woods in einer Einschätzung der Transaktion am Montag. “Die Übernahme der Credit Suisse stellt vieles davon in Frage.”

Nachdem UBS in den letzten fünf Jahren jedes Jahr einen vorhersehbaren Gewinn zwischen 4 und 8 Milliarden Dollar erwirtschaftet hat, muss sie sich nun auf komplexe Aufgaben wie die Auflösung der Investmentbank der Credit Suisse und den Abbau einer noch unbekannten Zahl von Stellen in den nächsten Jahren konzentrieren.

Unwägbarkeiten

Die KBW-Analysten zählten weitere Unwägbarkeiten auf, mit denen UBS nun konfrontiert ist. Diese reichen von der Umsetzung neuer, höherer Kapitalanforderungen aufgrund der grösseren Bilanz und der höheren Risiken über den Ausblick für Aktienrückkäufe, bis zur Nutzung von Liquidität der Schweizerischen Nationalbank. UBS hatte eigentlich geplant, im laufenden Jahr mehr als 5 Milliarden Dollar an Aktien zurückzukaufen.

Andererseits bedeuten der niedrige Preis für die Credit Suisse und die staatlichen Garantien, dass sich die Chancen für UBS deutlich verbessern könnten, sobald sich der Nebel lichtet. Durch den Zusammenschluss entsteht ein Gigant des Wealth Management mit einem verwalteten Vermögen von rund 5 Billionen Dollar.

“Ich glaube, dass UBS hier einen fantastischen Preis bekommen hat, und der Markt wird das bald erkennen”, sagte Jerry Del Missier, Chief Investment Officer von Copper Street Capital, in einem Interview mit Bloomberg TV. “Das Derisking der Investmentbank hatte bereits begonnen und war in vollem Gange.”

Die Schweizerische Nationalbank gewährt der UBS zusätzliche Liquidität in Höhe von 100 Milliarden Franken, während die Regierung in Bern eine Garantie in Höhe von 9 Milliarden Franken für mögliche Verluste aus bestimmten Bilanzposten der Credit Suisse gewährt. Die Schweizer Bankenaufsicht Finma verordnete eine 16 Milliarden Franken schwere Abschreibung an nachrangigen Anleihen der Credit Suisse, um auch Fremdkapital-Investoren an den Kosten zu beteiligen.

“Es ist eine positive Nachricht, dass eine Einigung gefunden werden konnte, da es nicht viele Alternativen gab und eine Verstaatlichung oder Abwicklung der Credit Suisse wahrscheinlich die Risiken für den Sektor erhöht hätte”, meinen die Bank-Analysten von Jefferies, die dem Deal auch positive Seiten abgewinnen können. “Allerdings geht die UBS ein erhebliches Ausführungsrisiko ein.”

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Mit der Société Générale hat eine weitere Bank ihre Einschätzung zur UBS abgegeben. Die Bank reduziert das Kursziel auf 17,50 Franken geht von Kaufen auf Halten. 

Kepler Cheuvreux überprüft das bisherige Rating "Buy" und das Kursziel von 24 Franken für UBS. Die Grossbank werde wohl gegen ihren Willen und ohne Zustimmung der Aktionäre die CS für rund 3 Milliarden Franken in einer reinen Aktientransaktion übernehmen, schreibt Analyst Nicolas Payen. Während die Transaktion auf dem Papier langfristig attraktiv erscheine, entstünden dadurch kurz- bis mittelfristig erhebliche Unsicherheiten über die Verluste bei den nicht zum Kerngeschäft zählenden Vermögenswerten. Vor einer Neubeurteilung müsse er die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Bewertung der UBS zunächst noch einer eingehenden Prüfung unterziehen, so der Experte weiter.

Die erste Kursziel-Änderung für die UBS-Aktie kommt von der Bank Vontobel. Das Buy-Rating bleibt unangetastet, das Kursziel aber wird zusammengestrichen - von 22,50 auf 19,50 Franken. Die Übernahme der CS durch die UBS ändere das Anlageprofil komplett, schreibt Analyst Andreas Venditti. So konnte durch die Transaktion ein Zusammenbruch der CS verhindert werden. Dies hätte massive Folgen für die Schweizer Wirtschaft, den Finanzplatz Schweiz und auch für die UBS gehabt. Es gebe viele Ungewissheiten und erhebliche Risiken. Die Probleme, die den globalen Bankensektor derzeit belasten, seien noch nicht ausgestanden.

Die Zürcher Kantonalbank ist wesentlich optimistischer und geht auf Übergewichten. "Während sich durch die Transaktion das Risikoprofil für UBS erhöht, dürften die potenziellen Vorteile überwiegen. Die Transaktion sollte innerhalb weniger Wochen abgeschlossen werden. Entscheidend wird sein, dass das Vertrauen wiederhergestellt wird, hier führt unsere erste Analyse zu dem Schluss, dass dies gelingen sollte. Das Pro-forma-PTBV (2023E) dürfte auf der Grundlage einer Back-of-the-Envelope-Berechnung etwa 0.6x betragen. Infolgedessen stufen wir die Aktie von «Marktgewichten» auf «Übergewichten» hoch", so die ZKB in ihrem Marktkommentar. 

Etwas weniger optimistisch ist die Bank ODDO BHF, senkt von Halten auf underperfom und reduziert das Kursziel von 21,50 auf 16,80 Franken. 

Bei der Credit Suisse reduzieren die Analysten - Deutsche Bank, Kepler Chevreux - auf ein Kursziel von 0,76 Rappen. 

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"Wir werden unser Aktienrückkaufprogramm aussetzen", sagte Konzernchef Ralph Hamers in einer Telefonkonferenz für Analysten. Bisher hatte die Bank für 2023 den Rückkauf von eigenen Titeln im Volumen von über fünf Milliarden Dollar in Aussicht gestellt.

An der Vorgabe einer stetig steigenden Dividende will UBS aber festhalten.

"Diese Akquisition ist attraktiv für UBS-Aktionäre, aber klar ist - was die Credit Suisse betrifft, ist dies eine Notrettung", erklärte Verwaltungsratschef Colm Kelleher. Er wird auch Präsident der neuen Bank, UBS-Chef Ralph Hamers der CEO. Kombiniert entstehe eine Bank mit einem Volumen von 5 Billionen Dollar an verwalteten Vermögen, wie es weiter heisst.

Nach der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS wird vor allem die Abwicklung von Teilen der Investment Banking (IB) eine grosse Herausforderung, wie Hamers sagte. Noch seien viele Fragen offen. Die Investmentbank der UBS werde auch nach dem Zusammenschluss die
"richtige" Grösse haben, sagte Kelleher. Ein grosser Teil der IB-Bereiche der Credit Suisse soll offenbar nicht weiter verfolgt werden.

Die UBS will auch weiterhin eine "fokussierte" Investmentbank haben, welche die Vermögensverwaltung "optimal" unterstütze. Was strategisch passt, werde zwar behalten, die Mehrheit der "Markets"-Positionen werde aber in einer sogenannten "Non-Core-Einheit" verschwinden. Diese wiederum soll abgewickelt werden.

Was alles in diese Abwicklungseinheit verschoben wird, ist heute noch nicht vollständig definiert: Da sei man dran, sagte Hamers weiter. Sicher dazu zählen die Bereiche, die bereits zuvor von der CS definiert worden waren. Dazu dürften dann noch weitere kommen.

So hatte die Credit Suisse zuvor unter anderem geplant, das Kapitalmarkt- und Beratungsgeschäft unter dem Namen CS First Boston (CSFB) auszulagern. Bis 2025 war ein Börsengang angepeilt worden.

Absicherung bei Verlusten

Das Management äusserte sich nicht dazu, wie lange der Ausstieg aus diesen Investment-Banking-Aktivitäten, welche die UBS loswerden will, dauern könnte. Es dürften aber mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

Sowohl der CEO als auch Finanzchefin Sarah Youngwood betonten zwar, dass es "so schnell wie möglich" gehen soll. Die Bank müsse dabei aber "rational" vorgehen, sagte Youngwood. Gemeint ist, dass es bei dieser Art von Abwicklungen
nebst dem Tempo erstrebenswert ist, möglichst wenig Verlust zu machen.

Sollte es auf einem "klar abgegrenzten Teil" dieses Portfolios zu Verlusten kommen, muss die UBS die ersten 5 Milliarden Franken selber schultern. Der Bund übernimmt die nächsten 9 Milliarden.

Widersprüchliche Angaben gab es jedoch zu möglichen darüber hinaus gehenden Verlusten. Weitergehende Verluste würden auf die Rechnung der UBS gehen, hiess es vom Finanzdepartment. UBS-Konzernchef Hamers sagte an der
Telefonkonferenz hingegen, über die 14 Milliarden Verlust hinaus sei eine "Aufteilungsvereinbarung" vereinbart worden. Sie würden ihm zufolge also geteilt.

Offene Fragen

Unterdessen will die UBS künftig die "Non-Core"-Einheit "transparent" und getrennt vom restlichen Geschäft ausweisen, sagte CFO Youngwood. Indes habe man aber noch nicht alle finanziellen Kennzahlen der kombinierten zwei Unternehmen,
so Hamers. Insgesamt sei das Management derzeit bei allen Aussagen noch eher zurückhaltend und vorsichtig unterwegs. So sei etwa auch der Kostenreduzierungsplan "konservativ modelliert". Offene CS-Rechtsfälle seien derweil angeschaut und berücksichtigt worden.

Er könne heute ohnehin noch nicht alle Fragen beantworten, sagte Hamers. Aber das ganze Team arbeite "hart" daran, dass die offenen Fragen möglichst bald geklärt werden können.

(AWP/Reuters/cash)