«Vereint im Widerstand» lautete das Motto des Feministischen Streikkollektivs Bern. Die Schweiz erlebe zurzeit einen antifeministischen Rückschlag, hiess es in einem Aufruf. Die Zahl der Femizide sei in diesem Jahr stark angestiegen, und in der Politik seien konservative Wertvorstellungen erstarkt.
Gemäss der Nachrichtenagentur Keystone-SDA gingen mehr als zehntausend Menschen in Bern auf die Strasse, um gegen geschlechtsspezifische Gewalt, mehr Mitbestimmung und gleiche Rechte für alle zu demonstrieren. Die organisierende Streikkollektiv sprach von 35'000 Teilnehmenden. Die Umzugsroute führte bei brütender Hitze von der Schützenmatte durch die Innenstadt vors Bundeshaus.
Humor trotz ernster Themen in Zürich
«Ich wär au lieber i de Badi», stand auf dem Kartonschild einer Teilnehmerin in Zürich, die wie viele andere auch unter der Hitze litt. 32 Grad heiss war es am Samstagnachmittag in der Innenstadt. Doch demonstrieren war für sie offensichtlich Bürgerinnenpflicht: Mit Wasserflaschen und Sonnenschirmen ausgerüstet zogen die Teilnehmerinnen von der Rudolf-Brun-Brücke bis zum Helvetiaplatz.
Die rund zehntausend Teilnehmerinnen - und einige Teilnehmer - liessen Zürich in Violett leuchten. Die Themen waren altbekannt, aber immer noch aktuell: Patriarchat, Lohnungleichheit, Gewalt gegen Frauen. Als Seitenhieb auf das männerlastige Sechseläuten gab es einen «Zünftig feministisch»-Wagen. Die Veranstalterinnen sprachen in einem Communiqué am Abend von mehr als 55'000 Demonstrierenden in Zürich.
Basel nimmt Stellung gegen Krieg
In Basel versammelten sich unter dem Motto «Gewalt benennen, Wut bündeln, in Widerstand verbünden» rund 5000 Personen. Mit Transparenten wie «Wenn sich Frauen verbünden, entsteht Freiheit» oder «Frauen auf der Flucht brauchen unseren Schutz» sowie unzähligen lilafarbenen Plakaten und Ballons zog die Demo vom Barfüsserplatz über die Wettsteinbrücke zum Kasernenareal.
Der Feministische Streik Basel positionierte sich auch gegen den Krieg - sei es in der Ukraine, in Gaza, im Kongo, in Kurdistan, im Sudan oder anderswo auf der Welt, hiess es. An der Kundgebung waren auch zahlreiche Palästina-Fahnen zu sehen.
Aufruf zu politischer Teilnahme in Luzern
Auch in Luzern demonstrierten mehrere Tausend Frauen. SP-Stadträtin Melanie Setz rief dazu auf, dass sich Frauen bei den nächsten Wahlen in Position bringen. 2023 hatten die Frauen zwei Sitze in der fünfköpfigen Luzerner Kantonsregierung besetzen können, ein Jahr später in der Stadt Luzern drei und damit eine Mehrheit. «Diese Plätze lassen wir uns nicht mehr nehmen», sagte Setz.
In der Stadt St. Gallen «streikten» rund 2000 Personen. Vor dem Zug durch die Innenstadt protestierten die Teilnehmenden mit einem gellenden Wutschrei gegen Femizide. In der Schweiz habe es in diesem Jahr bereits 15 Femizide gegeben, sagte eine Sprecherin. Auf Schildern stand etwa «Stopp Femizide», «Freiheit, Gleichheit, tschüss Patriarchat» oder «Omas gegen Rechts».
In der italienischen Schweiz versammelten sich in Bellinzona nach Angaben der Veranstalterinnen rund 600 Personen zur Frauenstreik-Demonstration. In der Romandie waren Kundgebungen in Genf, Lausanne und Freiburg geplant. Demonstriert wurden nach Angaben des Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) schweizweit in rund 25 Gemeinden und Städten.
Gewerkschaften fordern «rasche Fortschritte»
«Die Gleichstellung ist in der Schweiz noch lange nicht erreicht», schrieb der SGB am Samstag in einer Mitteilung. Er forderte rasche Fortschritte bei der Lohngleichheit, bessere Löhne in Branchen mit Frauenmehrheit und einen besseren Schutz vor Belästigung am Arbeitsplatz.
Frauen verdienten im Durchschnitt jeden Monat 1364 Franken weniger als Männer, was ein Lohnunterschied von 16,2 Prozent darstelle, so der SGB. Zudem seien in Berufen mit hohem Frauenanteil die Löhne «besonders tief». Gleichzeitig würden Frauen deutlich mehr unbezahlte Arbeit leisten.
Care-Arbeiterinnen legen 2027 Arbeit nieder
«2027 legen wir die Arbeit nieder und zeigen der Gesellschaft, was passiert, wenn Care-Arbeit nicht mehr geleistet wird», schrieb das Feministische Streikkollektiv Zürich in einem Communiqué. Weltweit seien zwei Drittel der bezahlten Care-Arbeitenden Frauen. Care-Arbeit sei das Fundament unserer Gesellschaft. Ohne Sorgearbeit wie Pflege oder Kinderbetreuung gebe es kein Leben. Nun sei Schluss mit der Selbstverständlichkeit.
Der Streik soll genau in zwei Jahren am Montag, 14. Juni 2027, stattfinden. Nächstes Jahr fällt der 14. Juni auf einen Sonntag.
(AWP)