Autoren: Christophe Hautin, Portfoliomanager, Allianz Global Investors und Julien Burki, Portfoliomanager, Allianz Global Investors
 

Nicht zuletzt haben politische Entwicklungen in den Vereinigten Staaten die Bemühungen in Europa beschleunigt, sich von traditionellen Verbündeten zu lösen und mehr Kontrolle über die eigene strategische Zukunft zu erlangen.

Im Zentrum dieser laufenden Transformation steht eine Gattung von Unternehmen, die als Technologietreiber bekannt sind. Dabei handelt es sich um Innovatoren jenseits des traditionellen IT-Sektors, die das Umfeld in den Bereichen Industrie, Energie, Gesundheit und Rüstung in Europa neu gestalten.  

In diesem Zusammenhang beschränkt sich Innovation nicht auf die traditionellen Akteure aus dem IT-Bereich. Vielmehr sind strategische Sektoren wie Energie, Infrastruktur, Biotechnologie und Cybersicherheit in die Betrachtung einzubeziehen. 
Das Streben nach strategischer Autonomie in Europa ist mehr als nur ein politisches Ziel, es ist mittlerweile ein wirtschaftliches und politisches Gebot. 

In der Corona-Krise sind Schwachstellen in den globalen Lieferketten zutagegetreten, was einen Trend hin zu Near-Shoring und Regionalisierung ausgelöst hat. Die Invasion Russlands in der Ukraine hat zudem die Notwendigkeit von unabhängiger Energieversorgung und Verteidigungsbereitschaft unterstrichen. 

Neudefinition von Innovation 
In der Vergangenheit wurde Innovation mit Technologieunternehmen nach Art der Silicon Valley-Firmen assoziiert. Dazu zählten unter anderem Software-Giganten, Cloud-Anbieter und Social-Media-Plattformen. 

Wenn es jedoch darum geht, wie Europa mehr Souveränität und Autonomie erreichen kann, ist ein erweiterter Horizont erforderlich.  
Aus dieser Perspektive betrachtet sind Technologietreiber solche Unternehmen, die durch Innovationen den Wandel in ihren jeweiligen Sektoren und darüber hinaus vorantreiben. Sie wirken nicht nur disruptiv, sondern bereiten auch den Weg für systemische Veränderungen. Diese Firmen werden an Bedeutung gewinnen, während sich Europa in einer Welt, in der sich globale Allianzen verschieben und Lieferketten neu konfiguriert werden, auf mehr Unabhängigkeit und größere Wettbewerbsfähigkeit zubewegt. 

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Investitionen in strategische Autonomie 
Zu den Schlüsselbranchen, in denen solche Unternehmen florieren, gehören die Bereiche Militär, Cyber Security, Umwelttechnologie sowie Biotech und Gesundheit. Die entsprechenden Firmen sind oft Small- und MidCaps mit enormer Innovationskraft und hohem Wachstumspotenzial. Ihr Aufstieg wird zusammen mit dem allgemeinen Innovationsumfeld immer stärker von der Politik geprägt.

Tatsächlich schafft die geopolitische Neuausrichtung einen fruchtbaren Boden für Innovationen. So erhöhen die Regierungen in der EU derzeit ihre Ausgaben für Rüstung, Infrastruktur und umweltfreundliche Technologien. Die Erhöhung der Kreditaufnahme für strategische Investitionen in Deutschland sowie EU-weite Initiativen wie „Preparation 2030“ signalisieren ein langfristiges Engagement für den Aufbau einer widerstandsfähigeren und autonomeren europäischen Wirtschaft. Auch der Green Deal der EU sowie andere nationale und supranationale Initiativen wie öffentlich-private Partnerschaften, mehr Mittel für Forschung und Entwicklung sowie stärkere regulatorische Unterstützung sorgen für ein günstiges Innovationsumfeld. Nicht zuletzt erwächst daraus die die Chance, den Rückstand gegenüber Wettbewerbern aus den USA und Asien aufzuholen.

Diese Entwicklungen verändern bereits die Anlegerstimmung, sodass lange unterschätzte und unterbewertete Unternehmen neues Interesse auf sich ziehen. Dies ist aus Sicht europäischer Aktienanleger eine willkommene Entwicklung, aber auch eine strategische Notwendigkeit. Denn so fließt Kapital zunehmend in Sektoren und Unternehmen, die den Bedürfnissen und Zielen Europas in einem zunehmend unvorhersehbaren geopolitischen Umfeld Rechnung tragen.

Souveräne Zukunft auf Basis von Innovation
Zwar gibt es bereits eine starke Dynamik und es herrscht ein günstiges – wenn auch nach wie vor komplexes – regulatorisches Umfeld.  

Jedoch wird der Erfolg der Technologietreiber Europas von ihrer Fähigkeit abhängen, zu skalieren, Investitionskapital anzuziehen und sich in breitere Wertschöpfungsketten zu integrieren. Und was den Zugang zu den besten Köpfen und deren Bindung angeht, müssen sie mit den globalen Giganten konkurrieren. 

Ungeachtet dieser Herausforderungen sind die sich bietenden Chancen enorm. Europa beansprucht seinen Platz als weltweit führende Innovationsregion zurück, und die derzeitigen Technologietreiber dürften für diese Strategie von entscheidender Bedeutung sein. 

Die Unterstützung solcher Unternehmen ist nicht nur finanziell geboten, sondern auch ein strategisches Erfordernis. Die Rückgewinnung der Autonomie Europas wird nicht nur in Parlamenten und Vorstandsetagen geschehen, sondern auch in den kleinen und mittleren Unternehmen, welche die nächste Welle des technologischen Fortschritts vorantreiben. 

 

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