Vor der somalischen Küste ankert die «Abdullah», ein Containerschiff, das unter der Flagge Bangladeschs fährt. Eine Woche zuvor war der Frachter im westlichen Indischen Ozean von somalischen Piraten geentert worden, der Kapitän und der zweite Offizier wurden als Geiseln genommen. Damit ist das Schiff eines der jüngsten Opfer der Piraterie, von der die internationale Schifffahrt dachte, sie sei unter Kontrolle gebracht worden. Nach Angaben eines Vertreters des Aussenministeriums von Bangladesch ist das Land nicht in der Lage, die «Abdullah» durch einen Militäreinsatz zu befreien.

Zu den Angriffen der jemenitischen Huthi-Rebellen auf Schiffe im Roten Meer kommt für die Schifffahrtsbranche die wieder zunehmende Piraterie als Risiko und Kostenpunkt dazu. Seit November wurden 20 Angriffsversuche gemeldet. Laut Daten der EU-Anti-Piraterie-Mission EUNAVFOR Atalanta haben Piraten seitdem mindestens zwei Frachter und zwölf Fischkutter gekapert. Das alles erhöhe die Preise für private Sicherheitskräfte und Versicherungen, sagen fünf Branchenvertreter. Zudem besteht die Gefahr von Lösegeldforderungen. Die Küste vor Somalia am Horn von Afrika ist eine der weltweit am meisten befahrenen Schifffahrtsrouten mit jährlich geschätzt 20'000 Frachtern, die den Golf von Aden auf ihrem Weg zum Suezkanal passieren.

Zwei somalische Gangmitglieder sagten der Nachrichtenagentur Reuters, sie profitierten von der Ablenkung durch die Angriffe der Huthi-Rebellen einige hundert Seemeilen weiter nördlich, um nach vergleichsweise ruhigen Jahren wieder in die Piraterie einzusteigen. «Sie haben diese Chance genutzt, weil die internationalen Seestreitkräfte, die vor der Küste Somalias im Einsatz sind, ihre Operationen reduziert haben», sagte ein Mann mit dem Decknamen Ismail Isseder am Telefon. Er habe zur Finanzierung der Entführung des Frachters «Ruen» im Dezember beigetragen, der wochenlang vor der Küste festgehalten worden war. Die «Ruen» war jüngst von der indischen Marine befreit worden, alle 35 Piraten hatten sich ergeben, die 17 Geiseln waren unverletzt.

Zwar ist die Gefahr durch Piraten derzeit nicht so gross wie zwischen 2008 und 2014, allerdings befürchten somalische Offizielle und Branchenvertreter, dass sich die Lage zuspitzen könnte. «Wenn wir das nicht zu Beginn schon stoppen, kann es wieder so werden wie es war», hatte der somalische Präsident Hassan Scheich Mohamud kürzlich gesagt. Auf dem Höhepunkt der Krise 2011 griffen somalische Piraten 237 Schiffe an und hielten Hunderte Menschen als Geiseln, wie das International Maritime Bureau berichtet.

Die EU-Mission hat fünf Gruppen ausgemacht, die im östlichen Golf von Aden und im somalischen Becken aktiv sind. Sie warnt davor, dass sie nach dem baldigen Ende des Monsuns auch weiter südlich und östlich aktiv werden. Bereits jetzt ist durch die Piraterie das Gebiet, für das die Versicherer zusätzliche Risikoprämien erheben, grösser geworden. Laut Branchenvertretern geht es dabei für rund siebentägige Fahrten durch den Golf von Aden und das Rote Meer um zusätzlich Hunderttausende von Dollar. Die Kosten für private Sicherheitskräfte sind Branchenvertretern zufolge ebenfalls gestiegen - im Februar um 50 Prozent zum Vormonat - und betrugen für ein Team für drei Tage zwischen 4000 und 15'000 Dollar. Während der Nutzen der privaten Sicherheitskräfte gegen die Drohnen- und Raketenangriffe der Huthi, die nach ihrer Darstellung damit die radikal-islamische Hamas im Gazastreifen gegen Israel unterstützen, begrenzt ist, schrecken sie die Piraten ab. 

(Reuters)