Benno Arnold, die Schweizer Nebenwerte-Indices SMIM und SPIEX haben im vergangenen Quartal deutlich stärker haussiert im Vergleich zum SMI. Wird die Outperformance anhalten? 

Die beiden Nebenwerte-Indizes überflügeln den SMI bereits seit Anfang November 2022. Dies ist eine Gegenbewegung zur Underperformance seit Mitte 2021. Langfristig schneiden kleine und mittelgrosse Firmen, die Small & Mid Caps, indes besser ab als grosskapitalisierte Firmen, die sogenannten Big Caps. Das rührt unter anderem daher, dass Nebenwerten eine Risikoprämie zukommt, weil sie illiquider sind als Big Caps. Zudem wachsen kleinere Firmen üblicherweise stärker also die grossen. Es handelt sich oft um globale Nischenplayer mit Preissetzungsmacht. Ich fürchte aber, dass sich die aktuelle Outperformance bald dem Ende zuneigt.

Weshalb? 

Ich erwarte eine weltweite Rezession im laufenden Jahr, die meiner Analyse zufolge noch nicht in Gänze eingepreist ist. Ein Indiz hierfür sind die vergleichsweise hohen aktuellen Indexstände. Der S&P500 liegt derzeit 13 Prozent unter dem Allzeithoch von Ende 2021. Beim Euro Stoxx 50 sind wir sogar aktuell auf dem Allzeithoch! Die Aktien-Analyst:innen schätzen die Gewinne der Unternehmen erfahrungsgemäss als zu hoch ein. Demensprechend dürften auch die Bewertungen noch zu ambitioniert sein. 

Können Sie das konkreter fassen? Erwartet uns eine Korrektur wie zur Jahrtausendwende oder während der Finanzkrise? 

Die Korrektur könnte signifikant ausfallen. Inflation, hohe Zinsen und Wirtschaftsaussichten sprechen dafür. Ich rechne nicht damit, dass sie der Stärke der Finanzkrise gleichkommen wird.

Was mich neben der rezessiven Gefahr auch vorsichtig agieren lässt, zumindest kurzfristig, sind Folgeentwicklungen der Corona-Pandemie. 

Wie das? 

Die Corona-Pandemie hat uns die Verletzlichkeit der internationalen Lieferketten vor Augen geführt. So haben sich beispielsweise die Preise für Mikrochips während der Pandemie teils verhundertfacht. Unternehmen reagierten, indem sie Lieferantennetzwerk diversifiziert haben. Weiter haben sie in Erwartung höherer Preise und Lieferverzögerungen ihre Bestände frühzeitig erhöht. Es wurde somit eine künstliche Nachfrage geschaffen. Bevor die Firmen nun weitere Bestellungen auslösen, bauen sie zuerst ihre Lager ab. Aktuell und in naher Zukunft dürfte somit weniger produziert werden. 

Rezession im Ausland, Rezessionsbefürchtungen in der Schweiz, steigende Zinsen und hartnäckige Inflation sprechen für einen Wechsel in defensive Werte. Wo im defensiven Sektor ist das Potenzial am grössten? 

Auf das «Seelenfutter» Schokolade greifen Investorinnen und Investoren gerade in unsicheren Zeiten gerne zurück. Dabei denke ich etwa an den weltweit führenden Schokoladen-Produzenten Barry Callebaut. Die Titel sind im Branchenvergleich und auch im historischen Kontext mit einem Verhältnis von Unternehmenswert zu operativem Gewinn (EV/EBITDA24E)  von 12.1x günstig bewertet. Zudem hat Barry Callebaut die Verträge so gestaltet, dass die Kundschaft höhere Rohstoffpreise übernehmen müssen – ein bewährtes Businessmodell in inflationären Zeiten. Auch Lindt&Sprüngli dürfte gegen die Inflation gefeit sein. Die Marke ist international so stark verankert, dass höhere Verkaufspreise durchgesetzt werden können. Ein widerstandsfähiges Geschäftsmodell hat auch SIG Combibloc … 

… der auf Milchverpackungen spezialisierte Maschinen-Hersteller. 

Genau. Milch wird stets und immer mehr getrunken, etwa in China oder Indien. In beiden Märkten hat SIG Combibloc Fuss gefasst. Mit einem globalen Marktanteil von rund 25 Prozent ist SIG zwar klar die Nummer zwei hinter Tetrapack, die den Markt dominiert. Diese Marktkonstellation dürfte attraktive Preise und genügend Wachstumspotenzial bieten.

Und wie sieht es bei den Grossen aus wie Nestlé, Unilever oder Mondeléz? 

Nestlé dürfte solides organisches Wachstum liefern, und zwar mehr als der Markt erwartet. Das Grossunternehmen hat sein Geschäftsportfolio in den letzten Jahren bereinigt und optimaler für die Zukunft aufgestellt. 

Die Energiepreise machen Bocksprünge. Was heisst das etwa für den schweizweit grössten Versorger BKW? 

Wir sind überzeugt, dass BKW stark von den hohen Energiepreisen profitiert. Das Unternehmen verfügt über gewisse "stille Reserven" und seine Marktposition mit Produktion und Distribution ist ausgezeichnet.

Überraschend ist die Entwicklung bei den Schweizer Pharma- und Gesundheitstiteln. Diese haben gemessen am SPI Gesundheit TR innert Jahresfrist rund 11 Prozent eingebüsst (Stand: 20.4.23). Das sind 5 Prozent mehr als der Gesamtmarkt.

Was dazu geführt hat, dass Pharma-Werte meines Erachtens aktuell zu günstig bewertet sind.  

Welche zyklischen Werte trotzen Rezession, Inflation und höheren Zinsen?

Ich möchte deren drei herauspicken: Erstens Forbo. Zum Kundenkreis des Bodenbelags- und Förderbänder-Herstellers zählen viele staatsnahe Betriebe, die auch in Rezessionen Aufträge erteilen. Zweitens: Burckhardt Compression. Der weltweit führende Anbieter von Kolbenkompressoren zum Verdichten oder Verflüssigen von Gas ist sehr gut im Wasserstoff-Bereich positioniert. Wasserstoff gilt als Schlüsselelement in der Energiewende. Drittens: Bankaktien. Banken profitieren von den höheren Zinsen. Allerdings: Das Bankenbeben, ausgelöst durch die Silicon Valley Bank, ist womöglich noch nicht zu Ende. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für weitere seismische Wellen.

Ihre Fonds wurden verschiedentlich ausgezeichnet. Dieses Jahr wurde Ihr High Quality Fonds von Lipper als bester Schweizer Aktienfonds über einen Zeitraum von drei Jahren prämiert. Und: Citywire kürte Sie zum besten Fondsmanager Aktien Schweiz 2023.

Das ist richtig, natürlich haben mir beide Auszeichnungen besondere Freude bereitet. Um diese Preise ringen zirka 130 direkte Konkurrentinnen und Konkurrenten. Es ist wie in einem professionellen Skirennen. Alle Qualifizierten sind hervorragend trainiert und geben alles, doch nur einer kann gewinnen. Hingegen dauert unsere Abfahrt nicht eineinhalb Minuten sondern drei Jahre. Anders als in einem Abfahrtsrennen wird bei uns risikoadjustiert gemessen.

Will heissen: Die Fondsrendite wird ins Verhältnis zum eingegangenen Risiko gesetzt. 

Korrekt. Risikoreiche Anlagestrategien müssen proportional mehr Rendite liefern als risikoärmere Anlagestrategien, um Spitzenplätze zu erreichen. Anders beim Skirennen. Da muss man z.B. auf der Streiff in Kitzbühl enorm viel Mut zum Risiko beweisen, um vorne dabei zu sein. 

Hand aufs Herz, wieviel Glück ist mit im Spiel? 

Glück gehört immer dazu – es wäre töricht etwas anderes zu glauben. Vermutlich gleicht sich Glück und Pech über die Zeit aus. Daher empfehle ich Portfoliomanagerinnen und -manager nicht kurzfristig, sondern mindestens über drei, wenn nicht fünf Jahre zu beurteilen. Noch besser ist es, einen ganzen Konjunkturzyklus zu berücksichtigen, denn gewisse Anlagestile funktionieren nur in bestimmten Marktphasen. Gut ist aber, wer über den ganzen Zyklus vorne liegt.

Wie lautet Ihr Erfolgsrezept? 

Das wichtigste ist eine klare Strategie zu haben und diese konsequent zu verfolgen, auch wenn es kurzfristig Rückschläge gibt. Dabei hilft eine jahrzehntelange Erfahrung sehr. Ich verkaufe Anlegerinnen und Anlegern einen detaillierten Anlageansatz. So setze ich konsequent auf sehr sorgfältig analysierte bezahlbare Qualität. Diesen Anlageansatz gilt es hartnäckig umzusetzen, ansonsten veräppelt man die Kundschaft.

Eine beliebte Anlagestrategie ist das Verwalten eines eigenen Portfolios nach dem Buy-and-Hold-Ansatz.

Buy-and-Hold mag sich für Anlegerinnen und Anleger mit einem sehr langen Anlagehorizont eignen. Oft ist diese Anlagestrategie indes zu wenig zielführend, weil es regelmässig kleinere oder grössere Abschwünge gibt. Timing ist somit wichtig. Weiter gilt es Geschäftsmodelle zu selektieren, die von aktuellen Marktlagen stärker profitieren als andere. Die Welt ist permanent in Bewegung: Marktlagen, Stärken und Schwächen und nicht zuletzt der Preis einer Aktie verändert sich. Darauf sollte man reagieren.

 

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