In der globalen Wirtschaft gibt es heute mehr als eine Milliarde Wissensarbeiterinnen und -Arbeiter. Die in diesen Branchen geleistete Arbeit erwirtschaftet in den grossen Volkswirtschaften etwa 50 Prozent des BIP. Die Verschmelzung von Wissensarbeit und KI birgt ein transformatives Potenzial. Sie hat aber auch eine heftige Debatte über die Bedrohung von Arbeitsplätzen und den Charakter der Arbeit selbst ausgelöst.

Im Folgenden gehen wir der Frage nach, was KI für Arbeitsplätze bedeuten könnte, wobei wir auch Beispiele der Automatisierung aus der Vergangenheit betrachten. Ausserdem sehen wir uns an, wie Unternehmen KI als Differenzierungsmerkmal nutzen können, um das Beste aus ihren Mitarbeitenden herauszuholen.

Da es sich bei KI nach wie vor um eine recht neue Technologie handelt und die Anwendungsfälle sich stetig weiterentwickeln, sehen wir derzeit noch von endgültigen Schlussfolgerungen ab.

Wird KI unsere Arbeitsplätze zerstören?

Eine der grössten Befürchtungen rund um die Einführung von KI, insbesondere generativer KI wie ChatGPT, ist, dass sie menschliche Arbeitskräfte überflüssig machen könnte. Allerdings dauert der Automatisierungsprozess in der Arbeitswelt mittlerweile schon 200 Jahre an. Jedes Mal, wenn wir eine Automatisierungswelle durchlaufen, verschwinden ganze Aufgabenkategorien. Zugleich werden völlig neue – und somit auch neue Arbeitsplätze – geschaffen.

Dieser Prozess geht mit Konflikten, Schwierigkeiten und Brüchen einher, und manchmal entstehen die neuen Arbeitsplätze für andere Menschen an anderen Orten. Im Laufe der Zeit hat sich die Gesamtzahl der Arbeitsplätze jedoch nicht verringert, und aus gesellschaftlicher Sicht führen die Veränderungen im Allgemeinen zu Verbesserungen im Vergleich zu vorher.

So deuten Untersuchungen darauf hin, dass nur einer der 271 Berufe, die in der US-Volkszählung von 1950 aufgeführt wurden, seitdem wegen vollständiger Automatisierung komplett abgeschafft worden sind: derjenige des Aufzugsführers (Bessen, 2016). Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass der Beruf des Kutschenbauers im Jahr 1950 aufgrund des technologischen Wandels bereits weitgehend durch den des Karosseriebauers ersetzt worden war. Zugleich gingen aber bestimmte Aufgaben, die im alten Beruf enthalten waren, auf den neuen über.

Eine häufige Folge der Automatisierung und der technologischen Entwicklung ist die Umwandlung bestehender Aufgaben in im Wesentlichen neue Aufgaben, wodurch ein Arbeitsplatz faktisch durch einen anderen ersetzt wird. Hier ist es wichtig, zwischen der Abschaffung von Arbeitsplätzen durch die Automatisierung aller damit verbundenen Aufgaben und der Substitution bestimmter Aufgaben durch neue Arten von Arbeitsplätzen zu differenzieren.

Komplexität der Integration von KI in die Wissensarbeit

Bislang waren vor allem Arbeitsplätze im Fertigungssektor von KI betroffen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden im Rahmen der wissenschaftlichen Betriebsführung Arbeitsplätze oder Funktionen in einzelne Komponenten zerlegt, um einzelne Aufgaben zu identifizieren, die dann durch Automatisierung verbessert werden konnten. Dies ebnete den Weg für die Einführung von Maschinen in den Fertigungsstrassen. Ausserdem schuf es die Grundlage für die Schichtarbeit und für Fabriken, die rund um die Uhr arbeiten. Bedeutet KI nun dasselbe für die Wissensindustrie?

Der Tag eines typischen Wissensarbeiters besteht aus einer Vielzahl von Aufgaben, die es zu erledigen gilt. Einen Grossteil davon zu automatisieren, wird kompliziert sein, nicht zuletzt, weil jedes Unternehmen mehrere Technologiesysteme einsetzt.

Vorstellbar ist allerdings durchaus, dass einige Aufgaben automatisiert werden können, um die Geschwindigkeit und/oder Genauigkeit bei der Arbeit zu verbessern und es den Arbeitnehmern zu ermöglichen, sich auf die humanzentrischen Aspekte ihrer Arbeit zu konzentrieren.    

Potenzial von KI für mehr Produktivität

Einige akademische Studien haben sich bereits speziell mit ChatGPT bei Schreibtischtätigkeiten befasst. Eine Studie von Noy und Zhang (2023) über Bürotätigkeiten von Fachkräften mit mittlerem Hochschulabschluss ergab in einigen Fällen eine Zeitersparnis von 40 Prozent bei gleichzeitiger Verbesserung der Qualität (vor allem am unteren Ende des Spektrums).

Im Jahr 2013 wurden im Harvard Business Review Zahlen veröffentlicht, denen zufolge Wissensarbeiter drei Stunden pro Tag mit Schreibtischarbeit verbringen, der Rest entfällt auf Zusammenarbeit, Besprechungen usw. Bei einer Zeitersparnis von 40 Prozent wäre es vorstellbar, dass mit generativer KI unterstützte Wissensarbeiter die Arbeit von fünf Tagen künftig in nur drei Tagen erledigen können, mit allen Aspekten, die sich aufgrund der erhöhten Leistung und möglicherweise veränderten Work-Life-Balance ergeben würden.

Je mehr wir die potenziellen Anwendungsfälle für generative KI untersuchen, desto stärker gehen wir davon aus, dass sich die Diskussionen künftig nicht mehr auf die störenden oder bedrohlichen Folgen konzentrieren werden, sondern auf die Vorteile.

Und wir reden hier nicht nur von Produktivität, sondern auch von Strategien gegen den Fachkräftemangel. Schätzungen gehen davon aus, dass in Zukunft weltweit bis zu 85 Millionen Arbeitsplätze nicht besetzt werden können, was bis zu 8,5 Bio. US-Dollar kosten könnte. KI kann Unternehmen und auch Ländern zumindest dabei helfen den demografisch oder qualifikationsbedingten Arbeitskräftemangel anzugehen.

Wie können Unternehmen KI zur Optimierung ihrer Belegschaft einsetzen?

Wir sind der Meinung, dass KI im Bereich des Humankapitalmanagements auf vielfältige Weise helfen kann. Hier geht es um die Frage, wie Unternehmen den Wert ihres Humankapitals etwa durch Talententwicklung, Personalplanung, Investitionen in die Unternehmenskultur etc. maximieren können, und welche Rolle dabei KI spielen könnte.

Angesichts der Homogenisierung der Anlagen und Ausrüstungen im Fertigungssektor wird das Management des Humankapitals im Laufe der Zeit laut Ansicht einiger zu einem immer wichtigeren Differenzierungsfaktor bei der Generierung von Rendite. Vor der Einführung grosser Sprachmodelle (Language Learning Models; LLMs) und GPT waren die wichtigsten produktiven „Assets“ in der Wissensindustrie die Menschen. Mit der Integration von KI in den Dienstleistungssektor werden nun digitale Assets – die zugrunde liegenden Modelle – mit den für alle Nutzer gleichen Ausgangsbedingungen eingeführt.

Welch unterschiedliche Ergebnisse zwei verschiedene Unternehmen, die GPT einsetzen, letztlich erzielen, hängt folglich davon ab, wie gut sie jeweils eigene Daten einsetzen und effizienter in ihre Aufgaben integrieren können und wie sie die Technologie besser als andere nutzen können (z. B. durch effektivere Eingabeaufforderungen). Der zweite und dritte Bereich betreffen Aspekte des Humankapitalmanagements.

Chance für KI bei der Fortbildung

Die vielleicht offensichtlichste Möglichkeit, KI und grosse Sprachmodelle in das Management des Humankapitals zu integrieren, bietet sich bei Systemen zur Fortbildung von Talenten. Dies ist zum Teil dem zunehmenden Fachkräftemangel geschuldet, mit dem die Unternehmen in zahlreichen Branchen mittlerweile konfrontiert sind. Es hat aber auch mit der Formbarkeit von Menschen als flexibler Aktivposten zu tun, der sich weiterentwickeln und letztlich wertvoller werden kann.

In einer kürzlich durchgeführten Umfrage unter Büroangestellten, die Vollzeit in den USA tätig sind, stellte Jefferies fest, dass 82 Prozent der Befragten ihre Fähigkeiten gerne verbessern würden, wenn sie Gefahr laufen, dass die Automatisierung ihre derzeitige Tätigkeit ersetzen könnte.

Unternehmen sollten u. E. hierbei die Effektivität der für Schulungen aufgewendeten Gelder und Zeit im Auge behalten. Zugleich ist die Möglichkeit für Unternehmen sehr attraktiv, Arbeitskräfte durch Schulungen auf neue Aufgaben vorzubereiten, wenn bisherige schon durch KI erledigt werden können, und KI zur Verbesserung der Schulungserfahrung einzusetzen.

Wie die PWC-Umfrage „Global Workforce Hopes and Fears Survey 2023“ zeigt, ist etwas mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer von den Vorteilen, die KI ihnen bringen kann, begeistert, vor allem wegen der sich bietenden neuen Fähigkeiten und Möglichkeiten, während nur ein Drittel eher negativ eingestellt ist.

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Quelle: ZVG

Einsatz von KI in der Personalstrategie und HR-Analytik

Der Druck für die Unternehmen, flexibler zu sein und mit weniger Ressourcen mehr zu erreichen, hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die strategische Personalplanung kommt mit ihrem Fokus auf Kompetenzen, Wettbewerbsfähigkeit und Leistung diesbezüglich eine zentrale Bedeutung zu.

Die Nutzung von LLMs in diesem Bereich könnte die Handlungsfähigkeiten von Personalabteilungen erhöhen, Talentfunktionen bei der Kompetenzentwicklung unterstützen und die Nachhaltigkeit und damit den Wert des Humankapitals eines Unternehmens langfristig steigern.

So wünscht sich jeder Personalmanager im Hinblick auf die Analytik bessere Daten über seine Belegschaft. KI könnte Bestandteil von Mitarbeiterbefragungen werden und zum Beispiel dabei helfen, Bewertungen und Freitextantworten auf Umfragen zur Stimmung unter den Mitarbeitenden oder auf Fragen zu Themen wie Burnout zu lesen und zusammenzufassen. Oder sie könnte bei Modellen zur Potenzial- und Leistungsbewertung Einsatz finden.

Was können Investoren die Unternehmensleitung über KI und Humankapitalmanagement fragen?

Mit der fortgesetzten Anwendung und Weiterentwicklung von KI werden sich auch laufend Fragen stellen. Im Folgenden listen wir einige der Fragen auf, die derzeit am relevantesten erscheinen.

  • Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Vorteile und Risiken für Ihr Unternehmen und Ihre Belegschaft, die sich aus der weiteren Entwicklung von KI ergeben?
  • Welche Massnahmen haben Sie ergriffen und welche planen Sie, um KI-Funktionen in Ihr Unternehmen zu integrieren?
  • Gehen Sie davon aus, eine erhebliche Menge an Finanz- oder Humankapital für KI bereitzustellen oder infolge von KI erhebliche personelle Veränderungen vornehmen zu müssen?
  • Arbeiten Sie derzeit daran, KI zur besseren Abstimmung von Fähigkeiten und Talenten an sich bietende Gelegenheiten, zur Identifizierung von Fachkräftemangel in Ihrer Strategie oder für eine verbesserte Personalplanung und mehr Flexibilität in ihrem Unternehmen einzusetzen?
  • Wie gewährleisten Sie, dass KI keine Verzerrungen in Ihre Abläufe einführt?
  • Wie werden Mitarbeitende geschult, um auf effektive Weise mit KI-Tools und -Technologien im Talentmanagement zu arbeiten?
  • Wird KI verwendet, um die berufliche Entwicklung und interne Mobilität zu unterstützen?

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