(Wiederholung vom Vorabend)

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Bund-Länder-Gipfel einigt sich auf eine Milliarde Euro 2023

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Erst November soll Entscheidung über dauerhaft mehr Hilfen fallen

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Weil: Erwarte im Sommer stark steigende Flüchtlingszahlen

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Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt: Eine Milliarde reicht nicht

- von Andreas Rinke und Alexander Ratz

Berlin, 11. Mai (Reuters) - Der Bund hat Ländern und Kommunen für das Jahr 2023 eine weitere Milliarde Euro für die Flüchtlingshilfe versprochen, macht aber zunächst keine weiteren finanziellen Zusagen für die Folgejahre. Ein Spitzentreffen im Kanzleramt legte fest, dass nun bis November geprüft werde, ob und wie die Forderung der Länder nach einer Anpassung der Bundeszuwendungen an die tatsächliche Zahl der Asylbewerber umgesetzt werden kann. Kanzler Olaf Scholz verwies nach stundenlangen Beratungen mit den 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten darauf, dass der Bund bereits die Kosten für die ukrainischen Kriegsflüchtlinge und anerkannte Asylbewerber übernehme. Im Juni soll ein Zwischenstand der Beratungen vorgelegt werden. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, er rechne mit stark steigenden Asylbewerberzahlen im Sommer. Deshalb werde die Dringlichkeit einer Reform zunehmen. Mit der einen Milliarde Euro soll unter anderem die Digitalisierung der Ausländerbehörden vorangetrieben werden.

Sowohl Scholz als auch der MPK-Vorsitzende Weil und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) lobten die Einigung auf ein 16-seitiges Papier, in dem auch zahlreiche Reformen etwa zur Verfahrensbeschleunigung von Asylverfahren verabredet werden. Die Länder hatten aber ursprünglich keinem Papier zustimmen wollen, in dem die mittelfristigen Finanzfragen nicht geklärt sind. Sowohl Weil als auch Wüst zeigten sich überzeugt, dass man nun im November zu einer Einigung kommen werde.

Die Länder wollen die Rückkehr zu einem Vier-Säulen-Modell, nach dem der Bund die gesamten Unterbringungskosten für Geflüchte, eine monatliche Pro-Kopf-Pauschale und mehr Geld für Integrationskosten und unbegleitete Jugendliche zahlen soll. Der Bund verhandelte jedoch den Passus in das gemeinsame Papier, dass es ein solches "atmendes System" bereits gebe, das sich an der Zahl der Geflüchteten orientiert. Auch Scholz sprach sich in der gemeinsamen Pressekonferenz gegen eine vollständige Rückkehr zu dem bis 2021 geltenden System aus, weil mittlerweile etwa die ukrainischen Bürgerkriegsflüchtlinge in das Bürgergeld aufgenommen worden seien. De Bund leiste Hilfe "weit über seine Verpflichtungen hinaus". Hintergrund der harten Haltung des Bundes ist auch, dass bereits jetzt in der Haushaltsplanung 2024 ein Loch von 20 Milliarden Euro klafft.

Verabredet wurden unter anderem auch eine Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsländer um die EU-Beitrittsaspiranten Georgien und Moldau. Asylverfahren für Antragsteller aus diesen Ländern sollen nach einer Gesetzänderung noch 2023 beschleunigt werden. Beide Personengruppen stellen allerdings nur einen geringen Anteil unter den Asylsuchenden. Hintergrund der Debatte ist vor allem, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in den ersten vier Monaten dieses Jahres bereits 101.981 Asylerstanträge registriert hat. Das sind 78 Prozent mehr als im Vorjahr.

Scholz bezeichnete es als "wichtigsten Teil" des Kompromisses, dass der Bund mit Herkunfts- und Transitländern Migrationsabkommen abschließen will. Dadurch könne die illegale Migration eingedämmt werden, während man den legalen Zuzug von Arbeitskräften fördern wolle. Zudem soll der EU-Außengrenzschutz verstärkt und Asylverfahren in Grenznähe begonnen werden. Der Kanzler sprach sich aber gegen die Idee aus, Flüchtlinge und Migranten bereits in Lagern außerhalb der EU zu sammeln.

Auch Wüst lobte die Ergebnisse, fügte aber hinzu, dass die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zu den Finanzen nur die "zweitbeste Lösung" sei. "Mehr war eben nicht drin", sagte der CDU-Politiker, der dem Bund aber ausdrücklich für die zugesagte zusätzliche Milliarde dankte. Die drei südöstlichen und unions-geführten Bundesländer Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt kritisierten dagegen den Beschluss in einer Protokollerklärung: "Die vom Bund vorgesehene Erhöhung um eine Milliarde Euro ist völlig unzureichend", schreiben sie. Der Bund sei zuständig für die Ordnung und Steuerung des Migrationsgeschehens. Niedersachsen Ministerpräsidnet Weil verwies dagegen darauf, dass auch der Bund nur begrenzten Einfluss auf die tatsächlich kommende Zahl der Flüchtlinge habe. Scholz betonte, dass 80 Prozent der Antragsteller eigentlich in einem anderen EU-Staat ihre Verfahren haben müssten, weil Deutschland gar keine Außengrenzen im Schengen-Raum habe. Asylbewerber müssen sich eigentlich im ersten EU- beziehungsweise Schengenstaat registrieren, den sie betreten. Scholz sagte zu, das notfalls die Binnengrenzen Deutschlands wie an der bayerisch-österreichischen Grenze wieder stärker kontrolliert werden müssten. (Bericht von Andreas Rinke, Alexander Ratz; redigiert von Birgit Mittwollen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)