«Momentan haben wir noch kein einziges Kilo Sonnenblumenkerne verkauft», sagte der 52-jährige Ryjabinin zur AFP. Dabei sind Sonnenblumenkerne und das aus ihnen gewonnene Öl eines der wichtigsten Exportgüter des Landes. Im Wirtschaftsjahr 2020/2021 stand die Ukraine nach Zahlen des US-Landwirtschaftsministeriums mit 31 Prozent für fast ein Drittel der gesamten weltweiten Sonnenblumenölproduktion. Doch der russische Angriffskrieg hat den Export massiv gestört.
«Die Leute haben Angst, Öl zu transportieren», sagte Ryjabinin, der einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Feldern in den Regionen Dnipropetrowsk und Cherson im Südosten des Landes leitet. «Keiner will das riskieren», sagte er und berichtete, wie sehr auf den Transportschiffen die Furcht um sich greife, auf dem Weg zu den ukrainischen Häfen von russischen Geschossen getroffen zu werden.
Gleichzeitig gebe es angesichts der heiklen Lage Landwirte, die ihre Ernte deutlich unter Wert auf den Markt brächten. Deshalb sei es für ihn sinnlos, jetzt zu verkaufen, sagte er. «Wir warten darauf, dass die Preise hochgehen, dass sich ein Getreidekorridor öffnet.»
Die Sonnenblumenfelder reichen an manchen Orten in der Ukraine so weit das Auge reicht. Im Sommer erinnert die Masse an goldgelben Blüten vor blauem Himmel an die Farben der Landesflagge. Geerntet wird allerdings erst, wenn die leuchtenden Blütenblätter bereits abgefallen sind und der Pflanzenkopf schwärzlich verschrumpelt ist. Unter der heissen Sonne ziehen dann umgerüstete Mähdrescher ihre Bahnen, bevor schliesslich die Kerne aus den vertrockneten Blütenkörben herausgeschüttelt und dann auf Lkw verladen werden.
Etwa zehn Tage wird die Sonnenblumenernte nach Ryjabinins Einschätzung noch dauern. Lagern kann er die Kerne bis zu einem Jahr; dann fangen sie an, säuerlich zu werden. Im Moment allerdings ist die Lagerhalle auch schon mit Weizen gefüllt, verkauft werden kann derzeit lediglich der Raps.
Die Seitenwände der Scheune sind von winzigen Granatsplittern durchbohrt. Eine Betonwand draussen ist übersät mit Einschlägen von einer Streubombe. Hier wurde, so berichtete es Ryjabinin, ein Arbeiter getötet, als er versuchte, in Deckung zu gehen und dabei von einem Splitter ins Herz getroffen wurde. Er sei 26 Jahre alt gewesen und gerade Vater geworden.
Vor dem Krieg habe er noch in neues Gerät investiert, sagte Ryjabinin, so wie andere Landwirte auch. Doch dann besetzten die Russen die Region Cherson. 40 Prozent des 10'000 Hektar grossen Betriebs konnten deshalb zeitweise nicht bewirtschaftet werden.
Nachdem die Ukraine wieder die Kontrolle über das Gebiet erlangt hatte, ging es im vergangenen Winter vor allem darum, das Land wieder nutzbar zu machen und nicht explodierte Kampfmittel zu beseitigen.
Da sich die russischen Truppen nun auf der anderen Flussseite des Dnipro befinden, ist die Lage mittlerweile ruhiger und die gesamte Fläche des Betriebs wieder nutzbar. «Jetzt haben wir wieder etwas Produktion», sagte Ryjabinin - und ist dennoch frustriert. «Wir können sie einfach nicht verkaufen», fügte er hinzu.
(AWP)