In New York erreichten der Technologieindex Nasdaq 100 wie auch der S&P 500 mit seinen 500 grössten kotierten US-Gesellschaften Ende August und Anfang September fast täglich Rekorde. Bis heute sind die Indizes nur wenig von diesen Höchstständen entfernt.

Man weiss, dass unzählige Kleinanleger von der eindrücklichen Erholung der Aktienmärkte seit Mitte März profitiert haben. Doch sie sind in Gefahr. Dies jedenfalls ist die Ansicht von Mohamed El-Erian, einer der Top-Wirtschaftsberater beim deutschen Versicherungskonzern Allianz.

Fondsmanager würden kaum Wetten auf fallende Märkte platzieren, sagt El-Erian im September. Dies, obwohl Bedenken wegen hoher Bewertungen umhergingen, welche die Fundamentaldaten nicht mehr korrekt wiedergäben. 

Der Anlageprofi greift die Signale aus dem Optionenhandel auf. Indem enorm viele "Calls" laufen, also Optionsgeschäfte mit der Erwartung steigender Kurse, häufen sich Risiken an. Seine Bedenken am Markt illustriert El-Erian auch mit seiner Beobachtung von "versierten" Anlegern, die zwecks Absicherung zu Derivaten griffen. 

Der ägyptisch-amerikanische Anlageprofi El-Erian trägt einen der grossen Namen in der Finanzszene. Heute als hochkarätiger Redner und Analyst geschätzt, war er 2007 bis 2014 CEO bei der Allianz-Tochter Pimco, zwischenzeitlich eine der erfolgreichsten Fondsgesellschaften der Welt.

El Erian legte seinen Punkt in einem Gastbeitrag für die Londoner Wirtschaftszeitung "Financial Times" dar. "Man kann das Ausmass der heutigen Risikonahme in den US-Märkten kaum übertrieben darstellen", schreibt der Finanzprofi. Seiner Meinung nach ist es ein Problem, dass die Fundamentaldaten von Wirtschaft und Unternehmen die Kurse nicht korrekt wiedergeben.  

El-Erians Analyse steht im Gegensatz zur Analyse vieler "Aktienbullen", welche eine Weiterführung der Rally erwarten. Sie sehen den Treiber vor allem im weiter üppig fliessenden Billiggeld aus den "Speichern" der Grossbanken. Sie setzen auch darauf, dass die Digitalisierung als Implusgeber der Märkte weiterfunktionieren wird und sie bezweifeln, dass die hohen Bewertungen angesichts tiefer Zinsen als massgeblicher Richtwert für Marktrisiken herangezogen werden können. Zudem zeigt die Statistik, dass gerade in einem Jahr mit amerikanischen Präsidentenwahlen die Märkte generell gut laufen.

Schwieriger ist im Moment die Deutung von konjunkturellen Daten: Diese lassen an einem Tag hoffen, an einem anderen Tag wieder Sorgen aufkommen. El-Erian selbst sieht keine Anzeichen eine nachhaltige Erholung von den Schäden, welche die Coronaviruskrise angerichtet hat: Kurzzeitige Störungen könnten zu "Langfrist-Narben" werden, warnt er.

«Mom and Pop types» in Gefahr

Noch stehen alle Zeichen auf positive Märkte. Auch El-Erian schreibt, dass es einen "grossen Schock" bräuchte, um die Kurse deutlich tiefergehen zu lassen: Ein erneuter wirtschaftlicher Einbruch oder schwerwiegende Fehler in der Geld- oder Finanzpolitik von Notenbanken und Regierungen. Dies sind nicht unmittelbar zu erwartende, aber denkbare Entwicklungen.

Die Falle für die privaten Retailinvestoren – "Mom and Pop Types", wie sie in englischsprachigen Ländern auch genannt werden – drohe dann zuzuschnappen: "Eine grosse Marktkorrektur, sollte sie denn eintreten, würde mehr Verkäufe der professionellen Anleger auslösen und jene Kleinanleger überrollen, die in letzter Zeit auf den Zug aufgesprungen sind."