Mehr als drei Fünftel der Hochspannungsleitungen sind aktuell zwischen 50 und 80 Jahre alt. Sie müssen deshalb in nächster Zeit erneuert werden, wie der Bundesrat schreibt. Hinzu kommt der Aus- und Umbau wegen der Abkehr von fossilen Energieträgern, der zunehmenden Elektrifizierung und der dezentralen Stromproduktion.
Das führt zu mehr Leitungsprojekten, deren Bewilligungsverfahren derzeit mehrere Jahre dauern, was wiederum Engpässe im Stromnetz sowie entsprechende Mehrkosten für Produzenten und Konsumenten verursachen könnte.
Ziel der nun verabschiedeten Revision des Elektrizitätsgesetzes ist die Beschleunigung dieses Ausbaus. Dazu lässt der Bundesrat das Sachplanverfahren bei Ersatz oder Sanierung bestehender Höchstspannungsleitungen auf dem bisherigen Trassee oder auch auf unmittelbar daran angrenzendem Gebiet fallen. Das soll der Netzgesellschaft Swissgrid mehr Planungssicherheit verschaffen.
Vorrang für Stromversorgung
Da Übertragungsnetze im nationalen Interesse liegen, soll bei der Realisierung solcher Anlagen dieses Interesse Vorrang haben. Ausnahmen sind gesetzlich geregelt. Eine Ausnahme gilt etwa bei Biotopen von nationaler Bedeutung.
In jedem Einzelfall ist indessen eine Interessenabwägung weiterhin nötig. Diese kann ergeben, das Schutz- oder Raumplanungsinteressen das Interesse an der Stromversorgung überwiegen.
Bei der Ausdehnung der Verteilnetze vereinfacht die Vorlage den Bau von Trafostationen ausserhalb der Bauzone. Dadurch entfällt gemäss dem Bundesrat die Standortevaluation, was ein zentrales Anliegen der Stromnetzbetreiber erfüllt.
In der Vernehmlassung kam der Verzicht auf ein formelles Differenzbereinigungsverfahren bei bundesinterner Uneinigkeit über eine Plangenehmigung schlecht weg. Im neuen Gesetzesvorschlag sieht der Bundesrat vor, dass innert 30 Tagen nur noch ein Bereinigungsversuch stattfindet. Gibt es keine Einigung, entscheidet die Leitbehörde, also das Bundesamt für Energie.
Die Vorlage verbessert auch die Koordination der Netzplanung. Sie berücksichtigt raumplanerische Aspekte frühzeitig und stimmt sie mit den Kantonen und anderen Betroffenen ab. So lässt sich den Angaben zufolge das Optimierungspotenzial für das Stromnetz rechtzeitig erkennen, was Kosten spart, die Qualität verbessert sowie Planung und Genehmigung beschleunigt.
Kein Freileitungs-Grundsatz
Der Bundesrat verzichtet in seinem Vorschlag auf den Grundsatz, wonach Aus- und Umbau des Stromnetzes über Freileitungen erfolgen muss. Der Grossteil der Kantone und alle Umwelt- und Heimatschutzorganisationen hatten das abgelehnt.
Im weiteren führte der Bundesrat bis Ende März eine Vernehmlassung zu Verordnungsänderungen durch, die ebenfalls zu einer Beschleunigung des Netzausbaus beitragen sollen. Diese ist derzeit in der Auswertung. Dabei handelt es sich um Massnahmen, die unabhängig von der Revision des des Elektrizitätsgesetzes sind und sich mit bereits bestehenden Bestimmungen umsetzen lassen.
Die nationale Netzgesellschaft Swissgrid bedauerte den Verzicht auf den Freileitungs-Grundsatz. Erdkabel stellten im Höchstspannungsnetz eine technische und betriebliche Herausforderung dar. Zudem seien sie teurer. Andere Punkte der von ihr als zentral bezeichneten Vorlage begrüsste sie hingegen, etwa den Verzicht auf Sachpläne. Das beschleunige den Leitungsersatz um bis zu vier Jahre.
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(AWP)