Dass die SVP gewonnen hat, ist keine Überraschung. Die Zuwanderung war eines der dominierenden Themen im Wahlkampf. Die Klimafrage rückte etwas in den Hintergrund. Eine Verschiebung in diesem Ausmass war aber nicht erwartet worden. Für Schweizer Verhältnisse ist sie ungewöhnlich, auch wenn die Verschiebungen vor vier Jahren noch grösser waren.

Der SVP ist es offenbar gelungen, über das Thema Migration und Asyl zu mobilisieren. Wegen des zusätzlichen Gewinns der rechten Kleinparteien sprachen Politologen am Wahlabend von einem «Rechtsrutsch mit Protestcharakter». Nach der «grünen Welle» vor vier Jahren herrsche nun «grüne Flaute». Mitte-Links kann sich in der grossen Kammer in Klimathemen für politischen Erfolg nur noch eine Handvoll Abweichler gegen Rechts leisten.

Stärkung des rechten Pols

Insgesamt resultiert im Vergleich zu 2019 eine Stärkung der Ratsrechten um elf Sitze, während die Ratslinke fünf Nationalrätinnen und Nationalräte weniger stellt als bis anhin. Wegen der Verluste von GLP und EVP steht die politische Mitte insgesamt trotz Zugewinnen der Mitte-Partei mit minus sechs Sitzen etwas schwächer da als in der ablaufenden Legislaturperiode.

Anders als nach den Wahlen 2015 werden die Fraktionen von SVP und FDP jedoch keine Mehrheit im Nationalrat haben. Zusammen mit EDU, Lega und der Genfer Protestbewegung MCG kommen SVP und FDP gemäss Endresultaten auf 95 Sitze. Mitte, GLP und EVP erhalten demnach 41 Mandate. SP und Grüne kommen zusammen auf 64 Sitze.

Mit Abstand stärkste Partei im Land bleibt die SVP. Sie kommt neu auf 62 Sitze - ein Plus von neun Sitzen. Die Grünen verlieren fünf Sitze und haben noch 23 Mandate. Noch zehn statt 16 Sitze hat die GLP. Beide grünen Parteien verfügen aber immer noch über eine grössere Gruppe als vor acht Jahren.

Keine Corona-Gegner im Parlament

Die SP gewinnt zwei Sitze hinzu, kommt neu auf 41 Sitze und bleibt zweitstärkste Partei in der grossen Kammer. Die Mitte überholt mit dem Zugewinn von einem Sitz mit 29 Sitzen die FDP, welche 28 Nationalratsmandate stellt, eines weniger als 2019. Der Wähleranteil der Freisinnigen geht seit 2015 stetig zurück. Die neu benannte Mitte-Partei kann über die Summe aus CVP und BDP zulegen und spielt in den nächsten vier Jahren weiterhin die wichtige Rolle der Mehrheitsbeschafferin.

Bei den kleineren Parteien kommt es ebenfalls zu Verschiebungen. Die EVP - derzeit Teil der Mitte-Fraktion - verliert mit Parteipräsidentin Lilian Studer (AG) einen ihrer drei Sitze. Dafür gewinnen kleine Rechtsparteien insgesamt drei Sitze hinzu, zwei davon gehen auf das Konto der Genfer Protestpartei MCG. Die EDU holt in Zürich ein zusätzliches zweites Mandat. Die Tessiner Lega hält ihren einzigen Sitz.

Nicht mehr vertreten im Nationalrat ist die Partei der Arbeit (PdA) und das Linksbündnis Ensemble à Gauche (EàG); sie verloren ihre beiden Sitze. Vom Jahrhundertereignis Covid-Krise bleibt schon kurze Zeit danach gar nichts mehr. Weder die Bürgerbewegungen Mass-Voll noch Aufrecht konnten die Proteststimmung aus den Corona-Jahren in Sitze ummünzen.

PUK-Mitglied nicht wiedergewählt

Auffallend ist das Comeback des MCG im Kanton Genf. Die Protestpartei war bereits von 2011 bis 2019 in der grossen Kammer vertreten. Die personelle Zusammensetzung der neuen MCG-Vertretung im Nationalrat wird vom Ergebnis des zweiten Wahlgangs der Ständeratswahlen abhängen.

Sicher ist: Der ehemalige Staatsrat Mauro Poggia, der von 2011 bis 2013 im Nationalrat gesessen hatte, und Roger Golay, der ihm bis 2019 gefolgt war, kehren unter die Bundeshauskuppel zurück. Poggia hat allerdings auch noch Chancen auf eine Wahl in den Ständerat.

Zu den nicht wiedergewählten Linkspolitikern im Nationalrat gehören unter anderen die Zürcherin Meret Schneider (Grüne), die Freiburgerin Ursula Schneider Schüttel (SP), der Basler Mustafa Atici (SP) und der Neuenburger Denis de la Reussille von der PdA.

Bei den Grünliberalen trifft es unter anderen die Zürcherin Judith Bellaiche, den Zürcher Jörg Mader oder den Genfer Michel Matter nach nur einer Amtszeit. Auch der Luzerner Roland Fischer, der in der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zur CS-Übernahme sitzt, schaffte die Wiederwahl nicht.

(AWP)