Nahezu alle wichtigen Devisenquellen - Erdgasexporte, Tourismus, Überweisungen von Arbeitern aus dem Ausland und nun auch der Suezkanal - sind in letzter Zeit stark unter Druck geraten. "Wenn man all das zusammennimmt, hat man das Gefühl, dass Ägypten auf einen Abgrund zusteuert", sagt Analyst James Swanston vom Finanzaus Capital Economics.
Ägypten benötigt Devisen nicht nur für die Einfuhr lebenswichtiger Güter, um seine Bevölkerung zu ernähren. Das nordafrikanische Land muss auch flüssig bleiben, um Auslandsschulden in Höhe von 189,7 Milliarden Dollar zurückzahlen, die grösstenteils in den vergangenen zehn Jahren angehäuft wurden. Allein in diesem Jahr sind mindestens 42,26 Milliarden Dollar an Rückzahlungen fällig.
Deshalb kommt die Störung des Schiffsverkehrs im Roten Meer durch die Attacken der Huthi-Miliz für Ägypten zur Unzeit. Die Einnahmen, die Reedereien für das Durchfahren des Suezkanals zahlen müssen, brachen in den ersten elf Tagen diesen Jahres um 40 Prozent ein. Im vergangenen Geschäftsjahr, das bis zum 30. Juni lief, bescherten die Suez-Einnahmen Ägypten einen Rekordumsatz von 8,76 Milliarden Dollar.
Die Ratingagentur Moody's reagierte am späten Donnerstagabend auf die neue Gemengelage: Sie senkte den Ausblick von "stabil" auf "negativ" - die Vorstufe für eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes.
Weniger Touristen
Über das Rote Meer verläuft einer der weltweit wichtigsten Schifffahrtswege, der Asien und Europa verbindet. Wegen der wiederholten Angriffe auf Frachtschiffe meiden viele Reedereien wie Hapag-Lloyd und der dänische Rivale Maersk das Rote Meer und den Suezkanal, durch den etwa zwölf bis 15 Prozent des Welthandels gehen. Stattdessen nehmen die Frachter die Route um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas.
Nicht nur die Suez-Einnahmen brechen weg. Derzeit zögern im Ausland lebende Ägyptern mit Überweisungen in die Heimat, die hauptsächlich an Privatpersonen gehen. Der Zentralbank zufolge sanken sie allein von Juli bis September 2023 um knapp zwei Milliarden Dollar. Ein Grund dafür: Auslands-Ägypter zögern, ihre Einkünfte nach Hause zu schicken, weil der offizielle Währungskurs deutlich unter dem Schwarzmarktwert liegt und die Inflation überhandnimmt. Der Schwarzmarktkurs des ägyptischen Pfunds ist von 39 je Dollar vor Ausbruch der Gaza-Krise am 7. Oktober auf etwa 57 gesunken. Der offizielle Kurs liegt seit März bei 30,85 pro Dollar. Zugleich hat die Inflation Rekordwerte erreicht. Aktuell liegt sie bei 33,7 Prozent.
Auch bei den Exporten läuft es alles andere als rund. Die Erdgasausfuhren etwa brachen im dritten Quartal 2023 um zwei Milliarden Dollar ein. Das ist eine Folge der geringeren Produktion, die auch noch auf sinkende Weltmarktpreise trifft.
Mit dem Tourismus dürfte eine weitere wichtige Einnahmequelle nicht mehr so sprudeln. In den Jahren 2022/23 bescherte er noch Rekordwert von knapp 14 Milliarden Dollar. Seit dem Ausbruch des Gaza-Kriegs kommen aber weniger Touristen ins Land. Die Regierung hat dazu für die Monate seit September keine neuen Umsatzzahlen genannt.
Derweil hat die Zentralbank die Druckerpressen angeworfen. Die sogenannte Geldmenge M1, die den Bargeldumlauf und Sichteinlagen in ägyptischen Pfund umfasst, stieg im Jahresverlauf bis Ende November um 37,7 Prozent. Die stark steigende Geldmenge und die Möglichkeit weiterer Abwertungen in diesem Jahr "bedeuten, dass der Inflationsdruck in diesem Jahr hoch bleiben wird", warnt Volkswirt Pieter du Preez von Oxford Economics. Ohne schmerzhafte Reformen dürfte sich das Blatt nicht wenden, sagten Experten. "Wenn sich das Pfund nicht bald bewegt, werden Anleger wahrscheinlich weiterhin davon abgehalten, in die ägyptische Wirtschaft zu investieren", sagt Analyst Swanston.
(Reuters)