Die Politik ringt seit Jahren um eine mehrheitsfähige Lösung, um die Regeln im Kriegsmaterialgesetz zu lockern. Darüber hinaus gibt es Diskussionen um die Wiederausfuhr von Schweizer Waffen. Angestossen wurden diese durch Gesuche von EU-Staaten, die im Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine Schweizer Rüstungsgüter weiterreichen wollten. Der Bundesrat lehnte diese Gesuche mit Verweis auf das geltende Schweizer Recht ab.
Heute ist es nämlich verboten, Schweizer Kriegsmaterial in Länder zu exportieren, die in interne oder internationale Konflikte verwickelt sind. Seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine ist die Schweizer Rüstungsindustrie wegen ihrer strengen Exportregeln unattraktiv und deswegen unter Druck. Das soll sich nun ändern. Schweizer Rüstungsbetriebe sollen beim Export ihrer Güter weniger strenge Regeln befolgen müssen.
Rettungsversuch für Rüstungsindustrie
Eine Allianz von SVP, Mitte und FDP hatte im Vorfeld der Wintersession in der zuständigen Nationalratskommission einen Kompromiss geschmiedet. Dieser fand diese Woche in beiden Parlamentskammern eine deutliche Mehrheit. Der Ständerat bereinigte am Donnerstag die von Pro- und Kontra-Seite als «Lex Rüstungsindustrie» bezeichnete Vorlage. Diese ist damit bereit für die Schlussabstimmungen zum Ende der Wintersession.
Gemäss der nun gezimmerten Vorlage sollen Schweizer Rüstungsbetriebe künftig auch Kriegsmaterial an 25 westliche Länder liefern können, wenn sich diese in einem bewaffneten Konflikt befinden. Auch die Weitergabe von Waffen soll grundsätzlich möglich sein. Der Bundesrat soll ein Vetorecht erhalten - zum Beispiel, wenn er die Neutralität oder die aussen- und sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz gefährdet sieht.
Ähnliche Lockerungen standen vor wenigen Jahren schon einmal zur Diskussion. Unter dem Druck der sogenannten Korrektur-Initiative verzichtete das Parlament schliesslich auf weitgehende Lockerungen der Waffenexportregeln. Die Initiative wurde daraufhin zurückgezogen.
Geänderte geopolitische Lage
Seither hat sich die geopolitische Lage verschärft. Gleichzeitig bangt die Schweizer Rüstungsindustrie um Aufträge aus dem Ausland. Für die Bürgerlichen ist das Grund genug, vorwärtszumachen. Mit den Lockerungen der Waffenexportregeln werde die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz gestärkt, wiederholte Kommissionssprecherin Brigitte Häberli-Koller (Mitte/TG) im Ständerat zum Ende der Debatten das Kernargument der Befürwortenden.
«Die Erlangung der Verteidigungsfähigkeit bedeutet, dass wir unsere eigene Rüstungsindustrie stärken und dafür sorgen, dass unsere Armee die notwendigen Mittel für die Verteidigung unseres Landes erhält.» Eine heimische Rüstungsindustrie könne nur existieren, wenn sie auch exportieren könne, und dies in Staaten, die ein ähnliches Exportkontrollregime kennen wie unser Land. Heute sei das Schweizer Kriegsmaterialgesetz das wohl restriktivste in Europa.
Länder, die systematisch Menschenrechte verletzen oder deren Exporte mit hohem Risiko von Missbrauch oder unerwünschter Weitergabe verbunden sind, sollen auch künftig ausgeschlossen sein. Damit liege nun eine gute, eine ausgewogene Lösung vor, sagte Häberli-Koller. «Die Revision schafft verlässliche, realistische und international anschlussfähige Regeln, die verständlich und umsetzbar sind.»
Verhärtete Fronten
Das sieht die Linke fundamental anders. Mit den neuen Bestimmungen sei die Schweiz nicht mehr neutral, sagte Daniel Jositsch (SP/ZH). Er verwies auf die neue Bestimmung, wonach in Zukunft direkte und indirekte Exporte von Waffen auch in Länder möglich wären, die sich im Bürgerkrieg befinden. An die Adresse der Bürgerlichen hielt Jositsch fest: «Sagen Sie doch einfach, wir exportieren, wenn wir wollen, und geben damit alles auf, was wir bis jetzt gewahrt haben.»
Weiterer Kritikpunkt der Gegner: Auch mit der Reform wäre es weiterhin verboten, Waffen in die Ukraine zu liefern. Wenn zum Beispiel Deutschland in Zukunft von der Schweiz Kriegsmaterial beziehen möchte und bereits klar ist, dass dieses Material anschliessend in die Ukraine oder in ein anderes zu jener Zeit bestehendes Kriegsland geliefert wird, müsste der Bundesrat einschreiten.
«Jetzt, nach endlosen Debatten, lockern wir diese Verschärfung des Kriegsmaterialgesetzes wieder, aber ausgerechnet die Ukraine, die unsere Hilfe wirklich nötig hätte, lassen wir irgendwo im Regen stehen», gab Marianne Binder-Keller (Mitte/AG) zu bedenken. Ihr Votum zeigte, dass sich teilweise auch bürgerliche Politikerinnen und Politiker in einem Dilemma befinden. «Dieses Dilemma müssen wir aushalten, sonst opfern wir das Prinzip der bewaffneten Neutralität», sagte Thierry Burkart (FDP/AG).
Diese Voten im Parlament zeigten einmal mehr: Die Fronten beim Thema Waffenexporte sind klar und verhärtet. Das dürfte sich auch im Abstimmungskampf zeigen. Eine breite linke Allianz wird das Referendum gegen die Lockerungen der Ausfuhrregeln ergreifen. Daher dürfte im nächsten Sommer oder Herbst das Stimmvolk über die Änderungen des Kriegsmaterialgesetzes entscheiden.
(AWP)