Wir erinnern uns an den Präsidentschaftswahlkampf von vor acht Jahren. Bis zuletzt wurde Donald Trump von den Medien und Kommentatoren belächelt, verspottet und verhöhnt. Dem schrillen Polit-Aussenseiter wurde nicht der Hauch einer Chance eingeräumt.

Nun, es kam bekanntlich anders. Es folgte eine vierjährige Trump-Präsidentschaft, die – je nach politischer Couleur – entweder als erratisch und brüskierend oder als unkonventionell, aber notwendig beurteilt werden kann. Auf jeden Fall war das mediale Aufatmen rund um den Globus hörbar, als nach einer Legislatur die umstrittene Präsidentschaft ein Ende fand. Die amerikanische Demokratie hatte den personellen Ausrutscher korrigiert und konnte somit wieder zum politischen Normalbetrieb übergehen. Und mit seiner unrühmlichen Rolle bei der Erstürmung des Kapitols schien es klar, dass Donald Trump alsbald in der Versenkung der Geschichte verschwinden würde.

Läuft Trump erst zu Hochform auf

Nun, es kam bekanntlich anders. Mit dem Auftakt des republikanischen Vorwahlprozederes könnte man glauben, dass der Ex-Präsident erst jetzt richtig in Fahrt kommt. Denn den ersten Lackmus-Test darüber, ob sich Umfragevorsprünge auch in harte Wahlergebnisse ummünzen lassen, bestand Donald Trump mit Bravour: Bereits eine halbe Stunde nach der Eröffnung der Abstimmungsorte in Iowa riefen CNN und die Nachrichtenagentur AP Trump zum Sieger aus.

Bei den Medien ist das Belächeln von 2018 denn auch einer bangen Konsternation gewichen. Der langjährige Chefreporter des «Des Moines Register» kam nicht umhin zu kommentieren, dass noch nie in der Geschichte der Iowa-Caucuses ein Gewinner innert so kurzer Zeit festgestanden sei. Donald Trump abgeschrieben?

Nun, es kam bekanntlich anders. Nichts verdeutlichte das sinnbildlicher als sein Überraschungsauftritt in einer zum Wahllokal umfunktionierten Sporthalle in einem Vorort von Iowas Hauptstadt Des Moines. Mussten mit Vivek Ramaswamy und Asa Hutchinson sich zwei seiner Mitkandidaten (Ramaswamy nahm sich mittlerweile aus dem Rennen) nur wenige Minuten zuvor mit einem bestenfalls lauen Applaus begnügen, versetzte das Erscheinen des Ex-Präsidenten die Menge förmlich in Ektase. Es war – man kann es nicht anders sagen – der Einlauf des Champions in den Ring.

Biden gegen Trump. Zum Zweiten

Die Vorwahlen in Iowa gelten als früher Gradmesser dafür, wer im Sommer für das endgültige Rennen um die US-Präsidentschaft erkoren wird. Dies dürfte immer mehr zu einer rein rhetorischen Frage werden. Die USA – und die Welt – können sich auf eine Neuauflage des Kampfes zwischen Joe Biden und Donald Trump einstellen. Die Wahlchancen für Trump? Auf jeden Fall mehr als nur intakt, und ganz sicherlich wird der alte neue Herausforderer von niemanden mehr belächelt.

Das heisst aber auch, dass sich sowohl die USA als auch die Welt, sowohl die Wirtschaft als auch die Politik, langsam aber sicher mit dem Gedanken einer erneuten Präsidentschaft Trumps vertraut machen müssen – ob sie es nun wollen oder nicht. Und falls es dazu kommen sollte, ist anzunehmen, dass Donald Trump in seiner zweiten Amtszeit kaum mehr eine Handbremse kennen wird. Die erste Legislatur dürfte demnach nur ein Vorgeschmack dessen gewesen sein, was in einer zweiten Runde zu erwarten wäre.

Rückenwind für die «alte» Industrie?

Innenpolitisch dürften die von Biden lancierten Investitionsprogramme in klimafreundliche Technologien ebenso zur Zielscheibe Trumps werden, wie es damals das von ihm verhasste Obamacare wurde. Die traditionellen «alten» Industriesektoren würden somit zumindest zeitweilig einen neuerlichen Aufwind verspüren. Das gilt wohl auch für die Finanzindustrie. Das Bemühen, die Branche noch stärker an die regulatorische Leine zu nehmen, stiesse bei Trump – wahrlich kein Freund starker gesetzlichen Vorschriften – auf erbitterten Widerstand und entsprechende Verzögerungen.

Weiter dürfte das harte (und von Biden zu einem gewissen Grad fortgeführte) Grenzregime angesichts einer erneut ausser Kontrolle zu geraten scheinenden illegalen Einwanderung drastisch verschärft werden. Eine zunehmende Verstimmung zwischen den USA und den südlicheren Ländern auf dem amerikanischen Kontinent wäre vorprogrammiert.

Aussenpolitisch bedeutete eine erneute Amtszeit Trumps zumindest keine Besserung beim angespannten Verhältnis der USA zu China. Auch wenn zu erwarten – oder doch wenigstens zu hoffen – ist, dass auch ein Donald Trump die Taiwan-Frage nicht militärisch eskalieren lassen wird, so dürften neben den diplomatischen Beziehungen auch dem wirtschaftlichen Austausch zwischen den USA und China ein weiteres Abkühlen drohen. Man erinnere sich daran, dass der Handelskrieg zwischen der grössten und zweitgrössten Volkswirtschaft unter der Administration Trump losgetreten wurde.

Europa zwischen Stuhl und Bank

Dies wären kaum gute Neuigkeiten für das konjunkturell angeschlagene Europa. In dem bekannten Freund-Feind-Schema Trumps würde es nicht überraschen, stünden die Europäer erneut vor dem faktischen Zwang allfällige Embargos und Sanktionen gegen das Reich der Mitte mitzutragen. In einem Umfeld, in dem die Wachstumsimpulse aus China sowieso schon deutlich schwächer ausfallen, würden solche Handelsrestriktionen zusätzlichen Gegenwind für Europas Konjunktur bedeuten.

Zumal sich Europa bei einem Wahlsieg Trumps bereits auf sicherheitspolitisch enorme Ressourcenbindungen einstellen müsste. Denn was sich mit der einstweiligen Einstellung der amerikanischen Urkaine-Unterstützung bereits abzeichnet, dürfte sich unter einem Präsident Trump akzentuieren: Die Ukraine und der Erhalt derer Souveränität geniesst kaum oberste Priorität in der US-Aussenpolitik. Mit dem endültigen Wegfall des wichtigsten militärischen und finanziellen Unterstützers, dürfte sich der Kriegsverlauf aber immer mehr zugunsten Russlands entwickeln und eine Niederlage der Ukraine wahrscheinlicher werden. Das heisst aber auch, dass Russland in diesem Fall buchstäblich vor den Toren Europas mit seinen kaputtgesparten und überforderten Streitkräften stünde. Angemessen auf ein solches Szenario zu reagieren würde Europa beachtliche Aufrüstungsausgaben abringen.

Nicht den Kopf in den Sand stecken

Ja, eine erneute Präsidentschaft Donald Trumps birgt einiges an Unwägbarkeit und potenziellem Ungemach. Wie soll sich die Welt, wie soll sich Europa darauf einstellen? Im englischen Sprachgebrauch ist die Redewendung «Hope for the best; prepare for the worst.» weit verbreitet. Das scheint eine angemessene Strategie zu sein, auch wenn Zweifel darüber angebracht sind, ob die Alternativen wirklich «das Beste» und «das Schlimmste» darstellen. Keine Option hingegen ist es, Trump erneut wegzulächeln und von seiner Niederlage auszugehen. Das war bereits einmal die vorherrschende Annahme.

Nun, es kam bekanntlich anders