Am Mittwoch fielen die Aktien von Nvidia um über 3 Prozent und lagen damit mehr als 10 Prozent unter den im März erreichten Rekordständen. Neben der Sorge, dass die Marktentwicklung überhitzt sein könnte, belasteten auch Bedenken über eine verzögerte Zinssenkung der US-Notenbank Fed, die schwache chinesische Wirtschaft und enttäuschende Zahlen des niederländische Chipherstellers ASML die Nvidia-Papiere und den gesamten Chip-Sektor. 

Zur Erinnerung: Am 31. Dezember 2022 lag der Aktienkurs von Nvidia an der US-Börse bei 136 Dollar. Nur gut fünfzehn Monate später, am 17. April 2024, schloss der Titel bei 840 Dollar, was einem Anstieg von rund 518 Prozent entspricht. Diese Entwicklung ist äusserst selten, wenn nicht sogar historisch, für ein Unternehmen dieser Grösse. Dadurch ist die Marktkapitalisierung von Nvidia auf 2,1 Billionen Dollar gestiegen. Nvidia ist nun das drittgrösste börsennotierte Unternehmen weltweit, nach Microsoft (3,1 Billionen Dollar) und Apple (2,6 Billionen Dollar).

Wegen der jüngsten Schwächephase sollten Anleger bei Nvidia aber nicht den Notausgang nehmen. So hat der US-Finanzdienstleister Evercore ISI den Titel in dieser Woche auf «Outperform» hochgestuft und ein Kursziel von 1160 Dollar festgelegt, was einem Aufwärtspotenzial von 38 Prozent gegenüber dem aktuellen Niveau entspricht. In seinem Bull-Case-Szenario prognostiziert Evercore, dass die Nvidia-Aktie innerhalb des nächsten Jahres auf 1540 Dollar steigen könnte, was ein Aufwärtspotenzial von 83 Prozent impliziert. Der zuständige Analyst Mark Lipacis betont, dass die Investoren die Bedeutung des von Nvidia geschaffenen KI-Ökosystems aus Chip, Hardware und Software unterschätzen.

Früher Bitcoin-Mining und Computerspiele, heute KI

Früher wurden Nvidias Chips vor allem für Computerspiele und Bitcoin-Mining verwendet, doch heute sind die GPUs für die Entwicklung Künstlicher Intelligenz unverzichtbar. Für das Training und den Einsatz grosser KI-Sprachmodelle wie ChatGPT werden immer grössere Datenmengen benötigt. Denn je mehr Daten analysiert werden können, desto bessere Ergebnisse liefert die KI. Allerdings steigt mit der Menge der zu verarbeitenden Daten auch der Bedarf an Rechenleistung exponentiell an. 

Nvidia wird aufgrund der Leistungsfähigkeit seiner Prozessoren von KI-Akteuren stark nachgefragt. Die Attraktivität von Nvidia ist sogar weiter gestiegen, da die Leistungsfähigkeit seiner GPUs bereits auf Spitzenklasse-Niveau war und sich in den letzten Jahren nochmals deutlich verbessert hat. Diese Entwicklung schlägt sich auf die Geschäftszahlen nieder: Im vierten Quartal 2023 lag der Umsatz mit 22,1 Milliarden Dollar mehr als dreimal so hoch wie ein Jahr zuvor. Der Quartalsgewinn sprang binnen eines Jahres von 1,4 auf knapp 12,3 Milliarden Dollar hoch. 

80 Prozent des Parallelverarbeitungsmarktes bis 2030

Die Hauptthese hinter der optimistischen Einschätzung von Evercore ist, dass Nvidia ein «KI-Ökosystem-Play» ist und als klarer Marktführer bei der neuen Computerplattform agiert, die in den kommenden Jahren gesamtwirtschaftlich Effizienzgewinne bringen wird. Laut Lipacis vereinnahmt ein solches «Ecosystem Play» in der Regel 80 Prozent des Wertes, der in seiner jeweiligen Computing-Ära geschaffen wird, während andere Unternehmen um die verbleibenden 20 Prozent konkurrieren.

Lipacis geht davon aus, dass Nvidia bis 2030 80 Prozent des Parallelverarbeitungsmarktes erobern wird, der einen Wert von über 350 Milliarden Dollar haben könnte. In einem solchen Szenario hätte Nvidia bis zum Ende des Jahrzehnts eine Ertragskraft von 69 Dollar pro Aktie, während das Unternehmen im vergangenen Jahr einen Gewinn pro Aktie von 11,93 Dollar erzielte. Bei der Parallelverarbeitung handelt es sich um eine Computing-Methode, bei der zwei oder mehr Prozessoren (CPUs) gleichzeitig separate Teile einer Gesamtaufgabe bearbeiten. Durch diese Aufteilung lässt sich die Bearbeitungszeit verkürzen.

Lipacis fügte hinzu: «Wir glauben, dass die tektonische Verschiebung hin zur aktuellen Ära der Parallelverarbeitung und IoT-Computing vor 5 bis 8 Jahren begonnen hat und dass Nvidia das dominierende Ökosystem im Bereich der Parallelverarbeitung ist, das sich noch in der Anfangsphase befindet und überdurchschnittliche Renditen für Investoren erzielen wird.»

Trotz des starken Aktienanstiegs liegt das vorwärtsgerichtete Kurs-Gewinn-Verhältnis nur bei 34. Der Gewinn pro Aktie wird für dieses Jahr bereits auf 24,95 Dollar geschätzt. Und die von Bloomberg befragten Analysten empfehlen den Titel in absoluter Mehrheit zum Kauf - 61 «Buys» stehen sieben «Holds» gegenüber. Das durchschnittliche Kursziel liegt 18 Prozent über dem aktuellen Kurs. Auch Jonathan Curtis, Anlagechef bei der Franklin Equity Group, und Fondsmanager Matthew Cioppa hielten im Interview mit cash.ch die Bewertung von Nvidia nicht für übertrieben.

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